Serbische Staatsangehörige, die innerhalb der (visumsfreien) ersten drei Monate ihres Aufenthaltes einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis stellen, haben Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII.
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Der Anspruch richtet sich nicht nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Kammer hält insoweit nicht an im Beschluss vom 2.12.2014 vertretenen Auffassung fest und schließt sich den Ausführungen der Antragsgegnerin an, wonach die Antragsteller nach Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15.3.2001 (EU-Visum-VO) während eines Aufenthalts von drei Monaten von der Visumspflicht befreit sein dürften.
Es kommt aber ein Leistungsanspruch der Antragsteller nach § 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch -- Zwölftes Buch - (SGB XII) in Betracht.
Da den Antragstellern zu 1) und zu 2), die Anspruch auf eine Fiktionsbescheinigung gem. § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG haben dürften, eine Erwerbstätigkeit nicht erlaubt sein dürfte, scheitert ein Anspruch nach dem SGB XII nicht an § 21 S. 1 SGB XII.
Ein Leistungsausschluss ergibt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen auch nicht aus § 23 Abs. 3 SGB XII.
Die Antragsteller sind noch nicht zu ihrer Einreisemotivation befragt worden. Ihr Prozessbevollmächtigter hat vorgetragen, Roma würden in Serbien politisch diskriminiert, schikaniert und wirtschaftlich und sozial ausgegrenzt. Schon vor diesem Hintergrund vermag der Umstand, dass ein Teil der Familie der ärztlichen Behandlung bedarf, nicht die Vermutung zu begründen, dass die Antragsteller eingereist sind, um Sozialhilfe-Leistungen zu erhalten, dies also das prägende Motiv ihrer Einreise war (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, Sozialhilfe 5. Aufl., zu § 23 AsylbLG Rn 43).
Soweit die Antragsgegnerin den maßgeblichen Sachverhalt bislang nicht aufgeklärt hat (zur Beweislast des Sozialhilfeträgers siehe Wahrendorf, a.a.O., Rn 44) und eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, hat das Gericht - da es um Leistungen zur Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums geht - auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange der Antragsteller einerseits und die öffentlichen Belange der Antragsgegnerin andererseits zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005, 1 BvR 569/06). Diese Abwägung führt dazu, dass den Antragstellern vorläufig existenzsichernde Leistungen, d.h. Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit sowie Hilfe bei Schwangerschaft gen. § 23 Abs. 1 SGB XII zu gewähren sind, denn die Sicherstellung solcher Leistungen gehört zu den verfassungsrechtlichen Pflichten des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgen und migrationspolitisch nicht zu relativieren sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 und Urteil vom 18.7.2012, 1 BvL 10/10).
Die Verpflichtung der Antragsgegnerin wurde in Anbetracht des noch offenen ausländerrechtlichen Verfahrens auf den 31.1.2015 begrenzt. Das Gericht geht davon aus, dass der Sachverhalt im Laufe des Monats Januar durch die Antragsgegnerin aufgeklärt und der Antrag der Antragsteller auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen bearbeitet werden kann. [...]