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OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.03.2016 - 20 W 9/15 (= ASYLMAGAZIN 6/2016, S. 189 f.) - asyl.net: M23682
https://www.asyl.net/rsdb/M23682
Leitsatz:

Die rechtliche Situation eines nach Beendigung des Flughafenasylverfahrens gegen seinen Willen im Transitbereich des Flughafens untergebrachten Ausländers stellt sich nicht anders dar als die eines sonstigen Ausländers, der vollziehbar ausreisepflichtig ist und zur Sicherung der Ausreise in Haft genommen wird.

Schlagwörter: Flughafenverfahren, Abschiebungshaft, Haftbeschluss, Transitbereich, Unterbringung, Freiheitsentziehung, Feststellungsklage, Richtervorbehalt, richterliche Anordnung, Sicherung der Ausreise, Sicherungshaft, Abschiebungshaft,
Normen: AsylVfG § 18a, AsylG § 18a, FEVG § 2 Abs. 1, AufenthG § 16 Abs. 6,
Auszüge:

[...]

Vorliegend geht es um die Überprüfung einer nicht auf einer richterlichen Anordnung beruhenden Verwaltungsmaßnahme durch Unterbringung der Betroffenen gegen deren Willen im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main zwischen dem 24.01. und 28.01.2008. Diese stellt eine Freiheitsentziehung im Sinne des für das vorliegende Verfahren über § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG (in der ab 28.08.2007 gültigen Fassung) noch anwendbaren § 13 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (nachfolgend: FEVG; in der ab dem 28.08.2007 gültigen Fassung) dar, was noch ausgeführt wird. Nach § 13 Abs. 2 FEVG ist dann, wenn eine Maßnahme im Sinne des Abs. 1 des § 13 FEVG angefochten wird, im gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des FEVG zu entscheiden, so dass nach § 3 Abs. 2 FEVG auf das Verfahren nach die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (nachfolgend: FGG) Anwendung finden, soweit sich aus den Vorschriften des FEVG nichts anderes ergibt. Dabei fällt unter die "Anfechtung" im Sinne von § 13 Abs. 2 FEVG auch der hier vorliegende Feststellungsantrag nach Erledigung der nicht auf einer richterlichen Anordnung beruhenden Unterbringung der Betroffenen durch den Antragsgegner im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main ab dem 24.01. bis zum 28.01.2008 (vgl. hierzu auch Budde, in Keidel, FamFG, 18. Aufl., 2014, zur wortgleichen Nachfolgevorschrift des § 13 FEVG: § 428 FamFG, dort Rn. 8).

Das Rechtsschutzinteresse der Betroffenen an der begehrten Feststellung besteht im Übrigen auch nach der Beendigung ihres Aufenthaltes im Transitbereich fort, da ihr der von ihr behauptete schwerwiegende Eingriff in die Freiheit ihrer Person ein schützenswertes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit gibt (vgl. OLG München, Beschluss vom 02.12.2005, Az. 34 Wx 157/05, zitiert nach juris, Rn. 7). [...]

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23.10.2014 (a.a.O.) nunmehr klargestellt, dass der mit Wirkung vom 28.08.2007 eingeführte § 15 Abs. 6 AufenthG keine Klärung der hier entscheidungserheblichen Frage herbeigeführt hat, ob es sich bei der vorliegenden Unterbringung der Betroffenen in der Transitzone des Flughafens Frankfurt am Main gegen deren Willen nach Ablehnung ihres Asylantrages und vor Ablauf der in § 15 Abs. 6 AufenthG genannten 30-Tage-Frist um eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG handelt, die gemäß § 104 Abs. 2 S. 1 GG einer richterlichen Anordnung bedarf. Dies soll nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Übrigen auch für den hier nicht maßgeblichen Zeitraum nach Ablauf der 30 Tage gelten.

Somit geht auch der Senat nunmehr davon aus, dass die tragende Begründung seines vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Beschlusses vom 28.09.2010, wonach eine kurzfristige Unterbringung im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main aufgrund der Regelung des § 15 Abs. 5 AufenthG jedenfalls bis zum Ablauf von 30 Tagen keine Freiheitsentziehung darstelle, nicht zutreffend ist. [...]

Damit bleibt es dabei, dass sich die rechtliche Situation eines im Flughafentransit nach Beendigung des Flughafenasylverfahrens gegen seinen Willen untergebrachten Ausländers nicht anders darstellt, als diejenige eines sonstigen Ausländers, der vollziehbar ausreisepflichtig ist und zur Sicherung der Ausreise in Haft genommen wird. [...]

Der Bundesgerichtshof hat diese Frage jedenfalls – soweit ersichtlich – bislang nicht gegenteilig entschieden, sondern in verschiedenen Zusammenhängen mehrfach festgestellt, dass der Aufenthalt im Transitbereich des Flughafens nach § 15 Abs. 6 AufenthG einer Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 GG dann insofern gleichgestellt worden sei, als der Transitaufenthalt spätestens nach 30 Tagen - also nicht wie vorliegend vor Ablauf der 30 Tage nach Ankunft der Betroffenen auf dem Flughafen Frankfurt am Main am 30.12.2007 - nach Ankunft des Ausländers einer richterlichen Anordnung bedürfe. Das Festhalten des Betroffenen auf dem Flughafen stehe trotz der Möglichkeit, auf dem Luftweg abzureisen, nach einer gewissen Dauer und wegen der damit verbundenen Eingriffsintensität einer Freiheitsentziehung gleich (vgl. u.a. BGH, Beschlüsse vom 12.02.2015, Az. V ZB 185/14, vom 30.10.2013, Az. V ZB 90/13, vom 11.10.2012, Az. V ZB 154/11, vom 14.07.2011, Az. V ZB 275/10 und vom 30.06.2011, Az. V ZB 274/10). [...]