Auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse fallen in den Anwendungsbereich der Vorschrift zum Daueraufenthalt. Lediglich völlig untergeordnete, unbedeutende und unwesentliche Tätigkeit ist von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ausgeschlossen.
[...]
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Erteilung einer Bescheinigung über sein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 5a Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU. Der Beklagte hat hierzu unter Nr. 1 seines Bescheids vom 12. Juni 2014 festgestellt, dass dem Kläger keine Bescheinigung ausgestellt werden könne, und dies damit begründet, er habe nicht den Nachweis erbracht, dass er sich gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Aufenthalt müsse - so der Beklagte - dabei die gesamte Zeit von fünf Jahren aufgrund von Unionsrecht rechtmäßig gewesen sein. Das Recht auf Daueraufenthalt könne sich auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat ergeben, bevor der Drittstaat der Europäischen Union beigetreten sei. Diese Aufenthaltszeiten seien insoweit berücksichtigungsfähig, als der Betroffene nachweisen könne, dass sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG zurückgelegt worden seien. Der Kläger könne sich nicht auf einen solchen Aufenthalt berufen. Er habe nämlich nicht nachgewiesen, dass er zwischen dem 7. Juli 2003 (Datum der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) und dem 4. Juni 2009 (Ende des dokumentierten Versicherungsverlaufs durch die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg) die Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU erfüllt habe. Er habe zwar teilweise eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, zwischendurch sei er aber erwerbslos bzw. nur geringfügig beschäftigt gewesen, ohne dadurch seinen Arbeitnehmerstatus zu begründen. Für den Zeitraum vom 5. Juni 2009 bis zu seiner Inhaftierung am 26. Mai 2011 lägen keine Nachweise für eine Freizügigkeitsberechtigung vor. Laut Aktenlage sei der Kläger seit dem 5. September 2009 nicht erwerbstätig. Dieser Auffassung hat sich das Verwaltungsgericht Dresden in dem hier streitgegenständlichen Beschluss vom 7. Juli 2014 angeschlossen und insoweit auf die Ausführungen in dem vorbezeichneten Bescheid verwiesen. Die Frage, ob die (Untätigkeits-)Klage zulässig sei, hat es dabei offen gelassen.
Anders als es Beklagter und Verwaltungsgericht meinen, bestehen nach der im vorliegenden Verfahren zulässigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage für die Klage hinreichende Aussichten auf Erfolg. Voraussetzung für die Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts des Klägers nach § 4a Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EG ist ein seit fünf Jahren ständiger rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet. Erforderlich ist hierfür, dass der Aufenthalt für die gesamte Zeitdauer den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG genügt hat, was dann der Fall ist, wenn sich der Kläger auf ein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU berufen kann (EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C 424.10 und C 425.10 -, juris Rn. 46 ff.; BVerwG, Urt. v. 31. Mai 2012 - 10 C 8.12 - Rn. 15 ff. m.w.N.). Das Recht auf Daueraufenthalt kann sich auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat ergeben, bevor der Drittstaat der Europäischen Union beigetreten ist. Solche Aufenthaltszeiten sind nur berücksichtigungsfähig, sofern der Betroffene nachweisen kann, das sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG zurückgelegt wurden. Die Zeitspanne, in der zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts fünf Jahre lang ununterbrochen die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG vorgelegen haben müssen, muss sich nicht auf den Zeitraum unmittelbar vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beziehen, sondern dieser Zeitraum kann auch weiter zurück in der Vergangenheit liegen (BVerwG a.a.O. Rn. 17, 21 m.w.N.). Darüber hinaus darf das Daueraufenthaltsrecht nicht gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU wegen einer Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund von mehr auf zwei aufeinanderfolgenden Jahren erloschen sein. Hiervon ausgehend hat die Klage ausreichende Erfolgsaussichten.
1. Offen bleiben kann, ob der Kläger für die auf Verpflichtung des Beklagten zur Ausstellung einer Bescheinigung gerichtete, am 30. Mai 2014 erhobene Leistungsklage, die mit einer auf Aufhebung der in Nr. 1 des in Streit stehenden Bescheids getroffenen Feststellung gerichteten Anfechtungsklage zu verknüpfen sein dürfte, vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis hat.
Anders als das Verwaltungsgericht meint, handelt es sich im Hinblick auf das Leistungsbegehren nicht um eine Untätigkeitsklage i.S.v. § 75 VwGO, denn die Ausstellung der begehrten Bescheinigung ist kein Verwaltungsakt (näher Epe, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Loseblatt-Sammlung, Stand: Juli 2014, § 5 FreizügG/EG Rn. 73 m.w.N). Die Leistungsklage dürfte auch nicht verfrüht erhoben worden sein. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung mit Schriftsatz vom 4. September 2013 gestellt hat und sich aus § 5 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU ergibt, dass eine entsprechende Bescheinigung unverzüglich auszustellen ist, dürften insoweit keine Bedenken bestehen. § 75 VwGO dürfte allenfalls für das Anfechtungsbegehren gelten. Nachdem über den am 17. Juli 2014 gegen Nr. 1 des in Streit stehenden Bescheids erhobenen Widerspruch bis heute nicht entschieden worden ist, dürfte die in § 75 Satz 2 VwGO festgelegte Frist von drei Monaten seit Widerspruchseinlegung insoweit eingehalten worden sein.
Ob dem Kläger möglicherweise deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für die (erneute) Ausstellung einer Bescheinigung fehlen könnte, weil ihm eine solche Bescheinigung von der Ausländerbehörde des Stadtamts der Freien Hansestadt Bremen am 9. August 2010 bereits erteilt worden ist, kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ohne Beiziehung der dortigen Verwaltungsakten nicht geklärt werden. Das als "Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU" überschriebene Dokument, das eine vom Wortlaut her identische Wiederholung einer Bescheinigung vom 24. Juli 2006 darstellt, lässt nämlich keinen eindeutigen Hinweis darauf zu, ob sich die Bescheinigung vom 9. August 2010 auf die vom Kläger begehrte Ausstellung einer Bescheinigung seines Daueraufenthaltsrechts gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU oder auf die bis zum 28. Januar 2013 mögliche Bescheinigung über sein Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Abs. 1 FreizügG/EU in der bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung bezog. Diese Klärung bleibt der Prüfung in der Hauptsache überlassen.
2. Auch in der Sache hat die Klage nach den vorbezeichneten Maßstäben ausreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach derzeitiger Erkenntnislage ist nämlich nicht auszuschließen, dass der Kläger zwischen dem 1. Dezember 2003 und dem 4. Juni 2009 als Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt war und dieses Recht von Zeiten der Arbeitslosigkeit unberührt geblieben ist, weil sie i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unfreiwillig waren.
Der Kläger hat im behördlichen Vorverfahren eine Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 3. Juli 2009 in Form einer tabellarischen Übersicht vorgelegt, aus der sich u. a. der Versicherungsverlauf seit dem 1. Dezember 2003 bis zum 4. Juni 2009 ergibt. In der tabellarischen Übersicht sind nicht nur Pflichtbeitragszeiten, sondern auch Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug und geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen aufgelistet. Der Kläger hat hierzu in seinem Beschwerdevorbringen in dem Parallelverfahren 3 B 233/14 mit Schriftsatz vom 24. September 2014 unter Beifügung von Anlagen ergänzend angeführt, dass er zwischen dem 1. November 2006 und dem 1. Mai 2007, zwischen dem 19. Januar und dem 14. März 2008 sowie ab dem 21. Februar 2009 unfreiwillig arbeitslos gewesen sei. In dem Zeitraum vom 1. November 2006 bis zum 1. Mai 2007 hat der Kläger, was sich auch aus der tabellarischen Übersicht seines Versicherungsverlaufs ergibt, teilweise eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung ausgeübt. Mit diesem Vorbringen ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Kläger seit dem 1. Dezember 2003 über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren hinweg als Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU tätig gewesen ist. Ob die in der tabellarischen Übersicht mehrfach angeführten geringfügigen Beschäftigungen in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, bedarf dabei der näheren Prüfung im Verfahren der Hauptsache; dabei ist zu beachten, dass nur eine völlig untergeordnete, unbedeutende und unwesentliche Tätigkeit von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ausgeschlossen ist und damit grundsätzlich auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in dessen Anwendungsbereich fallen (Epe a.a.O. § 2 FreizügG/EU Rn. 33 f. m.w.N.). Darüber hinaus ist im Verfahren der Hauptsache zu klären, ob die aus der tabellarischen Übersicht ersichtlichen Zeiten seiner Arbeitslosigkeit dem Kläger nicht angelastet werden können, weil sie i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unfreiwillig waren. Dies legen die Anlagen zu den vorbezeichneten Schriftsatz vom 24. September 2014 nahe, aus denen sich zumindest für die Zeiten der Arbeitslosigkeit ab dem 1. November 2006 sowie ab dem 21. Februar 2009 ergibt, dass die Arbeitsverhältnisse aufgrund von Kündigungen durch den jeweiligen Arbeitgeber beendet worden waren. Ob es schließlich gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU auch einer diesbezüglichen Bestätigung durch die zuständige Agentur für Arbeit bedurfte oder hierauf verzichtet werden konnte, weil der Kläger etwa bereits einen neuen Arbeitsvertrag eingegangen war oder zumindest ernstliche Aussichten auf eine neue Beschäftigung und seine Berufstätigkeit nach kurzer Unterbrechung wieder aufgenommen hatte (vgl. hierzu näher Epe a.a.O. Rn. 117.1 m.w.N.), oder ob, wie der Kläger im behördlichen Vorverfahren behauptet hat, ihm eine solche Bestätigung nicht erteilt worden sei, ist ebenfalls im Verfahren der Hauptsache zu klären.
Dass der Kläger keinen Nachweis darüber erbracht hat, dass er auch nach dem Ende des tabellarisch aufgelisteten Versicherungsverlaufs ab dem 5. Juni 2009 i.S.v. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt war oder heute noch ist, dürfte an dieser Sachlage nichts ändern, wenn er - was hier jedenfalls offen ist - schon vorher die Voraussetzungen für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts i.S.v. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erfüllt hatte. Denn dieses Recht ist unabhängig von weiterem Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU gegeben. Da sich der Kläger zudem nur gut ein Jahr, nämlich zwischen dem 27. Juli 2011 und dem 6. September 2012, zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe in seinem Heimatland aufgehalten hatte, ist das möglicherweise erworbene Daueraufenthaltsrecht auch nicht gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU erloschen.
Bis zur Klärung dieser Fragen in der Hauptsache kann daher zusammenfassend nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in dem von der tabellarischen Übersicht über den Versicherungsverlauf erfassten Zeitraum das Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erworben hat. [...]