SG Berlin

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Zitieren als:
SG Berlin, Beschluss vom 19.01.2016 - S 212 AY 76/16 ER - asyl.net: M23505
https://www.asyl.net/rsdb/M23505
Leitsatz:

Endet der Bescheid zur Kostenübernahme eines Sozialamtes für eine Unterkunft, kann der Sozialträger mit einstweiliger Anordnung verpflichtet werden, die Kosten für die weitere Unterbringung des betroffenen Asylsuchenden zu übernehmen, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht und ihm keine Vorsprachemöglichkeit gewährt wird.

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Existenzminimum, einstweilige Anordnung, Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, Aufnahmeeinrichtung,
Normen: AsylbLG § 3,
Auszüge:

[…]

Zum einen ist die Sache in erheblicher Weise eilbedürftig.

Der Antragsteller ist seit dem 7. Januar 2016 in einem leistungslosen Zustand. Letztmalig hat er vom Antragsgegner am 15. Oktober 2015 Leistungen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 981,27 Euro für die Zen vom 15. Oktober 2015 bis 6. Januar 2016 erhalten. Am 8. Januar 2016 erhielt der Antragsteller letztmalig eine bis zum 11. Januar 2016 gültige Kostenübernahme für die von ihm bewohnte Unterkunft im Containerdorf in der Alfred-Randt-Str. 19-21 in 12559 Berlin Treptow-Köpenick.

Seit dem 7. Januar 2016 hat der Antragsteller erfolglos versucht, beim Antragsgegner vorzusprechen, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten. Er wurde weder am 7. Januar 2016 noch am Folgetag und auch nicht am 11. Januar 2016 "abgefertigt".

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seitdem weder eine Vorsprache ermöglicht noch Bar- oder Sachleistungen nach dem AsylbLG ausgezahlt. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, mittellos zu sein. Die Kostenübernahme für die von ihm bewohnte Unterkunft ist ausgelaufen. Ihm droht Wohnungslosigkeit. […]

Zum anderen hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Das Gericht hat keinen Zweifel, dass der am 3. Januar 1988 geborene vietnamesische Antragsteller leistungsberechtigt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG ist. Ihm wurden bereits in der Vergangenheit vom Antragsgegner Leistungen nach dem AsylbLG bewilligt. Der Antragsteller ist im Besitz einer bis zum 27. Juni 2016 gültigen Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. […]

Der Antragsteller hat daher einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG glaubhaft gemacht, so dass im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, dem alleinstehenden Antragsteller Leistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit nach§ 3 Abs. 1 S. 5 und S. 8 Nr. 1 AsylbLG n.F. zu gewähren.

Der Bedarf des Antragstellers setzt sich zusammen aus dem notwendigen Bedarf (sog. Physisches Existenzminimum) und dem notwendigen persönlichen Bedarf (sog. Taschengeld).

Der Antragsteller ist der Regelbedarfsstufe 1 zuzuordnen.

Die Leistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 AsylbLG zur Deckung des notwendigen Bedarfs beträgt ab 1. Januar 2016 monatlich 219 Euro.

Zum notwendigen Bedarf gehören nach § 3 Abs. 1 S. 1 AsylbLG Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts.

Den im notwendigen Bedarf enthaltene Anteil für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandsetzung (Abt. 4: 33,86 Euro monatlich ab 1. Januar 2016) war vorliegend herauszurechnen, da davon auszugehen ist, dass dieser Bedarf durch die Unterkunft des Antragstellers gedeckt wird. Es handelt sich dabei um das Flüchtlingscontainerdorf im Allende-Viertel in Treptow-Köpenick.

Der notwendige persönliche Bedarf nach§ 3 Abs. 1 S. 5 und S. 8 Nr. 1 AsylbLG n.F. beträgt ab 1. Januar 2016 monatlich 145 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen wie den Antragsteller.

Der notwendige persönliche Bedarf umfasst Verkehrsdienstleistungen, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Bildung, Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen sowie andere Waren und Dienstleistungen einschließlich Körperpflege. [...]