EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 07.06.2016 - C‑47/15, Affum gg. Frankreich (= ASYLMAGAZIN 7/2016, S. 238 ff.) - asyl.net: M23882
https://www.asyl.net/rsdb/M23882
Leitsatz:

Keine Inhaftierung allein aufgrund illegaler Einreise über Schengen-Binnengrenze:

Nationalstaatliche Regelungen, die den Freiheitsentzug wegen illegaler Einreise von Drittstaatsangehörigen vorsehen, ohne dass ein Rückkehrverfahren abgeschlossen wurde, sind rechtswidrig. Die Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) sieht in solchen Fällen ein abgestuftes Rückkehrverfahren vor, welches Freiheitsentzug nur als letztes Mittel gestattet. Die Richtlinie ist auch dann anwendbar, wenn sich Drittstaatsangehörige nur auf Durchreise befinden, bei Ausreise aus dem Schengen-Raum festgenommen werden und ein Wiederaufnahmeverfahren in dem Mitgliedsstaat, aus denen sie kamen, eingeleitet wird.

(Vgl. EuGH Urteil vom 06.12.2011, Rechtssache C-329/11, Achughbabian gg. Frankreich, asyl.net: M19253)

Schlagwörter: unerlaubte Einreise, Inhaftierung, Drittstaatsangehörige, Rückführungsrichtlinie, Durchreise, Schengener Durchführungsübereinkommen, Binnengrenze, Haft, Freiheitsstrafe, Abschiebungshaft, Rückführungsverfahren, Außengrenze, Sanktion, Strafhaft, Affum
Normen: RL 2008/115 Art. 2 Abs. 1, RL 2008/115 Art. 3 Nr. 2, RL 2008/115 Art. 2 Abs. 2 Bst. a, RL 2008/115 Art. 6 Abs. 3, SGK Art. 4 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

Zur ersten Frage

45 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen sind, dass ein Drittstaatsangehöriger illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältig ist und daher in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn er sich, ohne die Voraussetzungen für Einreise in diesen Mitgliedstaat und den dortigen Aufenthalt zu erfüllen, als Fahrgast eines im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats fahrenden Busses auf der Fahrt von einem anderen zum Schengen-Raum gehörenden Mitgliedstaat in Richtung eines weiteren Mitgliedstaats, der nicht zum Schengen-Raum gehört, auf der Durchreise befindet.

46 Alle Beteiligten, die im Rahmen des Verfahrens vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind darüber einig, dass ein Drittstaatsangehöriger nicht allein wegen des Umstands, dass er sich "nur auf der Durchreise" befindet und sich somit nur zeitweilig oder vorübergehend im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhält, vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115 ausgeschlossen ist.

47 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, das Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs bestimmt, dass sie auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige Anwendung findet. Der Begriff "illegaler Aufenthalt" wird in Art. 3 Nr. 2 dieser Richtlinie definiert als "die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats".

48 Aus dieser Definition geht hervor, dass jeder Drittstaatsangehörige, der sich, ohne die Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt zu erfüllen, im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet, schon allein deswegen dort illegal aufhältig ist, ohne dass Voraussetzungen für die Mindestdauer einer solchen Anwesenheit oder hinsichtlich der Absicht zum Verbleib in diesem Hoheitsgebiet bestünden. Darüber hinaus zählt die nur zeitweilige oder vorübergehende Art dieser Anwesenheit auch nicht zu den in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 genannten Gründen, aus denen die Mitgliedstaaten beschließen können, einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen.

49 Da ein Drittstaatsangehöriger, der unter Missachtung der Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat und den dortigen Aufenthalt an Bord eines Busses durch das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats reist, gleichwohl in dessen Hoheitsgebiet anwesend ist, ist er somit im Sinne von Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2008/115 dort illegal aufhältig und fällt gemäß Art. 2 dieser Richtlinie in ihren Anwendungsbereich. [...]

Zur zweiten und zur dritten Frage

51 Mit seiner zweiten und dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach die illegale Einreise eines Drittstaatsangehörigen, auf den das mit dieser Richtlinie geschaffene Rückkehrverfahren noch nicht angewandt wurde, mit einer Freiheitsstrafe geahndet wird, und zwar auch dann, wenn der Drittstaatsangehörige in Anwendung eines Abkommens oder einer Vereinbarung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie von einem anderen Mitgliedstaat wieder aufgenommen werden kann. In diesem Zusammenhang stellt sich das vorlegende Gericht insbesondere die Frage nach der Relevanz des Urteils vom 6. Dezember 2011, Achughbabian (C-329/11, EU:C:2011:807).

52 In diesem Urteil hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass die Richtlinie 2008/115 der Regelung eines Mitgliedstaats, die den illegalen Aufenthalt mit strafrechtlichen Sanktionen ahndet, entgegensteht, soweit diese Regelung die Inhaftierung eines Drittstaatsangehörigen zur Strafvollstreckung zulässt, der sich zwar illegal im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhält und nicht bereit ist, dieses Hoheitsgebiet freiwillig zu verlassen, gegen den aber keine Zwangsmaßnahmen im Sinne von Art. 8 dieser Richtlinie verhängt wurden und dessen Haft im Fall einer Inhaftnahme zur Vorbereitung und Durchführung seiner Abschiebung die höchstzulässige Dauer noch nicht erreicht hat (Urteil vom 6. Dezember 2011, Achughbabian, C-329/11, EU:C:2011:807, Rn. 50).

53 Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass diese Richtlinie einer Verwaltungshaft zur Ermittlung, ob der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen illegal ist oder nicht, nicht entgegensteht. In diesem Zusammenhang sind die zuständigen Behörden verpflichtet, zügig zu handeln und umgehend darüber zu entscheiden, ob der Aufenthalt der betroffenen Person illegal ist oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2011, Achughbabian, C-329/11, EU:C:2011:807, Rn. 29 bis 31). [...]

56 Nach Erlass dieses Urteils wurde das Ceseda durch das Gesetz vom 31. Dezember 2012 geändert. Durch die Gesetzesänderung wurde insbesondere der Straftatbestand des illegalen Aufenthalts abgeschafft, der Straftatbestand der illegalen Einreise jedoch beibehalten. [...] Unter diesen Umständen stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob eine nationale Bestimmung wie Art. L. 621-2 des Ceseda in der durch das Gesetz vom 31. Dezember 2012 geänderten Fassung, nach der die illegale Einreise eines Drittstaatsangehörigen mit einer Freiheitsstrafe geahndet wird, mit der Richtlinie 2008/115 vereinbar ist. [...]

Zur illegalen Einreise im Hinblick auf die Richtlinie 2008/115 [...]

61 Da ein Drittstaatsangehöriger, der – wie Frau Affum [...] in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, ist er den darin vorgesehenen gemeinsamen Normen und Verfahren im Hinblick auf seine Abschiebung zu unterwerfen, sofern sein Aufenthalt nicht gegebenenfalls legalisiert wurde.

62 Nach diesen Normen und Verfahren muss jedoch gegen einen solchen Drittstaatsangehörigen ein Rückführungsverfahren anhängig gemacht werden, dessen Reihenfolge des Ablaufs einer Abstufung der zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu treffenden Maßnahmen entspricht und das hinsichtlich eines etwaigen Freiheitsentzugs höchstens die Inhaftnahme in einer speziellen Einrichtung gestattet, die jedoch in den Art. 15 und 16 der Richtlinie 2008/115 strikt reglementiert wird, um die Achtung der Grundrechte der betroffenen Drittstaatsangehörigen zu gewährleisten (vgl. insbesondere Urteil vom 28. April 2011, El Dridi, C-61/11 PPU, EU:C:2011:268, Rn. 41 und 42).

63 Daher dürfen die Mitgliedstaaten aus denselben Gründen wie denen, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. Dezember 2011, Achughbabian (C-329/11, EU:C:2011:807), dargelegt hat, nicht allein wegen des Umstands einer illegalen Einreise, die zu einem illegalen Aufenthalt führt, die Strafhaft von Drittstaatsangehörigen zulassen, für die das von der Richtlinie 2008/115 geschaffene Rückkehrverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, da eine solche Strafhaft geeignet ist, die Anwendung dieses Verfahrens scheitern zu lassen und die Rückführung zu verzögern, und somit die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigt. [...]

66 Was das Ausgangsverfahren angeht, so steht fest, dass von den französischen Behörden gegen Frau Affum noch kein Rückkehrverfahren gemäß der Richtlinie 2008/115 eingeleitet wurde.[...]

Zu Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/115

68 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/115 beschließen können, diese Richtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die einem Einreiseverbot nach Art. 13 des Schengener Grenzkodex unterliegen oder die von den zuständigen Behörden in Verbindung mit dem illegalen Überschreiten der Außengrenze eines Mitgliedstaats auf dem Land-, See- oder Luftwege aufgegriffen bzw. abgefangen werden und die nicht anschließend die Genehmigung oder das Recht erhalten haben, sich in diesem Mitgliedstaat aufzuhalten.

69 Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass sich die beiden von ihr erfassten Situationen ausschließlich auf das Überschreiten einer Außengrenze eines Mitgliedstaats, wie in Art. 2 Nr. 2 des Schengener Grenzkodex definiert, beziehen und somit nicht das Überschreiten einer gemeinsamen Grenze von Mitgliedstaaten, die zum Schengen-Raum gehören, betreffen. Diese Vorschrift kann es somit den Mitgliedstaaten nicht gestatten, illegal aufhältige Drittstaatsangehörige vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen, weil sie illegal über eine Binnengrenze eingereist sind. [...]

71 Bezüglich der zweiten Situation ergibt sich [...], dass diese [...] nicht den Fall [betrifft], dass sie versucht haben, aus diesem Hoheitsgebiet und dem Schengen-Raum auszureisen. [...]

78 Bezüglich des Umstands, dass Frau Affum nicht zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das französische Hoheitsgebiet, sondern bei ihrem Versuch, aus dem französischen Hoheitsgebiet und dem Schengen-Raum über den Tunnel unter dem Ärmelkanal auszureisen, aufgegriffen und festgenommen wurde, ergibt sich aus Rn. 71 des vorliegenden Urteils, dass dieser Umstand jedenfalls nicht geeignet ist, diese illegal aufhältige Drittstaatsangehörige nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/115 aus deren Anwendungsbereich auszuschließen.

Zu Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115

79 Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 erlassen die Mitgliedstaaten unbeschadet der Ausnahmen nach den Abs. 2 bis 5 dieser Vorschrift gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung.

80 Gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115 können die Mitgliedstaaten davon absehen, eine Rückkehrentscheidung gegen illegal in ihrem Gebiet aufhältige Drittstaatsangehörige zu erlassen, wenn diese Personen von einem anderen Mitgliedstaat aufgrund von zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie geltenden bilateralen Abkommen oder Vereinbarungen wieder aufgenommen wird. In einem solchen Fall wendet der Mitgliedstaat, der die betreffenden Drittstaatsangehörigen wieder aufgenommen hat, Abs. 1 dieser Vorschrift an.

81 Die in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannte Vereinbarung lässt sich [...] mit einer "bilateralen Vereinbarung" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115 gleichsetzen, da sie, obgleich sie zwischen vier Mitgliedstaaten geschlossen wurde, das Benelux-Hoheitsgebiet wie ein einziges Staatsgebiet behandelt.

82 Entgegen der Ansicht der französischen Regierung kann Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115 jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass er eine Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie enthält, die zu den in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Ausnahmen hinzuträte, und die es den Mitgliedstaaten erlaubte, illegal aufhältige Drittstaatsangehörige von den gemeinsamen Normen und Verfahren für die Rückführung auszuschließen, wenn diese in Anwendung eines zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bereits bestehenden Abkommens oder einer bereits bestehenden Vereinbarung von einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Festnahme wieder aufgenommen werden. [...]

86 Daher ist festzustellen, dass nach dem Wortlaut und der Systematik der Richtlinie 2008/115 der Fall eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, der in Anwendung eines Abkommens oder einer Vereinbarung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie von einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Festnahme wieder aufgenommen wird, weiterhin von dieser Richtlinie geregelt wird, und dass der Mitgliedstaat, der beschließt, ihn in Anwendung dieser Bestimmung an einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, im Rahmen der von dieser Richtlinie geschaffenen gemeinsamen Normen und Verfahren handelt. [...]

88 Einem Drittstaatsangehörigen vor seiner Überstellung in den letztgenannten Mitgliedstaat eine Freiheitsstrafe aufzuerlegen und diese zu vollstrecken, würde ganz offensichtlich die Einleitung dieses Verfahrens sowie die effektive Abschiebung des betroffenen Staatsangehörigen verzögern und somit die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen.

Zu Art. 4 Abs. 3 des Schengener Grenzkodex

89 Nach Art. 4 Abs. 3 des Schengener Grenzkodex sehen die Mitgliedstaaten nach nationalem Recht Sanktionen für das unbefugte Überschreiten der Außengrenzen außerhalb der Grenzübergangsstellen oder der festgesetzten Verkehrsstunden vor. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

90 In diesem Zusammenhang ist zum einen festzustellen, dass diese Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, in den von ihr erfassten Situationen Freiheitsstrafen zu verhängen, sondern ihnen hinsichtlich der Sanktionen, die sie verhängen wollen, die Wahl lässt, vorausgesetzt, diese Sanktionen sind wirksam, verhältnismäßig und abschreckend. Somit können die Mitgliedstaaten selbst in den Situationen, für die Art. 4 Abs. 3 des Schengener Grenzkodex eine Sanktionspflicht vorsieht, dieser nachkommen und dabei gleichzeitig die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2008/115 erfüllen. Dass dieser Art. 4 Abs. 3 keineswegs die Änderung der von dieser Richtlinie geschaffenen gemeinsamen Normen und Verfahren beabsichtigt, wird im Übrigen ausdrücklich in Art. 12 Abs. 1 des Schengener Grenzkodex in der durch die Verordnung Nr. 610/2013 geänderten Fassung bestätigt.

91 Zum anderen ist festzustellen, dass Art. 4 Abs. 3 des Schengener Grenzkodex die Pflicht der Mitgliedstaaten, Sanktionen vorzusehen, einzig auf das "unbefugte Überschreiten der Außengrenzen außerhalb der Grenzübergangsstellen oder der festgesetzten Verkehrsstunden" beschränkt und dass die Situation von Frau Affum keinen solchen Fall darstellt. Außerdem sieht keine andere Bestimmung des Schengener Grenzkodex eine Sanktion für die nicht von Art. 4 Abs. 3 dieses Kodex erfassten Fälle vor, nämlich das unbefugte Überschreiten der Außengrenzen an den Grenzübergangsstellen während der festgesetzten Verkehrsstunden sowie das unbefugte Überschreiten der Binnengrenzen.

92 Unter diesen Umständen kann sich die französische Regierung nicht auf die den Mitgliedstaaten durch den Schengener Grenzkodex auferlegten Verpflichtungen berufen, um einen Verstoß gegen die Richtlinie 2008/115 zu rechtfertigen.

93 Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die allein aufgrund des Umstands der illegalen Einreise über eine Binnengrenze, die zu einem illegalen Aufenthalt führt, die Strafhaft eines Drittstaatsangehörigen zulässt, für den das mit dieser Richtlinie geschaffene Rückkehrverfahren noch nicht abgeschlossen wurde. Diese Auslegung gilt auch dann, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige in Anwendung eines Abkommens oder einer Vereinbarung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie von einem anderen Mitgliedstaat wieder aufgenommen werden kann. [...]