VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 23.02.2016 - AN 3 K 15.50096 - asyl.net: M23671
https://www.asyl.net/rsdb/M23671
Leitsatz:

Der Asylantrag einer Person, die zuvor in einem anderen Mitgliedstaat einen Schutzstatus erhalten hat, kann nur dann als unzulässig abgelehnt werden, wenn es sich bei diesem Status um einen gleich- oder höherwertigen Status als den in Deutschland beantragten handelt.

Schlagwörter: subsidiärer Schutz, Unzulässigkeit, subsidiärer Schutz, sichere Drittstaaten, Flüchtlingsanerkennung, Zweitantrag, Umdeutung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2 S. 2, AufenthG § 60 Abs. 1 S. 3, AufenthG § 60 Abs. 1 S. 4, AufenthG § 60 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 2, RL 2005/85/EG Art. 25 Abs. 2 Bst. a, RL 2013/32/EU Art. 52 UAbs. 1, RL 2013/32/EU Art. 33 Abs. 1 S. 2 Bst. a, VwVfG § 51 Abs. 1, VwVfG § 51 Abs. 2, VwVfG § 51 Abs. 3, AsylG § 71a, AsylG § 71,
Auszüge:

[...]

Für vorliegenden Fall der Zuerkennung (lediglich) subsidiären Schutzes in Ungarn und der Asylfolgeantragstellung im Dezember 2014 ergibt sich damit, dass der Anwendung der von der Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlage des § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG entgegensteht.

Die Richtlinie 2013/32/EU ist auf den Fall des Klägers trotz der Umsetzung der in Art. 33 Abs. 2 lit. a) enthaltenen Regelung durch den deutschen Gesetzgeber in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bereits zum 1. Dezember 2013 nicht anwendbar wegen Art. 52 UA 1 der Richtlinie 2013/32/EU i.V.m. der Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 dieser Richtlinie.

Diese Regelungen bestimmen, dass die neue Asylverfahrensrichtlinie (2013/32/EU) nur dann für bereits vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge Geltung beanspruchen kann, wenn es sich nicht um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt.

Anders als in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt (der dortige Antragsteller begehrte lediglich subsidiären Schutz), richtet sich vorliegend das Klagebegehren auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Bei Anwendung der neuen Asylverfahrensrichtlinie, hier deren Art. 33 Abs. 1 Satz 2 lit. a), umgesetzt durch § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, würde der Kläger schlechter gestellt als durch die Regelung in Art. 25 Abs. 1 Satz 2 lit. a) der Vorgängerrichtlinie 2005/85/EG, wonach ein Asylantrag nur dann als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn ein anderer Mitgliedstaat dem Antragsteller bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat.

Findet Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU somit keine Anwendung, sondern vielmehr Art. 25 der Richtlinie 2003/85/EG, liegt mit der Vorschrift des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, bei Fällen wie dem vorliegenden, ein Verstoß gegen Unionsrecht vor mit der Folge, dass die Vorgängerrichtlinie 2003/85/EG hier unmittelbar anzuwenden ist.

Da dem Kläger in Ungarn subsidiärer Schutz gewährt wurde (welcher nach Auffassung der Beklagten nach Ablauf der befristeten Geltungsdauer in allen Mitgliedstaaten, somit auch in Ungarn, verlängerbar ist, so dass vorliegend dem Umstand, dass die Gültigkeitsdauer des Fremdenpasses des Klägers am Tage vor Erlass des streitgegenständlichen Bundesamtsbescheids geendet hat, keine entscheidungsrelevante Bedeutung beizumessen ist), er mit dem vorliegenden Asylfolgeantrag vom 2. Dezember 2014 auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kommt wegen der Übergangsregelung des Art. 52 Unterabs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU i.V.m. der Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU nicht Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU zur Anwendung, sondern Art. 25 der Vorgängerrichtlinie 2003/85/EG.

Danach kann ein Asylantrag nur dann als unzulässig abgelehnt werden, wenn dem Antragsteller zuvor in einem anderen Mitgliedstaat höher- oder gleichwertiger Status zuerkannt worden ist.

Für vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass der Asylfolgeantrag des Klägers, mit dem er einen höheren Status (Flüchtlingseigenschaft) als den ihm bereits in Ungarn zuerkannten (subsidiärer Schutz) anstrebt, zu Unrecht als unzulässig abgelehnt worden ist.

2. Eine Aufrechterhaltung von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids durch Umdeutung in einen Bescheid nach § 71 AsylG scheitert bereits im Hinblick darauf, dass der Bescheid insoweit eine andere (neue) Qualität erhalten würde. Bereits wegen der erforderlichen Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ist in Folgeverfahren - gleiches gilt im Verfahren nach § 71a AsylG - eine inhaltliche Beurteilung des Asylvorbringens vorzunehmen, wo hingegen mittels der streitgegenständlichen Entscheidung in Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten gerade keinerlei materielle Prüfung erfolgen sollte.

Eine Umdeutung würde des Weiteren auch daran scheitern, dass die Rechtsfolgen einer Entscheidung nach § 71 AsylG für den Kläger ungünstiger wären (vgl. BVerwG v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris zur insoweit vergleichbaren Situation des § 71a AsylG), z.B. weil es dabei nicht mehr um die Überstellung in einen Dublin-Staat ginge, sondern er nach Erlass einer Abschiebungsandrohung in jeden aufnahmebereiten Staat abgeschoben werden könnte [...]