VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Urteil vom 24.07.2015 - 3 K 1763/12 - asyl.net: M23301
https://www.asyl.net/rsdb/M23301
Leitsatz:

Zur Zulässigkeit einer Anordnung nach § 31a BPolG zur Erhebung von Fluggastdaten durch Beförderungsunternehmen und der Übermittlung dieser Daten an die Bundespolizei.

Schlagwörter: Datenübermittlung, Fluggastdaten, Bundespolizei, Luftfahrtunternahmen, Fluggäste, Aufenthaltstitel, Visum, Transit-Visum, Schengenraum, Schengen-Außengrenzen, Grenzschutz, Grenzübertrittspapiere, Fluggastdaten, Terrorismusbekämpfung, Beförderungsunternehmen, Übermittlung personenbezogener Daten, RL 2004/82/EG, Richtlinie über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln, Einreisekontrolle, unerlaubte Einreise, Fahndungsdatenbank, Grundrechte, Visadatenbank, Passagierdatenbank, Visainformationssystem,
Normen: BPolG § 31a, BPolG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, BPolG § 12 Ab. 1 S. 1 Nr. 1, BPolG § 12 Ab. 1 S. 1 Nr. 2, BPolG § 12 Ab. 1 S. 1 Nr. 3,
Auszüge:

[...]

Rechtsgrundlage für die streitige Anordnung ist § 31a BPolG. Danach haben Luftfahrtunternehmen, die Fluggäste über die Schengen-Außengrenzen in das Bundesgebiet befördern, zum Zwecke der Erfüllung der Aufgaben nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BPolG auf Anordnung der in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 bestimmten Bundespolizeibehörde die in Absatz 3 genannten Daten in den von den Fluggästen mitgeführten Dokumenten zu erheben (Abs. 1 Satz 1) und die erhobenen Daten unverzüglich an die genannte Behörde zu übermitteln, sobald die Annahme der Fluggäste für den betreffenden Flug geschlossen ist (Abs. 1 Satz 2). Für den betreffenden Flug sind nach § 31a Abs. 3 BPolG die Gesamtzahl der beförderten Fluggäste sowie die weiteren, in der streitigen Anordnung unter Ziff. 1 1.-11. aufgeführten Daten zu erheben und zu übermitteln, hierzu gehören die Nummer und der ausstellende Staat des erforderlichen Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums (§ 31 a Abs. 3 Nr. 6 BPolG).

Die streitige Anordnung ist formell rechtmäßig gewesen, insbesondere hinreichend begründet, vgl. § 39 VwVfG. Es kann dahinstehen, ob bereits der Ausgangsbescheid den Anforderungen dieser Vorschrift entspricht, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Im Widerspruchsbescheid hat das Bundespolizeipräsidium ergänzend zum Ausgangsbescheid ausgeführt, aus welchen Gründen die Übermittlung der Visadaten erforderlich ist, und einen etwaigen Begründungsmangel des Ausgangsbescheids geheilt, vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG.

Die oben genannten Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung nach § 31 a Abs. 1 BPolG sind für die Anordnung vom 1. März 2012 im streitigen Umfang erfüllt.

Auf den im Bescheid aufgeführten Flugstrecken werden Fluggäste über die Schengen-Außengrenzen in das Bundesgebiet befördert. Die streitige Anordnung wurde von dem zuständigen Bundespolizeipräsidium zum einen zum Zwecke der Erfüllung der Aufgaben nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPolG erlassen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG umfasst der Grenzschutz die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich a) der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt, b) der Grenzfahndung und c) der Abwehr von Gefahren. Das beklagte Bundespolizeipräsidium hat nachvollziehbar dargelegt, dass die den Grenzschutz gewährleistende Bundespolizei (vgl. § 2 Abs. 1 BPolG) diese Zielsetzung effektiv nur dann erfüllen, wenn ihr vor der Einreise alle Fluggastdaten elektronisch übermittelt werden. Den in der Anordnung genannten Flughäfen komme aufgrund ihrer Stellung als internationale Verkehrsknotenpunkte mit regelmäßig hohen Fluggastzahlen auch vor dem Hintergrund der Terrorismusbekämpfung eine besondere Bedeutung zu. Die einzelnen Verbindungen bedürften nach aktuellen Erkenntnissen, wonach der Migrationsdruck anhaltend hoch sei und es zu fortgesetzten unerlaubten Beförderungen auf dem Luftweg komme, einer besonders intensiven grenzpolizeilichen Kontrolle. Im Jahr 2011 seien insgesamt 2168 unvorschriftsmäßig ausgewiesene Personen befördert worden. Aufgrund der Beratung der Dokumenten- und Visumberater der Bundespolizei seien an einigen Standorten mehr als 2000 Personen von der Beförderung nach Deutschland ausgeschlossen worden. Prognostisch sei nicht von einer wesentlichen Verringerung dieser Zahlen für 2012 auszugehen. An dieser Einschätzung zu zweifeln, hat das Gericht, auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin, keine Veranlassung.

Aus dem Vorbringen des beklagten Bundespolizeipräsidiums ergibt sich zugleich, dass die streitige Anordnung der Erfüllung der Aufgaben nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BPolG diente. Danach nimmt die Bundespolizei die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung (§§ 161, 163 der Strafprozessordnung) wahr, soweit der Verdacht eines Vergehens (§ 12 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) besteht, das 1. gegen die Sicherheit der Grenze oder die Durchführung seiner Aufgaben nach § 2 gerichtet ist, 2. nach den Vorschriften des Passgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylverfahrensgesetzes zu verfolgen ist, soweit es durch den Grenzübertritt oder in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem begangen wurde, 3. einen Grenzübertritt mittels Täuschung, Drohung, Gewalt oder auf sonst rechtswidrige Weise ermöglichen soll, soweit es bei der Kontrolle des Grenzüberschreitenden Verkehrs festgestellt wird. Die Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung sind für die in der streitigen Anordnung genannten Flugstrecken erfüllt. Nach den Darlegungen im Widerspruchsbescheid gab es für die Anordnung, wie oben dargelegt, aktuelle Erkenntnisse im Zusammenhang mit einem anhaltend hohen Migrationsdruck und fortgesetzter unerlaubter Beförderungen auf dem Luftweg, die einen Verdacht wegen des Vergehens der unerlaubten Einreise nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) rechtfertigten.

Nach § 31 a Abs. 1 BPolG haben Luftfahrtunternehmen bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen die in § 31 a Abs. 3 BPolG genannten Daten zu erheben und an die Bundespolizeibehörde zu übermitteln, dazu gehören die Nummer und der ausstellende Staat des erforderlichen Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums.

Die Vorschrift räumt der Behörde kein Ermessen ein, für das Luftfahrtunternehmen besteht vielmehr bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Pflicht zur Datenübermittlung.

Die auf der Grundlage des § 31 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 BPolG geforderte Datenübermittlung steht im Einklang mit höherem Recht.

Die Regelung zur Übermittlung von Fluggastdaten in § 31 a BPolG dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 19.4.2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (- Richtlinie 2004/82/EG -, Amtsbl. Nr. L 261 vom 6.8.2004, S. 24). Zweck dieser Richtlinie ist es, die Grenzkontrollen zu verbessern und die illegale Einwanderung zu bekämpfen, indem die Beförderungsunternehmen Angaben über die beförderten Personen vorab an die zuständigen nationalen Behörden übermitteln (Art. 1 der Richtlinie 2004/82/EG). Hierfür sollen die Luftfahrtunternehmen, die Fluggäste in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten verbringen, zur Übermittlung personenbezogener Daten ihrer Fluggäste bei Abschluss des Check-in verpflichtet werden (vgl. Erwägungsgrund (1) und Art. 3 bis 6 der Richtlinie 2004/82/EG). Auf diese Weise können die Grenzkontrollen intensiver gestaltet werden und den für die Kontrollen zuständigen Behörden steht ausreichend Zeit zu Verfügung, um alle Reisenden bei der Grenzkontrolle eingehender und genauer zu überprüfen, da ihnen die Angaben über die beförderten Personen bereits übermittelt wurden (vgl. Erwägungsgrund (11) der genannten Richtlinie).

Durch die Einführung des § 31a BPolG durch Gesetz vom 22.12.2007 ist die Richtlinie 2004/82/EG in innerstaatliches Recht umgesetzt hat. Hierdurch soll mehr Zeit für die grenzpolizeiliche Überprüfung von Flugpassagieren zur Verfügung stehen und eine gründlichere Kontrolle erfolgen können als wichtiges Instrument zur Verbesserung der Einreisekontrolle, was einen Mehrwert für die Terrorismusbekämpfung ergebe, und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung (BT-Drucksache 16/6292 vom 4.9.2007 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, S. 1 Buchst. A und Begründung A. 1., S. 6). Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, dass die Übermittlung von Visadaten mit § 31a BPolG nicht in Einklang stehe, wonach ein konkreter Anlass vorliegen müsse und es keine Verpflichtung zu einer flächendeckenden Datenübermittlung gebe. Die Pflicht zur Datenübermittlung besteht nach der angegriffenen Anordnung nicht generell, sondern nur für bestimmte Flugstrecken, auf denen die Fluggäste - gegebenenfalls nach einer Zwischenlandung aus einem anderen Land als den im Bescheid aufgeführten Ländern - nach Deutschland befördert werden. Insoweit dient die Anordnung, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, der Konzentration auf bestimmte Flüge, damit Flugstrecken, die - wie hier - nach den behördlichen Erkenntnissen häufiger als andere für illegale Einreisen genutzt werden, gezielter überprüft werden können (vgl. BT- Drucksache 16/6292 Buchst. B zur Artikel 1, Nr. 1).

Die Datenübermittlung verstößt nicht gegen den für alles staatliche Handeln geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 1 GG).

Soweit die Klägerin im Widerspruchsverfahren geltend gemacht hat, dass die Bundespolizei bereits über die Visadaten im eigenen System verfüge, hat das Bundespolizeipräsidium nachvollziehbar ausgeführt, dass dies für Reisende, die mit einem Visum eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union nach Deutschland einreisten, nicht gelten. Die Visadaten würden benötigt, um die Informationen mit Fahndungsdatenbanken abzugleichen und so gestohlene Dokumente oder nachträglich durch die Auslandsvertretung annullierte Dokumente schon vor der Einreise festzustellen. Diesem Vorbringen ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Soweit sie geltend macht, die Übermittlung von Visadaten sei mit sehr hohem Aufwand und Kosten in Höhe eines sechsstelligen Betrags verbunden, insbesondere für die IT-Systeme und den Betrieb verbunden, ist ihr Vorbringen unsubstanziiert und kann eine Verletzung von Grundrechten nicht begründen. Der hier in Betracht kommende Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) der Klägerin ist im Hinblick auf die geringen finanziellen Belastungen, die mit der geforderten Datenübermittlung verbunden sind, auszuschließen. Der Gesetzgeber ging bei Einführung des § 31a BPolG davon aus, dass sich die Kosten für die Wirtschaft nur geringfügig erhöhen. Für die erforderliche Datenübermittlung könnten die Luftfahrtunternehmen auf die vorhandenen Daten in ihren Buchungssystemen zurückgreifen, die sie bereits nach dem von der International Civil Aviation Organisation (ICAO) festgelegten United Nations Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport (UNEDIFACT)-Standard ohnehin erfassen. Einer manuellen Eingabe bedürfe es grundsätzlich nur für die nicht in der maschinenlesbaren Zone des Grenzübertrittsdokumentes vorhandenen Daten. Der damit verbundene Mehraufwand dürfte jedoch erheblich unter einer Minute pro Passagier anzusetzen sein und dies auch nur in den Fällen, in denen eine Datenübermittlung überhaupt angefordert wird (vgl. BT-Drucks. 16/6292 S. 2). Von dieser Annahme abzuweichen, besteht auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags kein Anlass. Das Bundespolizeipräsidium hat für das Gericht überzeugend ausgeführt, dass die Visadaten nicht generell manuell eingelesen werden müssten, vielmehr - soweit es um Reisen aus Mitgliedstaaten der EU geht - elektronisch einlesbar seien. Die maschinenlesbare Zone auf Visaetiketten enthalte u.a. die Nummer und den ausstellenden Staat des erforderlichen Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums. Dass in Fällen der beeinträchtigten Maschinenlesbarkeit und der Non-Schengen-Visa schätzungsweise 2 Millionen Passagiere von einer manuellen Datenerhebung erfasst wären, wie die Klägerin geltend gemacht hat, ist ohne nähere Erläuterung nicht nachvollziehbar. Auch der von der Klägerin behauptete Widerspruch zur International Civil Aviation Convention ist nicht ersichtlich, weil das beklagte Bundespolizeipräsidium von der Anforderung der Visadaten bislang nur mangels Erforderlichkeit abgesehen hat. Der Datenaustausch über Visa zwischen den Mitgliedstaaten ist in der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 vorgesehen. Soweit das Bundespolizeipräsidium bislang von einer Anforderung der Visadaten abgesehen bzw. nur optional gefordert hat, begründet dies kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in die Beibehaltung der bisherigen Verwaltungspraxis, weil das Bundespolizeipräsidium in der Vergangenheit darauf hingewiesen hat, dass die Daten zu einem späteren Zeitpunkt obligatorisch angefordert werden könnten, und der weitere Ausbau der Passagierdatendatei mit einer Schnittstelle zum Visainformationssystem eine Übermittlung der Visadaten erforderlich machte. [...]