Es besteht kein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf Zugang zu geschwärzten Textteilen von herkunftsländerübergreifenden Ausführungen des Bundesamtes.
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3. Ein Anspruch auf Zugang auch zu den von der Beklagten geschwärzten Textteilen der herkunftsländerübergreifenden Ausführungen ist gemäß § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Die HKL-übergreifenden Ausführungen sind als Verschlusssachen mit dem Schutzgrad VS-NfD ausgewiesen. Diese Einstufung ist materiell nicht zu beanstanden. Die Kenntnis der geschwärzten Inhalte begründet die hinreichend konkrete Gefahr der Anpassung des Aussageverhaltens hieran und leistet der Legendenbildung von Asylantragstellern Vorschub. Dies kann die Aufgabenerfüllung des Bundesamtes im Asylverfahren nicht nur unerheblich erschweren. Es entspricht dem Interesse der das Asylverfahren führenden Bundesrepublik Deutschland und der in der Folge möglicherweise finanziell belasteten Bundesländer, dass asylsuchende Personen nur bei tatsächlich vorliegendem Verfolgungsschicksal und nicht infolge von falschen Angaben Schutz und Bleiberecht erhalten. Die Integrität von Asylverfahren kann gefährdet werden, wenn es Asylsuchenden möglich wäre, ihr Aussageverhalten durch Kenntnis von erfolgversprechenden Verfolgungstatbeständen anzupassen und so in rechtswidriger Weise eine Asylgewährung zu erreichen. Dies führte zu einem erheblichen Nachteil für die Interessen des Bundes und der Länder, der materiell gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 4 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) i. V. m. § 3 Nr. 4 der Verschlusssachenanweisung (VSA) (vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 131 und 140) die Einstufung entsprechender Textpassagen als VS-NfD rechtfertigt. Dabei genügt es nach Auffassung des erkennenden Senats bereits, dass die Aufgabenerfüllung des Bundesamts durch entsprechend angepasstes Aussageverhalten von Asylbewerbern zumindest erschwert und der im Asylverfahren zu betreibende Aufwand erhöht werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 27.11.2014 - 7 C 12/13 - NVwZ 2015, 675/676 Rn. 25 zur Möglichkeit der Beeinträchtigung gem. § 3 Nrn. 1 und 3 IFG).
3.1 Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten handelt es sich bei den geschwärzten Teilen der herkunftsländerübergreifenden Ausführungen nicht nur um abstrakte Rechtsausführungen. Enthalten sind nämlich nach den nachvollziehbaren Umschreibungen in der Sperrerklärung unter anderem auch konkrete Beispiele zur Bejahung bestimmter Tatbestandsmerkmale einer rechtlichen Definition oder die Angaben von bestimmten Kriterien, die bei einer Definition eine Rolle spielen sowie Handlungs- und Prüfungsanweisungen für Entscheider, wie mit einzelnen Fällen in der Praxis umzugehen ist. In der Sperrerklärung ist jeweils nach Umschreibung der jeweiligen Beispiele oder Kriterienaufzählung ausgeführt, dass Antragsteller unter Vorgabe einer entsprechenden Legende versuchen könnten, Flüchtlingsschutz zu erlangen. Auch würde der erhöhte Aufwand bei einer eventuell erforderlichen zusätzlichen Sachverhaltsaufklärung die Aufgabenerfüllung des Bundesamtes erheblich erschweren. Diese Einschätzung des Bundesministeriums des Innern ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
Die vom Klägerbevollmächtigten in diesem Zusammenhang genannten Beispiele überzeugen nicht. So wird etwa auf Seite 3 der Sperrerklärung zur Genitalverstümmelung zum 2. und 3. Absatz auf Seite 5 in den HKLübergreifenden Ausführungen beschrieben, dass die entsprechende Passage im Text eine rechtliche Bewertung zur FGM enthalte und dabei Kriterien angebe die bei der Definition einer bestimmten sozialen Gruppe eine Rolle spielen, sowie Handlungsanweisungen für die Entscheider enthalte, wie mit diesen Fällen in der Praxis konkret umzugehen sei. Die Sperrerklärung kommt in nachvollziehbarer Weise zur Schlussfolgerung, dass Antragstellerinnen sich diese Ausführungen zunutze machen könnten mit der Folge einer - zumindest - umfangreicheren Glaubwürdigkeitsprüfung und damit einhergehender Erschwerung der Aufgabenerfüllung des Bundesamts. Der geschwärzte Text geht damit über eine bloße abstrakte Rechtsausführung hinaus, und liefert mit der Angabe von Definitionskriterien und den daraus folgenden Handlungsanweisungen für die Entscheider des Bundesamtes eine geeignete Grundlage für einen täuschungswilligen Asylbewerber, sein Aussageverhalten im Hinblick auf die dort enthaltenen Informationen anzupassen. Mit einem bloßen Blick in eine juristische Fachzeitschrift oder ein spezielles gerichtliches Urteil wäre ihm demgegenüber kaum geholfen, weil er nicht sicher sein könnte, dass die Entscheider des Bundesamtes auch jetzt aktuell noch so entscheiden und prüfen. Soweit der Klägerbevollmächtigte noch pauschal darauf hinweist, dass etwa die Problemkreise der Genitalverstümmelung, der häuslichen Gewalt oder der sexuellen Ausrichtung allgemein bekannt seien, ohnedies in der Diskussion stünden und deshalb die Kenntnis der angeführten Beispiele nicht geeignet sei, zu einer Legendenbildung beizutragen, ist ihm nicht zu folgen. Zum einen äußert er insoweit lediglich eine unsubstantiierte Vermutung: Von den sehr guten asylrechtlichen Kenntnissen einzelner Fachkreise kann nicht auf die Wirkung des Bekanntwerdens der Dokumente der Beklagten auf die Masse der Asylbewerber geschlossen werden. Zum anderen könnte der Beklagte einen Zugangsanspruch nach § 9 Abs. 3 IFG ablehnen, wenn die Informationen zu den genannten Problemkreisen dem klägerischen Vortrag folgend als allgemeinkundig zu bezeichnen wären. Sollte dagegen lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass in interessierten Fachkreisen bereits Kenntnisse oder Meinungen zu diesen Themen vorhanden sind, führte das nicht zu einem Informationsanspruch, weil dieser Umstand nicht zur Folge hat, dass die Beklagte diese Kenntnisse durch Veröffentlichung ihrer Prüfungshinweise für ihre Entscheider erweitern müsste.
Gleiches gilt für den vom Klägerbevollmächtigten genannten 4. Absatz auf Seite 4 der Sperrerklärung zum "Prüfungsbereich subsidiärer Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG" zum letzten Absatz auf Seite 6 der HKL-übergreifenden Leitsätze. Dort wird in der Sperrerklärung beschrieben, dass die geschwärzte Passage in den Leitsätzen zusammenfassend aufführe, nach welchen Kriterien eine Schutzgewährung bei häuslicher Gewalt durch die Entscheider beim Bundesamt zu prüfen ist. Die geschwärzte Textpassage enthält also gerade die konkreten Prüfungsvorgaben für die Entscheider, die sich Asylantragsteller etwa zur Vorbereitung auf ihre Anhörung vor dem Bundesamt gezielt zu Nutze machen könnten. Der Text geht damit über bloße abstrakte Rechtsausführungen hinaus.
Das gilt ebenfalls für die weiter vom Klägerbevollmächtigten bezeichnete Passage auf Seite 6, 2. Absatz, in der nach den Ausführungen in der Sperrerklärung zum Thema "Militärdienst - Prüfungsbereich subsidiärer Schutz" zu den geschwärzten zwei Absätzen auf Seite 11 der HKL-übergreifenden Ausführungen die konkrete und detaillierte Benennung von Kriterien enthalten ist, nach denen Entscheider ihre Bewertung vorzunehmen haben, ob eine Ablehnung des Militärdienstes etwa die Garantien des Art. 3 EMRK auslöst. Enthalten seien weiter beispielhafte Hinweise, welche Darlegung im Rahmen eines glaubhaften Vorbringens das Vorliegen eines Anknüpfungsmerkmals im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erkennen lasse und welche konkreten Maßnahmen für eine Schutzgewährung nicht ausreichen bzw. wann eine solche nicht in Betracht komme. Es liegt auf der Hand, dass bei allgemeinem Bekanntwerden derartiger spezieller Prüfungsvorgaben und Prüfungskriterien die ganz erhebliche Gefahr der Anpassung des Aussageverhaltens von Antragstellern beim Bundesamt besteht, die den Aufklärungsaufwand beim Bundesamt erhöhen und seine Aufgabenerfüllung erheblich erschweren können.
Auch der vom Klägerbevollmächtigten weiter genannte 1. Absatz auf Seite 3 der Sperrerklärung zum 7. Absatz auf Seite 4 der HKL-übergreifenden Ausführungen mit Beispielen zur Bestimmung der Zielrichtung einer Verfolgungsmaßnahme reiht sich in die Bewertung der bereits behandelten Textbeispiele ein. Derartige konkrete Beispiele sind nicht nur geeignet, dem Entscheider beim Bundesamt die Arbeit zu erleichtern, sie können vielmehr auch umgekehrt von täuschungswilligen Asylbewerbern, die kein konkretes Verfolgungsschicksal vorzuweisen hätten, zur Anpassung ihres Aussageverhaltens unter Verwendung dort genannter konkreter Beispiele genutzt werden. Dass dann für den einzelnen Entscheider ein erhöhter Aufwand bei einer von ihm für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Sachverhaltsaufklärung - gegebenenfalls auch durch Anforderungen von Stellungnahmen und Gutachten aus dem Herkunftsland - entsteht, liegt auf der Hand.
Gleiches gilt für den weiter vom Klägerbevollmächtigten genannten 1. Absatz auf Seite 4 der Sperrerklärung, wonach im gesperrten Textteil zum "Prüfungsbereich Flüchtlingsschutz" im ersten Absatz auf Seite 6 der HKL-übergreifenden Ausführungen konkrete Beispiele in Form einer Strichaufzählung aufgeführt seien, in welchen Fällen bei nicht vorverfolgten Frauen von einer erhöhten Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in das Heimatland auszugehen sei.
Eine Notwendigkeit zur Differenzierung exemplarischer Ausführungen danach, ob es sich um Beispiele für eine rechtliche Bewertung oder für eine tatsächliche Situation im Herkunftsland handelt, sieht der Senat vor dem Hintergrund der in beiden Fällen bestehenden erheblichen Gefahr der Anpassung des Aussageverhaltens nicht. [...]