OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.02.2015 - 4 LB 15/13 (= ASYLMAGAZIN 1-2/2016, S. 53 ff.) - asyl.net: M23405
https://www.asyl.net/rsdb/M23405
Leitsatz:

Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, der maßgeblich für die Einbürgerung ist, scheitert nicht daran, dass die erteilten Aufenthaltstitel nicht für den Betroffenen im Einbürgerungsverfahren angegebenen Namen, Geburtstag und Geburtsort erteilt wurde. Ein unter anderem Namen erteilter Aufenthaltstitel ist nicht nichtig. Die Klärung offener Identitätsfragen ist notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der Prüfung der in den §§ 10 und 11 StAG genannten Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe.

Schlagwörter: Einbürgerung, Täuschung über Identität, Sicherung des Lebensunterhalts, freiheitliche demokratische Grundordnung, Nichtigkeit, Aufenthaltstitel, arglistige Täuschung, rechtmäßiger Aufenthalt,
Normen: LVwG § 113 Abs. 1, StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3,
Auszüge:

[...]

Das Verwaltungsgericht hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 21. Juli 2009 und 9. Februar 2010 verpflichten dürfen, den Kläger einzubürgern.

Zwar hat der Kläger seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 1.HS StAG erfüllt ist. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass ihm - unstreitig - seit jedenfalls mehr als 8 Jahren kontinuierlich Aufenthaltserlaubnisse bzw. eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurden. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts scheitert nicht daran, dass die erteilten Aufenthaltstitel nicht unter dem nunmehr vom Kläger im Einbürgerungsverfahren angegebenen Namen, Geburtstag und Geburtsort erteilt wurde. Eine Rücknahme der entsprechenden Bescheide liegt nicht vor. Bei dieser Sachlage könnte die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nur verneint werden, wenn die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel infolge der Identitätstäuschung nichtig wären. Zunächst ist festzustellen, dass die dem Kläger jeweils erteilten Aufenthaltstitel wirksam bekanntgegeben wurden. Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für die oder den er seinem Inhalt nach bestimmt ist oder die oder der von ihm betroffen ist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 LVwG). Die jeweils erteilten Aufenthaltstitel waren für die Person des Klägers bestimmt. Seinerzeit wollten die Amtsträger der Beklagten diesen mit einem Aufenthaltstitel versehen, da er trotz der nach eigener Angabe erfolgten Identitätstäuschung jedenfalls Antragsteller und somit Beteiligter des Verwaltungsverfahrens geworden ist (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 LVwG). Für die verfahrensrechtliche Beteiligtenstellung ist auf die Person abzustellen, die der Behörde gegenübertritt und im eigenen Namen für sich (eine Entscheidung über) die beantragte Maßnahme begehrt. Durch die jeweilige Beantragung der Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist zwischen dem Kläger und der Beklagten jeweils ein Verfahrensrechtsverhältnis begründet worden; die seinerzeitigen Amtswalter hatten jeweils die Absicht, gegenüber dieser Person eine Regelung zu treffen.

Hiervon zu trennen ist die materielle Erteilungsvoraussetzung der geklärten und feststehenden Identität des Antragstellers (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG). Aus diesem Grunde ist der jeweils erteilte Aufenthaltstitel auch dann dem Kläger gegenüber wirksam geworden, falls er auf einem Identitätsirrtum beruhte und infolgedessen zu einer fehlerhaften Personenbezeichnung in der Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) geführt hat.

Die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel sind auch nicht gemäß § 113 Abs. 1 LVwG nichtig, weil sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegend ist ein Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien und der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in einem so erheblichen Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Für die Beurteilung ist dabei auf den Erlasszeitpunkt abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 05.04.2011 - BVerwGE 6 B 41.10 - Buchholz 316 §44 VwVfG Nr. 102). Zwar hat der Kläger die Beklagte nach eigenem Vorbringen über seine Identität, insbesondere den Namen, den Geburtsort und das Geburtsdatum getäuscht, sodass hiernach die erteilten Aufenthaltstitel wegen eines wesentlichen entscheidungserheblichen Mangels rechtswidrig waren. Sie sind deswegen aber nicht mangels existierenden Bezugsobjekts nichtig. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bezog sich nicht auf eine nicht vorhandene oder andere Person, sondern auf die Person des Klägers unter (nach nunmehrigen Angaben) falschem Namen aufgrund falscher Angaben (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.09.2014 - 1 C 10.14 - NVwZ 2014, 1679, zur Einbürgerung). Der Gesetzgeber selbst sieht durch arglistige Täuschung erwirkte Verwaltungsakte nicht als nichtig, sondern (nur) als rücknehmbar an (vgl. § 116 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwG). Die Erteilung von Aufenthaltstiteln - wenn auch unter falschem Namen - kann deshalb nicht als schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar angesehen werden, zumal im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung der jeweiligen Aufenthaltstitel vorlagen.

Auch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG steht der Einbürgerung nicht entgegen. Hiernach ist Voraussetzung, dass der einzubürgernde Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert.

Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird jedoch gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 6 StAG abgesehen, wenn der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechts - stellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) besitzt. Das ist hier unstreitig der Fall.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, dass eine Einbürgerung des Klägers, der - unstreitig - die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse hat und die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG vorgesehene Loyalitätserklärung abgegeben hat, nicht infolge des Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausgeschlossen ist. Gemäß § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die - wie hier - bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, die §§ 8 - 14 und 40 c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Das ist hinsichtlich des Ausschlusstatbestands in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nicht der Fall. Dieser entspricht der vorherigen Regelung in § 11 Satz 1 Nr. 2 in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung des StAG. Danach ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger den Ausschlusstatbestand nicht erfüllt. Unter Zitierung der maßgeblichen Rechtsgrundsätze des Bundesverwaltungsgerichts, die vom Senat geteilt werden, hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt, eine Einbürgerung sei zwar schon ausgeschlossen, wenn konkrete Tatsachen den Verdacht einer Unterstützung rechtfertigten. Es müssten jedoch entsprechende Anknüpfungstatsachen für einen solchen Verdacht festgestellt werden. Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch benennbar konkrete Tatsachen gestützt seien, reichten nicht aus. Die Vorlage "schlichter" Behördenzeugnisse, die sich in pauschalen Behauptungen erschöpften und nicht durch Angabe konkreter, eine Einschätzung der Verlässlichkeit ermöglichender Tatsachen untermauert würden, seien nicht geeignet, die erforderliche volle Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit substantiiert bestrittener Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Die im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 25. April 2007 und 21. März 2012 seien insoweit keine hinreichend tragfähige Grundlage für die Annahme, der Kläger habe verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Der Kläger selbst habe angegeben, er sei Mitglied im ...verein, jedoch nie Mitglied oder Sympathisant der AAI oder der IMK gewesen. Es seien keine durchgreifenden Anhaltspunkte für Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Klägers erkennbar. Wie die Kulturvereine anderer in Deutschland lebender Volksgruppen biete auch der ...verein ein "inhomogenes Spektrum von Aktivitäten", nämlich Sprachkurse, Religionsunterricht, Diskussionsforen, Musik, Gelegenheit, Familienfeiern zu veranstalten sowie die Möglichkeiten zu geselligem Beisammensein. Selbst wenn sich dort Vertreter radikaler politischer Richtungen treffen sollten, könne nicht jedem Besucher einer solchen Einrichtung unterstellt werden, er sympathisiere damit oder unterstütze solche Richtungen. Maßgeblich sei insofern im Einzelfall, dass die Feststellung möglich sei, der Ausländer sei einer solchen radikalen Richtung zuzurechnen. Hierfür fehlten hinreichend belastbare Anhaltspunkte. Die Ausführungen in den Schreiben des Innenministeriums seien zu vage, um darauf die Feststellungen zu stützen, es lägen hinreichend sichere Erkenntnisse für verfassungsfeindliche Betätigungen des Klägers vor. Dieser Begründung folgt der Senat und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die Berufung hat sich mit dieser Argumentation des Verwaltungsgerichts auch nicht weiter auseinandergesetzt und ihre Berufung auch nicht darauf gestützt, dass der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG gegeben sei. Der Senat hält deshalb weitere Ausführungen hierzu nicht für erforderlich.

Schließlich steht einer Einbürgerung auch nicht die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG entgegen. Der Kläger ist als A. durch das Amtsgericht Kiel mit Urteil vom 13. August 1999 nach Jugendstrafrecht zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden ist. Nach der Unbeachtlichkeitsregelung des § 12 a Abs. 1 Nr. 2 StAG bleiben bei der Einbürgerung Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen außer Betracht. Die Erwägung der Beklagten, dass der Kläger aufgrund des nunmehr von ihm als wahr behaupteten Geburtsdatums (Identität R.) seinerzeit nach Erwachsenenstrafrecht hätte verurteilt werden müssen und die dann erkannte Strafe (möglicherweise) oberhalb der Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12 a StAG gelegen hätte, ändert hieran nichts. Das Gesetz stellt in seinem Wortlaut auf die tatsächlich erfolgte Verurteilung ab. Verurteilt wor - den ist der Kläger zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen, welche folglich außer Betracht bleibt. Im Übrigen unterliegt die Verurteilung auch nach § 51 Abs. 1 BZRG einem Verwertungsverbot. Danach dürfen in Fällen, in denen die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt ist - dies ist hier der Fall - oder sie zu tilgen ist, die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden. Hierbei handelt es sich um ein umfassendes Verbot, das von allen staatlichen Stellen ab Tilgung bzw. Tilgungsreife Beachtung verlangt und unabhängig davon, auf welche Weise sie die entsprechenden Informationen erhalten haben (BVerwG, Urt. v. 05.06.2014 - 10 C 4.14 - InfAuslR 2014, 389).

Der Senat kann offenlassen, ob dem Einbürgerungsanspruch des Klägers entgegensteht, dass seine Identität nicht geklärt ist.

Dieses Erfordernis wird in § 10 und 11 StAG nicht ausdrücklich genannt. Die Identitätsprüfung wird jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen ist, im Gesetz unausgesprochen vorausgesetzt. Die Klärung offener Identitätsfragen ist notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der Prüfung der in den §§ 10 und 11 StAG genannten Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe. Die Angaben zur Person bilden gleichsam die Basis für alle weiteren Ermittlungen. Auf der Grundlage der angegebenen Personalien (wie Titel, Vorname, Nachname, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort, Familienstand) werden alle weiteren Anfragen bei in- und ausländischen Behörden durchgeführt. Nur wenn Gewissheit besteht, dass ein Einbürgerungsbewerber die Person ist, für die er sich ausgibt, kann nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, ob und welche ausländische Staatsangehörigkeit der Einbürgerungsbewerber besitzt, ob er im In- oder Ausland wegen einer Straftat verurteilt worden ist, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehen oder ob ein Ausweisungsgrund vorliegt (BVerwG, Urt. v. 01.09.2011 - 5C27.10 - DVBl. 2012, 104).

Ob der Kläger mit den nunmehr im Einbürgerungsverfahren bekanntgegebenen Personendaten seine wahre Identität offengelegt hat, ist bisher nicht geklärt.

Der Kläger tritt mit zwei unterschiedlichen Identitäten im Rechtsverkehr auf. Unter dem Namen A.(bzw. A.), geboren … 1979 in K., hat er u.a. sein Asylverfahren betrieben, ist als Asylberechtigter anerkannt worden, hat auf diese Identität lautende Aufenthaltserlaubnisse bekommen, Sozialhilfe bezogen und ihm ist unter diesen Daten und Geburtsdatum ein Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt worden, der mehrfach verlängert wurde. Unter dieser Identität hat er am 22. Mai 1998 in Griechenland geheiratet, wobei ausweislich der griechischen Heiratskurkunde der Familienname mit Z. (Nachname der Ehefrau) gewählt wurde. Unter Vorlage der Heiratsurkunde aus Athen vom 8. November 1999 nebst Apostille sowie eines Personalausweises Nr. … der Republik Irak sowie Abgabe einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung zur Person hat der Kläger beim Standesamt der Landeshauptstadt Kiel am 28. August 2001 die Anlegung eines Familienbuches beantragt, was antragsgemäß erfolgte.

Demgegenüber gab der Kläger erstmals im Einbürgerungsverfahren im Oktober 2009 an, er heiße R., geboren ...1973 in A.. Auch wenn die Urkunde für die irakische Staatsangehörigkeit sowie der in Kopie überreichte Personalausweis Nr. ... der Republik Irak nach einem vorläufigen Behördengutachten des Landeskriminalamtes keine Fälschungsmerkmale aufweist und der Kläger bezüglich des eingereichten Auszuges aus dem Generalregister des Jahres 1957 die ursprünglich von der Deutschen Botschaft in Bagdad als fehlend beanstandete zweite Unterschrift beigebracht hat sowie weiter des Umstandes, dass das Passfoto des Klägers auf dem Auszug aus dem Generalregister nicht - wie dies die Kopie für die Beklagte nahelegen mochte - über den Stempler geheftet ist, die Außenlinie des Dreiecksstempels wohl vielmehr auf dem Passfoto weiterverläuft, so verbleiben gleichwohl Restzweifel an seiner wahren Identität, die - im Falle der Entscheidungserheblichkeit - Anlass zu weiterer Beweiserhebung durch den Senat geben würden. Das wäre allerdings von vornherein dann nicht der Fall, wenn - wie dies die Beklagte vertritt - eine Identitätsklärung im Einbürgerungsverfahren zwingend eine vorherige Berichtigung der griechischen Heiratsurkunde und des auf dieser Grundlage angelegten Familienbuches voraussetzte. Diese Frage ist nicht ohne weiteres zu bejahen, auch wenn ein erhebliches staatliches Interesse daran besteht, zu verhindern, dass ein und dieselbe Person im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren auftreten kann (BVerwG, Urt. v. 01.09.2011 a.a.O.). Das Erfordernis einer vorherigen erfolgreichen Änderung früherer Personenstanddokumente müsste als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in das Gesetz hineingelesen werden. Die Klärung der Identität als solches könnte jedenfalls durch entsprechende Beweiserhebung erfolgen.

Der Senat kann diese Frage letztlich offen lassen, da eine Einbürgerung jedenfalls an der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG scheitert. Der Einbürgerungsanspruch setzt voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Insoweit enthielt § 10 StAG a.F. keine für den Kläger günstigere Bestimmung. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG a.F. war Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann. Von dieser Voraussetzung wurde nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. abgesehen, wenn der Ausländer das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten konnte. Die Privilegierung für junge Ausländer findet auf den Kläger (egal welches der von ihm angegebenen Geburtsdaten man zugrundelegt) keine Anwendung. Im Übrigen ist die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts sachlich unverändert geblieben, die Gesetzesänderungen ab dem 28. August 2007 sind lediglich redaktionell (vgl. Berlit, in: GK- StAR, § 10 Rn. 218).

Der Umstand, dass der Kläger und seine Familienangehörigen seit dem 1. Dezember 2011 nicht mehr im Leistungsbezug gestanden haben, reicht für die Bejahung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG nicht aus. Vielmehr erfordert § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG eine Prognose künftiger Unterhaltsfähigkeit, welche nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II und des SGB XII relevanten Hilfebedürftigkeit auch für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft nicht zu erwarten ist (OVG NRW, Beschl. v. 20.11.2014 - 16 E 1155/14 -, Juris m.z.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.02.2009 - 5 C 22.08 - NVwZ 2009, 843). Hieran fehlt es vorliegend.

Aus den vom Kläger vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2012 und 2013 ergibt sich, dass der Kläger im Jahr 2012 aus seiner Schneidertätigkeit als Selbstständiger 13.186,-- Euro Einkommen erzielt hat. Dies entspricht einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 1.098,-- Euro. Aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2013 ergibt sich für den Kläger ein Einkommen von 7.537,-- Euro mithin ein monatliches Durchschnittseinkommen von 628,-- Euro. Dabei ist aber ab dem 1. Mai 2013 zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des Klägers 400 Euro pro Monat dazuverdient.

Für das Jahr 2014 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Einnahme/Überschussrechnung vorgelegt, der zufolge für dieses Jahr ein Gewinn in Höhe von 11.165,78 Euro erwirtschaftet wurde. Dies entspricht einem monatlichen Einkommen von rund 930,-- Euro.

Auch unter Hinzurechnung des Kindergeldes für die drei Töchter in Höhe von insgesamt monatlich 558,-- Euro ergibt sich, dass in allen drei Jahren weniger als 2000 Euro im Monatsdurchschnitt als Einkommen erzielt wurde. Dies unterschreitet den hypothetischen Leistungsbedarf erheblich, so dass aus diesem Grunde eine positive Prognose künftiger Unterhaltsfähigkeit nicht möglich ist.

Bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt des Senats sind zunächst die Regelsätze nach SGB II in den Blick zu nehmen: Danach wären für beide Ehepartner jeweils 360,-- Euro, für zwei Töchter 267,-- Euro und für das älter als 14 Jahre alte dritte Kind 302,-- Euro anzusetzen. Ab dem ... 2015 (Geburtstag der 13jährigen Tochter des Klägers) wäre auch für dieses Kind ein Regelsatz von 302,-- Euro (statt wie bisher 267,-- Euro) anzusetzen.

Es ergibt sich ein Bedarf von 1.591,-- Euro. Hinzu kommt der Wohnbedarf für eine fünfköpfige Familie zuzüglich Heizungskosten, welche die Beklagte - unwidersprochen - mit 564,30 Euro bzw. 70,-- Euro (Heizkosten) angibt. Hinzu käme noch ein Bedarf für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gemäß § 28 Abs. 7 SGB II in Höhe von 10,-- Euro pro Kind, mithin in Höhe von 30,-- Euro. Dies summiert sich zu einem hypothetischen Leistungsbedarf in Höhe von 2.255,30 Euro. Es kommen noch die für die Krankenversicherung aufzuwendenden Beträge hinzu. Für den Kläger ist dabei - legt man die im Einkommenssteuerbescheid angegebenen beschränkt abziehbaren Sonderausgaben zugrunde - ein Betrag von 4.102,-- Euro im Jahr anzusetzen, was einer monatlichen Belastung von 341,81 Euro entspricht.

Insgesamt ergibt sich ein Leistungsbedarf in Höhe von rund 2600,-- Euro monatlich. Das erzielte Einkommen lag in den vergangenen drei Jahren deutlich darunter. Eine positive Prognoseentscheidung kann bei dieser Sachlage nicht erfolgen. [...]