Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund Verfolgung durch Mehrheitsclan (Abgaal) in Somalia wegen Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan (Midgan).
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die ergangene Androhung der Abschiebung nach Somalia ist rechtswidrig. Der Bescheid vom 4.6.2014 verletzt ihn daher in dem Umfang, in dem er zum Gegenstand der Klage gemacht wurde, in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Beim Kläger sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und der §§ 3 - 3e AsylVfG wegen Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe erfüllt. Dies ergibt sich daraus, dass es nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung, der die Angaben in der Anhörung beim Bundesamt ergänzt hat, glaubhaft ist, dass er aus dem Minderheitenclan der Midgan kommt und er deswegen vor der Ausreise bereits Verfolgung erlebt hat.
Größere Ungereimtheiten, wie sie sich aus der Niederschrift der Anhörung beim Bundesamt zunächst ergeben haben, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgeklärt. Festzustellen ist insbesondere, dass er entgegen der Annahme im angefochtenen Bescheid ausweislich der Niederschrift zur Anhörung beim Bundesamt nie geäußert hat, dass die Al Shabab ihn einen Tag lang verschont habe, sondern von vorneherein gesagt hat, er sei für einen Tag von der Zwangsarbeit befreit worden. Die Präzisierung in der mündlichen Verhandlung, dass die Mutter dies erreicht hat, indem sie vorgegeben hat, dass der Vater im Sterben liegt, ist schlüssig. Aufgrund der Anschaulichkeit der Schilderung, der genannten Details und des Eindrucks vom Kläger bei den Aussagen bestehen letztlich keinerlei Zweifel an der Zugehörigkeit zu einer diskriminierten Minderheit. Hinsichtlich des Sachverhalts, dass er und einige Geschwister von Angehörigen eines herrschenden Clans interniert und zu unbezahlter Arbeit gezwungen worden sind, entstand bei dem sehr jung und unerfahren wirkenden Kläger zwar an mehreren Stellen in der Anhörung der Verdacht, dass er meint, das tatsächlich Erlebte reiche nicht aus, um seinem Asylantrag zum Erfolg zu verhelfen. Auch wenn einige Details Ausschmückungen und Übertreibungen gewesen sein dürften, ist im Kern aber glaubhaft, dass der Kläger eine derartige Verfolgung erlebt hat und seine Familie dagegen machtlos war. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen steht fest, dass derartige Übergriffe in Somalia lange Tradition haben und dass der somalische Staat - unabhängig von der Frage einer aktuell im Herkunftsort Balad überhaupt bestehenden Staatsgewalt - keinen Schutz gegen derartige Übergriffe bietet.
Da schon dieser Sachverhalt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigt, kommt es nicht darauf an, dass der weitere Vortrag der zusätzlich drohenden Zwangsrekrutierung durch die Al Shabab weniger überzeugend war. Einerseits ist die Schilderung des Klägers, dass erst die zusätzliche Bedrohung durch die Al Shabab sowohl bei ihm selbst als auch seinen Eltern dazu geführt hat, die Notwendigkeit der Flucht zu akzeptieren, und ihnen sowie dem Onkel zu der notwendigen Energie verholfen hat, diese zu organisieren, nicht völlig unschlüssig. Andererseits ist die angeblich deswegen extrem schnell organisierte Ausreise nach Äthiopien wenig lebensnah und der angeblich beim Schleuser bezahlte Flug nach Amerika passt auch nicht zu den geschilderten Lebensverhältnissen der Familie. Selbst wenn dieser von somalischen Staatsangehörigen sehr häufig als Asylgrund genannte Sachverhalt vom Schleuser oder anderen Personen einstudiert worden ist, ist aber jedenfalls dennoch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger die tatsächlich erlebte Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan glaubhaft. [...]