Auf eine Schutzwürdigkeit als faktischer Inländer im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK kann sich ein zurückgekehrter Ausländer, der in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen ist, auch nach einem langjährigen, ordnungsgemäßen Vor-Aufenthalt (hier: 22 Jahre) dann nicht mehr erfolgreich berufen, wenn er über insgesamt nahezu denselben Zeitraum (hier: ca. 18 Jahre) seinen Aufenthalt in seinem Heimatstaat genommen, dort eine Familie gegründet und nach Absolvierung einer Berufsausbildung langfristig eine Beschäftigung gefunden hatte.
In einer solchen Fallkonstellation stellt die Ablehnung der Verlängerung einer (eheunabhängigen) Aufenthaltserlaubnis nach kurzer erneuter Aufenthaltsdauer bereits keinen Eingriff in das Recht des Ausländers auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK dar.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
In seiner Beschwerdebegründung wendet sich der Antragsteller nicht gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene rechtliche Wertung, dass von einem Erlöschen seiner Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 auszugehen sei, sondern er macht geltend, ihm stehe eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK zu, denn er könne sich auf eine Schutzwürdigkeit als faktischer Inländer berufen. Er verfüge über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat Bundesrepublik Deutschland. Nach den - von ihm näher dargelegten - Gesamtumständen sei ihm daher nicht zuzumuten, sein Privatleben außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu führen.
Mit diesem Vorbringen vermag der Antragsteller nicht durchzudringen. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde nicht dargelegt, dass die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt. [...]
Zum jetzigen Zeitpunkt kann indes eine hinreichende Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht (mehr) festgestellt werden.
Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob und ggf. mit welchem Grad eine Verwurzelung des Antragstellers in Deutschland bestanden hat, bevor dieser im Jahr 1994 das Bundesgebiet verlassen und in der Türkei, dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, seinen Aufenthalt genommen hat. [...]
Indes liegt diese Phase inzwischen mehr als 20 Jahre zurück. Der weitere persönliche Werdegang des Antragstellers ab dem Jahr 1994 ist deutlich von einem ebenfalls langjährigen Aufenthalt in der Türkei und einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse geprägt. [...]
Dieser Schilderung des persönlichen Werdegangs des Antragstellers ist zu entnehmen, dass sich der Antragsteller ab seinem 23. Lebensjahr ganz überwiegend in der Türkei aufgehalten hat, dort nicht nur eine Türkin geheiratet, sondern mit ihr auch eine Familie gegründet hat und dabei stets sein wirtschaftliches Auskommen in der Tourismusbranche gefunden hat, wofür ihm neben der Beherrschung der Landessprache auch seine deutschen Sprachkenntnisse zugute kamen. Auch wenn der Antragsteller nach seinen Angaben heute keinen Kontakt mehr zu seiner ehemaligen türkischen Ehefrau hat und ein zunächst noch bestehender telefonischer Kontakt zu seinen Kindern inzwischen wohl auch abgebrochen ist, so ist ab dem Jahr 1994 doch ganz überwiegend die Türkei zum Mittelpunkt der Lebensführung des Antragstellers geworden. Dafür spricht auch, dass dieser seinen Türkeiaufenthalt nur für einen relativ kurzen Zeitraum zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner ersten deutschen Ehefrau unterbrochen hat und sich aus diesem Aufenthalt wohl auch keine sozialen Kontakte oder sonstige schutzwürdige Bindungen entwickelt haben, die seine Rückkehr in die Türkei schon damals als nicht zumutbar hätten erscheinen lassen.
Nach den geschilderten objektiven Gegebenheiten ist zum jetzigen Zeitpunkt vielmehr von einer Integration des Antragstellers in die Lebensverhältnisse im Staat seiner Staatsangehörigkeit auszugehen, auch wenn die subjektive Sicht des Antragstellers eine andere sein mag, der dazu vorbringt, dass er in der Türkei nicht heimisch geworden sei und bereits frühzeitig im Wege der Familienzusammenführung habe zurückkehren wollen, was ihm aber verwehrt worden sei. Der Antragsteller ist ersichtlich mit einem Leben in der Türkei vertraut, er beherrscht die Landessprache und die von ihm angeführten zusätzlichen deutschen, englischen und holländischen Sprachkenntnisse werden ihn zusammen mit seinen bislang gesammelten beruflichen Erfahrungen - wie die Vergangenheit gezeigt hat - dort auch wieder eine berufliche Tätigkeit und damit ein wirtschaftliches Auskommen finden lassen. Demgegenüber war die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner zweiten deutschen Ehefrau ab seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im November 2013 nur von kurzer Dauer und außer dem Umstand der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit sind keine Anhaltspunkte für eine feste Verankerung des Privatlebens des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Dagegen spricht bereits die (wiederum) nur kurze Dauer seines erneuten Aufenthaltes im Bundesgebiet. Auch der Hinweis des Antragstellers auf die familiäre Verbundenheit zu seinen in Deutschland lebenden Eltern, seinen Geschwistern und auch seine Freundschaft zu Deutschen vermag das gefundene Ergebnis nicht in Zweifel zu ziehen. Dass die Eltern - etwa aus Gründen der Pflegebedürftigkeit - auf die Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet angewiesen wären, ist vom Antragsteller nicht vorgetragen worden und auch aus dem Behördenvorgang nicht ersichtlich.
Fehlt es damit zum heutigen Zeitpunkt an einer hinreichenden Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und ist ihm eine Eingewöhnung in die Verhältnisse in seinem Heimatland nicht unzumutbar, sondern bereits gelungen, fehlt es an einer faktischen Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und damit bereits an einem Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK durch die hier streitgegenständliche Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. [...]