VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 07.09.2015 - 9 L 594/15.A - asyl.net: M23167
https://www.asyl.net/rsdb/M23167
Leitsatz:

Feststellung eines systemischen Mangels im norwegischen Asylsystem hinsichtlich der Vollzugspraxis, abgelehnte Asylsuchende nach Somalia abzuschieben.

Schlagwörter: Norwegen, Somalia, systemische Mängel, Dublin III-Verordnung, Vollzugspraxis, Abschiebung, Kettenabschiebung, Zentralsomalia, Südsomalia,
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a, VO 604/2013 Art. 18 Abs. 1 Bst. d, RL 2011/95/EU Art. 4, EMRK Art. 3,
Auszüge:

[...]

Zwar gelten in Norwegen die GFK sowie die EMRK; darüber hinaus erscheint Art. 18 Abs. 2 Unterabsatz 3 Dublin III-VO genügt, welcher in den Anwendungsfällen des Abs. 1 lit. d Dublin III-VO bei Ablehnung in erster Instanz einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 46 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 und damit gerichtlichen Rechtsschutz erfordert. Denn ein Widerspruchsführer kann gegen die Entscheidung der norwegischen Widerspruchsbehörde für Ausländerangelegenheiten (Uitlendingsnemnda) vor dem zuständigen Gericht Anfechtungsklage erheben (vgl. "UNE - die norwegische Widerspruchsbehörde für Ausländerangelegenheiten", [...])

Es ergeben sich jedoch Anhaltspunkte für einen systemischen Mangel hinsichtlich der Vollzugspraxis in Form der·Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Somalia. Obwohl nach summarischen Überprüfung eine Abschiebung nach Somalia, insbesondere nach Süd- und Zentralsomalia, auch weiterhin nicht in Betracht kommen dürfte, könnte eine Überstellung nach Norwegen einer Abschiebung dorthin gleichkommen.

Nach dem Bericht des Auswärtigen.Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia (Stand: November 2014) vom 2. Februar 2015 herrscht in Süd- und Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu Bürgerkrieg. Des Weiteren wird ausgeführt, dass relativ sichere Zufluchtsgebiete schwierig zu bestimmen seien. Zwar herrsche in Somaliland und in Puntland relative Bewegungsfreiheit, allerdings sei es häufig schwierig oder unmöglich, solche Gebiete tatsächlich zu erreichen. Die Situation in den Zufluchtsgebieten sei inzwischen mit mehr als 1 Million Binnenvertriebenen sehr angespannt. In Süd- und Zentralsomalia gebe es keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe. Davon sei auch für Puntland und Somaliland auszugehen, wobei sich jeweils dort die bessere Sicherheitslage positiv auswirke. Zu allen drei genannten Regionen gebe es keine belastbaren Erkenntnisse über die Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger. Diese Umstände sprechen derzeit dafür, dass für Abgeschobene in Somalia die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 MRK besteht. [...]