VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.02.2016 - 11 S 1626/15 (= ASYLLMAGAZIN 7/2016, S. 233) - asyl.net: M23752
https://www.asyl.net/rsdb/M23752
Leitsatz:

Eine Duldung darf mit der Nebenbestimmung "Erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins" erteilt werden, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass das Abschiebungshindernis innerhalb der Geltungsdauer beseitigt und eine Abschiebung durchgeführt werden kann.

Schlagwörter: Duldung, auflösende Bedingung, Nebenbestimmung, Abschiebung, Abschiebungshindernis, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, Passbeschaffung,
Normen: VwVfGBW § 36 Abs. 1 2. Alt., AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1,
Auszüge:

[...]

Der Senat kann offen lassen, ob das Formprivileg des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG auch für eine belastende Nebenbestimmung gilt. Denn jedenfalls hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.11.2013 - 11 S 2119/13 -, juris) eine etwa erforderliche Begründung nachträglich gegeben (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Absatz 2 VwVfGBW).

Die hier im Wege einer Ermessensentscheidung beigefügte - ausreichend bestimmte - Nebenbestimmung findet ihre Rechtsgrundlage in § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfGBW, da die hier erteilte Duldung als solche auf § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG beruht. Mit ihr wollte der Beklagte sicherstellen, dass die Duldung nur solange Geltung beanspruchen konnte, als die Abschiebung nicht möglich war. Denn mit der Festlegung und Mitteilung des Abschiebungstermins würde kein die Duldung rechtfertigendes Abschiebungshindernis mehr vorliegen.

Die Ermessensentscheidung ist nach der vom Beklagten nunmehr gegebenen Begründung angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls auch rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Beklagte durfte prognostisch gesehen noch davon ausgehen, dass es nicht von vornherein unwahrscheinlich oder ausgeschlossen war, dass der Kläger noch vor dem 29. Dezember 2013 seinen im Jahre 2012 ohne die Mitteilung irgendwelcher näheren Umstände als verloren gemeldeten Pass noch vorlegen oder sich einen neuen Pass besorgen und sich kooperationsbereit verhalten würde; immerhin gab es Kopien des bis April 2016 gültigen Passes. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung immer noch keine nachvollziehbare Schilderung der Verlustumstände geben konnte. Nur wenn eine sachgerechte Prognose ergeben hätte, dass unter keinen Umständen mit einer Passbeschaffung und einer anschließend zeitnahen Abschiebung hätte gerechnet werden können, wäre die Nebenbestimmung nicht mehr ermessensgerecht gewesen. Denn sie hätte ausländerrechtlich nichts Relevantes bewirken können. Sie wäre dann auch nicht erforderlich gewesen. Der Senat lässt offen, ob dann, wenn prognostisch eine Abschiebung ohnehin nicht vor Ablauf der regulären Geltungsdauer möglich gewesen wäre, der Kläger überhaupt durch die Nebenbestimmung beschwert wäre. [...]