[Priviligierter Kindernachzug auch nach Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren]
Hat ein Ausländer bei Antragstellung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, wohl aber zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sind die einschränkenden Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AufenthG nicht anzuwenden; die übrigen Erteilungsvoraussetzungen von §§ 32 Abs. 1, 5 AufenthG müssen dann jedoch sowohl zum Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze als auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen.
Ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kommt im Einzelfall auch bei einer heute 16-Jährigen in Betracht, wenn die allein sorgeberechtigte Mutter zusammen mit ihrem deutschen Ehemann, der (auch) deutschen Halbschwester der Nachzugswilligen und dem ebenfalls deutschen Kind ihres Ehemanns aus erster Ehe, für das dieser gemeinsam mit der Kindsmutter das gemeinsame Sorgerecht hat, in familiärer Lebensgemeinschaft in Deutschland lebt, die Sorgeberechtigten bislang wegen der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts bislang nicht mit Sanktionen belegt worden nicht und sich aus bestimmten Umständen ein Angewiesensein der 16-Jährigen auf ein Zusammenleben mit dem/n in Deutschland lebenden Sorgeberechtigten ergibt.
Wer als Positivstaater visumsfrei ins Bundesgebiet einreisen darf, reist auch dann nicht unerlaubt i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ins Bundesgebiet ein, wenn er aufgrund des konkreten Aufenthaltszwecks (hier Familienzuzug) eines Visums bedurft hätte. Folgende Umstände können (insbes. wenn sie kumulativ vorliegen) dafür sprechen, dass die Nachholung des Visumsverfahrens unzumutbar i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG ist:
- ein Minderjähriger wäre verpflichtet, zum Zwecke der Durchführung des Visumsverfahrens ins Ausland zu reisen, wo seine Betreuung nicht gesichert ist
- die Dauer des Visumsverfahrens ist nicht absehbar, weil damit zu rechnen ist, dass die Ausländerbehörde der Erteilung eines Visums nicht zustimmt, weil sie zu Unrecht das Bestehen eines Anspruchs verneint
- die Verpflichtung, ein Visumsverfahren durchzuführen, hätte zur Folge, dass dadurch die Durchsetzung eines gegenwärtig noch bestehenden Anspruchs wesentlich erschwert wäre (hier infolge des Überschreitens der Altersgrenze des § 32 Abs. 2 AufenthG)
Ist die Durchführung eines Visumsverfahrens unzumutbar i.S.d. § 5 Abs. 2 2. Alt. AufenthG, dürfte regelmäßig schwer zu begründen sein, weshalb dem Ausländer etwas, das ihm explizit unzumutbar ist, dennoch abverlangt werden kann.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
2.1.2.2 Die – nach den zuvor zitierten Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts durchzuführende – wertende Gesamtschau führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass auch im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Regelerfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes anzunehmen ist.
Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich entnehmen, dass bei einem Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukommt als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Dieser Rechtsgedanke greift auch im vorliegenden Fall. Zwar ist die Klägerin nicht mit dem Ehemann ihrer Mutter, dem deutschen Staatsangehörigen Se.E., verwandt. Se.E. ist jedoch fester Bestandteil der Kernfamilie, in die der Nachzug erfolgen soll; außerdem wird der Zuzug auch zu Sa., der Halbschwester der Klägerin, begehrt, die (auch) deutsche Staatsangehörige ist. Diese Kernfamilie hat auch ihren eindeutigen Schwerpunkt in Deutschland. Dies beruht nicht nur darauf, dass Se.E. allein die deutsche Staatsangehörigkeit hat und Sa. jedenfalls auch deutsche Staatsangehörige ist. Hinzu kommt, dass A., die leibliche Tochter von Se.E., ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist. Se.E. hat für A., mit der er in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht und zusammen mit der Mutter von A. das gemeinsame Sorgerecht. Die Klägerin ist daher das einzige Mitglied der Kernfamilie, das außerhalb Deutschlands und nicht in familiärer Lebensgemeinschaft mit den anderen Familienmitgliedern lebt. Dafür, dass dieser Fall allein im Hinblick darauf, dass Se.E. sich bislang offenbar nicht um das gemeinsame Sorgerecht für die Klägerin oder ihre Adoption bemüht hat, anders zu sehen sein könnte als der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene, sieht die Kammer - anders als offenbar die Beklagte - keine Anhaltspunkte; entscheidend ist vielmehr, dass die wichtigste Bezugsperson der Klägerin, nämlich ihre leibliche Mutter, zusammen mit ihrem - deutschen - Ehemann und dem gemeinsamen Kind, der Halbschwester der Klägerin, im Bundesgebiet lebt.
Auch ein weiteres Argument, das das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung für die Annahme eines Ausnahmefalles in die Waagschale geworfen hat, kann vorliegend fruchtbar gemacht werden: Gegen Se.E., der schwerbehindert ist, und S.E. wurden offenbar in der Vergangenheit keinerlei Sanktionen wegen Verletzung ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen nach §§ 31 ff. SGB II verhängt. Angesichts der konkreten Umstände - Schwerbehinderung von Se.E. und betreuungsbedürftiges Kleinkind im Haushalt - ist auch fraglich, ob ihnen der Umstand, dass sie staatliche Leistungen beziehen, gegenwärtig überhaupt zum Vorwurf gemacht werden könnte.
Dem Umstand, dass die Klägerin inzwischen 16 Jahre alt ist, misst die Kammer im vorliegenden Fall dagegen kein wesentliches Gewicht bei. Richtig ist, dass das Kind in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; nicht richtig ist allerdings die dem Vortrag des Beklagten offenbar zugrunde liegende Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung eine entsprechende Höchstgrenze von zwölf Jahren aufgestellt. Die Kammer vermag die Erwägungen der Beklagten nicht nachzuvollziehen, die offenbar den Umstand, dass die Mutter der Klägerin diese in der Obhut der Tante in der Türkei belassen habe, um hochschwanger zu ihrem deutschen Ehemann zu ziehen, als Beleg für das fehlende Angewiesensein der Klägerin auf ein Aufwachsen in der Kernfamilie sieht. Wenn man sich mit der Beklagten auf die Ebene bloßer Mutmaßungen begeben möchte, wäre es aus Sicht der Kammer wesentlich naheliegender anzunehmen, ein Kind, das auf eine nur kurzfristige Trennung von seiner Mutter vertraut hat und - nach Auffassung der Kammer, die im Ergebnis einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für gegeben erachtet - auch vertrauen durfte, dann aber während eines knappen Jahres gegen den eigenen Willen wie auch den der Mutter ohne seine Mutter als der wichtigsten Bezugsperson hat leben müssen, bedürfe in der Folge eines umso intensiveren Kontaktes zu seiner Kernfamilie, um diese Erfahrungen verarbeiten zu können; die Aussage im angefochtenen Bescheid, die Klägerin habe ihre Lebensführung "wie gewohnt im Ausland, nur bei einer Tante" fortgesetzt, mutet in diesem Zusammenhang im Lichte von Art. 6 GG beinahe zynisch an, ebenso wie der Verweis darauf, es gebe in der Türkei, wenn sich denn die Tante nicht mehr um die Klägerin hätte kümmern wollen, "entsprechende Sozialstrukturen zum Betreuen Minderjähriger".
Hinzu kommt vorliegend ein weiteres Argument, das für die Annahme eines Ausnahmefalls streitet: Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin führte nicht nur zu einer Kollision der Interessen der S.E. an einem familiären Zusammenleben mit beiden leiblichen Kindern und mit ihrem Ehemann sowie dem berechtigten Interesse von Sa. an einem Umgang mit beiden Elternteilen und ihrer Schwester. Auch der deutsche Staatsangehörige Se.E. müsste - auch unabhängig davon, ob ihm insbesondere unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung ein Leben in der Republik Moldau oder der Türkei zumutbar wäre - wählen, ob er für den Fall, dass sich S.E. für ein Zusammenleben mit der Klägerin entschiede, seiner Frau und seiner Tochter Sa. ins Ausland folgt, oder ob er weiterhin in familiärer Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter A. lebt, die ihrerseits Anspruch auf Kontakt zu beiden Elternteilen hat. Der Konflikt zwischen fiskalischen Interessen des Staates und den Belangen der Familie hätte mithin auch Auswirkungen auf Dritte wie A. sowie ggf. deren Mutter (vgl. zu diesem Aspekt VG Berlin, Urteil vom 07.01.2014 - 19 K 192/13 V -, juris).
2.1.3 Damit liegt im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein Ausnahmefall vor mit der Folge, dass die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis nicht hindert.
2.2 Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis nicht entgegen. Nach dieser Regelung setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht.
2.2.1 Ein solches Ausweisungsinteresse könnte vorliegend nach Aktenlage gemäß §§ 54 Abs. 2 Nr. 9, 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG allein deshalb vorliegen, weil die Klägerin am 19.05.2014 ohne Visum, nur mit einem biometrischen Pass der Republik Moldau, ins Bundesgebiet eingereist ist, obwohl sie ganz offensichtlich - und von ihr zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt - bereits bei ihrer Einreise einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigte. Die Republik Moldau gehört seit dem 28.04.2014 zu den Anhang-II-Staaten der VO (EG) Nr. 539/2001 vom 15.03.2001 - EU-VisumVO - (vgl. Änderungs-VO EU Nr. 258/2014 vom 03.04.2014); (nur) für einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten sind moldawische Staatsangehörige, sofern sie Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, folglich von der Visumspflicht befreit.
Damit stellt sich die Frage, ob auch derjenige unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ins Bundesgebiet einreist, der als sog. "Positivstaater" zwar grundsätzlich visumsfrei einreisen darf, für den konkret mit der Einreise verfolgten Zweck jedoch ein Visum benötigt hätte.
2.2.1.1 Für den Fall, dass der Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt ins Bundesgebiet einreist, obgleich er bereits zum Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt angestrebt hat und infolgedessen eines nationalen Visums bedurft hätte, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine unerlaubte Einreise im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor; der Umstand, dass der Ausländer aufgrund des Aufenthaltszwecks ein nationales Visum benötigt hätte, kommt laut Bundesverwaltungsgericht erst im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zum Tragen, wo sich die Frage der Erforder - lichkeit des Visums nach dem konkreten Aufenthaltszweck bemisst (BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris, und vom 16.11.2010 - 1 C 17/09 -, juris).
Diese Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat nicht nur die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 14 AufenthG (BT-DrS. 15/420, S. 73) auf ihrer Seite, in der es heißt, dass durch den Verweis in Nr. 2 auf die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach § 4 "... angesichts der unterschiedlichen Auffassung in Rechtsprechung und Lehre klargestellt werden [sollte], dass sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Aufenthaltszweck bemisst". Sie wird auch dem Zweck des § 14 AufenthG, nämlich der Sicherung der kontrollierten Einreise, gerecht. Schutzgegenstand des § 14 AufenthG ist die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze; die Regelung steht im Zusammenhang mit - Entscheidungen anhand formaler, schnell und unzweideutig festzustellender Kriterien erfordernden - polizeilichen und strafrechtlichen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) Maßnahmen zur Verhinderung oder Sanktionierung unerlaubter Grenzübertritte. Davon unabhängig zu sehen - und vom Schutzzweck des § 14 Abs. 1 AufenthG nicht primär erfasst - ist das Ziel der Einhaltung des Visumsverfahrens als Steuerungsinstrument einer geordneten Zuwanderung. Dieser Zielsetzung dient stattdessen § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, der zur Versagung des begehrten Aufenthaltstitels führt, wenn bei der Einreise kein dem konkret aktuell verfolgten Aufenthaltszweck entsprechendes Visum vorlag (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.03.2006 - 11 S 1797/05 -, juris). Für die genannte Auslegung spricht ferner § 15 AufenthG. Diese Vorschrift begründet neben dem zwingenden Zurückweisungsgrund des Versuchs einer unerlaubten Einreise in Abs. 1 in Abs. 2 die Möglichkeit zur Zurückweisung u.a. für den Fall, dass der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Der Ermächtigung zur fakultativen Zurückweisung in diesen Fällen bedürfte es nicht, wenn die Angabe eines falschen Aufenthaltszwecks (und hierunter lässt sich mühelos auch der Zweck eines vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts fassen) stets dazu führte, dass die Einreise unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist. Schließlich bekräftigt die 2013 ins Gesetz eingefügte Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG die gefundene Auslegung. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG ergibt sich, dass auch derjenige, der mit einem durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkten Visum einreist, bis zu dessen Rücknahme oder Annullierung ein erforderliches Visum besitzt; würde man in diesem Fall bereits die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bejahen, wäre Nr. 2a überflüssig (für eine derartige formale Sichtweise ohne Berücksichtigung des Einreisemotivs des Betreffenden mit unterschiedlichen Argumenten auch Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., § 14 Rn. 9; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Rn. 11 ff.; GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 15; Hailbronner, AuslR, Stand 02/16, § 14 Rn. 13 ff.; a.A. offenbar BeckOK AuslR, Stand 12/2015, § 14 Rn. 12).
2.2.1.2 Vorliegend ist die Klägerin aber nicht mit einem gemessen an ihrem Aufenthaltszweck unzureichenden Visum ins Bundesgebiet eingereist; vielmehr ist sie visumsfrei - nur mit ihrem biometrischen Reisepass - ins Bundesgebiet eingereist, was zwar auf Grundlage von § 15 AufenthV, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 - EG-Visa-VO - für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten zulässig gewesen wäre, nicht aber für den beabsichtigten Daueraufenthalt.
Dieser Fall wird in der Rechtsprechung - zumeist ohne Begründung, insbesondere ohne jede Auseinandersetzung mit der zitierten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - regelmäßig dahingehend entschieden, dass eine unter Ausnutzung der Visaerleichterungen für Kurzaufenthalte nach der EG-Visa-VO erfolgte Einreise in das Bundesgebiet bei einer von vornherein bestehenden Absicht des Daueraufenthalts unerlaubt im Sinne des §§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist (so etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 07.10.2014 - 2 L 152/13 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 21.06.2013 - 10 CS 13.1002 -, juris; OVG Hamb., Beschluss vom 23.09.2013 - 3 Bs 131/13 -, juris; so im Ergebnis auch GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 17; auch Nr. 14.1.2.1.1.7.1 AufenthG-VwV geht in diesem Fall von unerlaubter Einreise aus).
Diese unterschiedliche Behandlung von Ausländern, die im Besitz eines im Hinblick auf ihren Aufenthaltszweck unzureichenden Visums - etwa eines für 90 Tage geltenden Schengen-Visums, obgleich sie einen Daueraufenthalt anstreben - sind, und Ausländern, die als Positivstaater ohne Visum einreisen, obwohl auch sie einen über drei Monate hinausgehenden Daueraufenthalt anstreben, ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der - unzutreffenden - Angabe eines Ausländers im Visumsantrag über die Länge bzw. den Zweck des geplanten Aufenthalts kein anderes Gewicht im Hinblick auf die Frage, ob er mit dem erforderlichen Aufenthaltstitel im Sinne des § 14 Abs. 1 AufenthG eingereist ist, beizumessen als der mit Vorlage des Ausweisdokuments konkludent erfolgten, ebenso unzutreffenden Aussage des Positivstaaters, sich nicht länger als drei Monate im Schengenraum aufhalten zu wollen. Denn hier wie dort ergibt sich aus dem geschilderten Zweck des § 14 Abs. 1 AufenthG und seinem Zusammenspiel mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, dass für die Frage der unerlaubten Einreise im Rahmen des § 14 Abs. 1 AufenthG allein auf objektive Gesichtspunkte abzustellen und die Frage des subjektiven Einreisemotivs erst im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu stellen ist.
Zwar ist es richtig, dass der visumsfrei mögliche Aufenthalt in der EG-Visa-VO bereits deshalb auf drei Monate beschränkt worden ist, weil die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit auf den Erlass von Vorschriften für Visa für geplante Aufenthalte von bis zu drei Monaten beschränkt (vgl. Art. 62 Nr. 2 lit. b) i) EGV) war (hierauf verweisend etwa GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris). Gleichermaßen war aber die Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft für Regelungen bezüglich sog. Schengen-Visa (vgl. VO (EG) Nr. 810/2009 vom 13.07.2009) ebenso auf einen Zeitraum von drei Monaten beschränkt (vgl. Art. 62 Nr. 2 lit. b) ii) EGV). Weshalb im einen Fall die beschränkte gemeinschaftsrechtliche Regelungskompetenz auf die Frage der unerlaubten Einreise durchschlagen soll, im anderen nicht, erschließt sich nicht.
Derjenige, der als sog. Positiv-Staater ohne Visum einreist, reist folglich auch dann nicht unerlaubt ein, wenn er bereits bei Einreise einen über 90 Tage hinausgehenden Aufenthalt plant (wie hier auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2013 - 8 L 1466/13 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Rn. 3, 33 ff. und Art. 1 EU-VisumVO / zu Abs. 2, Rn. 12 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand 02/2016, § 14 Rn. 11a ff.; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 03/2016, § 14 AufenthG Rn. 2, § 95 AufenthG Rn. 7).
2.2.2 Selbst wenn man dies anders sehen und die Einreise der Klägerin ins Bundesgebiet am 19.05.2014 entgegen der Rechtsauffassung der Kammer als unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ansehen wollte, weil sie unbestritten von Anfang an ihre Einreise zum Zweck der dauerhaften Familienzusammenführung beabsichtigte, stünde dies im Ergebnis der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. In diesem Fall wäre zwar davon auszugehen, dass sich die Klägerin gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbar gemacht und damit ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG - nicht nur vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften - erfüllt hat, da die illegale Einreise regelmäßig keinen geringfügigen Rechtsverstoß darstellt (vgl. [jew. zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.] OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 28.07.2014 - 2 L 91/12 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 15.12.2014 - 2 B 374/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11.07.2012 - 18 B 562/12 -, juris). Selbst wenn man aber vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt, stünde dies der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegen, weil auch insoweit im Hinblick auf das große Gewicht, das Art. 6 GG vorliegend zukommt (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziff. 2.1.1), auf der einen und dem vergleichsweise geringeren Gewicht des allein im Raum stehenden Verstoßes gegen Visumsbestimmungen auf der anderen Seite ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzunehmen ist.
2.3 Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht schließlich auch nicht § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen.
Fest steht, dass die Klägerin ohne das in Anbetracht ihres Zieles eines dauerhaften Aufenthalts im Bundesgebiet erforderliche Visum eingereist ist, somit die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt (dazu unter 2.3.1). Auch sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG nicht gegeben, da sie keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat (dazu unter 2.3.2). Der Klägerin ist es jedoch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen (dazu unter 2.3.3).
2.3.1 Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung u.a. einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist. Die Klägerin ist, wie bereits erörtert, ohne Visum ins Bundesgebiet eingereist, obgleich sie unstreitig bereits bei ihrer Einreise einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet begehrte. Welches Visum als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich im Rahmen von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - anders als es nach Auffassung der Kammer bei § 14 Abs. 1 AufenthG der Fall ist - nach dem konkreten Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris, und vom 16.11.2010 - 1 C 17/09 -, juris; ebenso etwa OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 27.05.2015 - 2 M 21/15 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 15.12.2014 - 2 B 374/14 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 30.09.2014 - 19 CS 14.1576 -, juris). Für einen längerfristigen Aufenthalt hätte die Klägerin aber, was von ihr auch nicht in Abrede gestellt wird, gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eines Visums für das Bundesgebiet (nationales Visum) bedurft, das vor der Einreise erteilt wird und der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Tatsächlich hatte sie dementsprechend im Sommer 2013 die Erteilung eines nationalen Visums beantragt.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. §§ 39 ff. AufenthV berufen. Sie war nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berechtigt, den Aufenthaltstitel (erst) im Bundesgebiet einzuholen, denn die in § 99 AufenthG i.V.m. § 39 AufenthV normierten Voraussetzungen, nach denen über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern kann, liegen erkennbar nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen für einen - ohnehin, wie zu zeigen sein wird (s.u. 2.3.2), nicht bestehenden - Anspruch nicht bereits, wie es § 39 Nr. 3 AufenthVO verlangt, (erst) nach der Einreise entstanden, vielmehr bestanden die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG - Minderjährigkeit, Aufenthaltserlaubnis der allein sorgeberechtigten Mutter - bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin sich noch in der Türkei befand.
2.3.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG.
Unter einem Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist nur ein strikter, gesetzlich gebundener Anspruch zu verstehen. In der Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Vorschrift etwa in Fällen einer Ermessensreduktion auf Null nicht anwendbar ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.03.2009 - 11 S 2990/08 -, juris; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 04.07.2006 - 2 O 210/06 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 18.06.2007 - 10 PA 65/07 -, juris).
Vorliegend besteht keine Ermessensreduzierung auf Null; vielmehr steht der Umstand, dass die Klägerin die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht verwirklicht, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegen, weil insoweit nicht von einem Regel-, sondern von einem Ausnahmefall auszugehen ist. Für diese Fälle ging die obergerichtliche Rechtsprechung in der Vergangenheit teilweise davon aus, ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG bestehe auch dann, wenn im Hinblick auf eine Regelerteilungsvoraussetzung wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt (so etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 -, juris [für den Begriff des "Anspruchs" in § 39 Nr. 5 AufenthV und § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]; Beschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08 -, juris [für den Begriff des "Anspruchs" in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]; OVG Hamb., Urteil vom 10.04.2014 - 4 Bf 19/13 -, juris; Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 -, juris; so auch GK-AufenthR, Stand 2015, II-§ 5 Rn. 127; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Nr. 1 a.E.). Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch mit Urteil vom 10.12.2014 (- 1 C 15/14 -, juris; bekräftigt mit Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31/14 -, juris) klargestellt, dass ein Rechtsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG nur dann vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Der Anspruch muss sich aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben mit der Folge, dass Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen. Speziell für den Fall des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung damit, dass das in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebene Visumverfahren dem Zweck diene, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können. Ausgehend von dem Zweck, generalpräventiv dem Anreiz entgegenzuwirken, nach einer unter bewusster Umgehung des Visumsverfahrens erfolgten, folglich illegalen Einreise Bleibegründe zu schaffen, seien Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten.
Diese Rechtsauffassung, der sich die Kammer aus Gründen der Rechtseinheit anschließt, zugrunde gelegt, fehlt es vorliegend an einem Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG.
2.3.3 Mithin bedarf es der Prüfung, ob es der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG auf Grund besonderer Umstände unzumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Dies ist zur Überzeugung der Kammer der Fall.
In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als Ausnahmeentscheidung grundsätzlich restriktiv auszulegen ist (vgl. zum Folgenden OVG Nieders., Beschluss vom 11.07.2007 - 10 ME 130/07 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 24.02.2014 - 10 ZB 11.2268 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 22.03.2012 - 2 B 34/12 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 10.04.2007 - 18 B 303/07 -, juris). Die Ausländerbehörde darf im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit daher als beachtlichen öffentlichen Belang mit in ihre Erwägungen einstellen, dass die Einhaltung des Visumsverfahrens der Regelfall bleiben soll. Auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen; der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Auch darf die Ausländerbehörde ihrer Entscheidung die Erwägung zugrunde legen, dass dem Eindruck entgegengewirkt werden soll, man könne durch eine Einreise unter bewusster Missachtung der Visumsregeln stets vollendete Tatsachen schaffen. Die Grenze liegt allerdings dort, wo das Beharren auf die Einhaltung des Visumsverfahrens objektiv als unangemessen empfunden werden müsste.
Diese Grenze der objektiven Unangemessenheit ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer überschritten. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin als moldawische Staatsangehörige ihr Visum aller Voraussicht nach nicht (mehr) von der Türkei aus beantragen könnte, vielmehr, nachdem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Türkei hat, in die Republik Moldau nach Chişinău reisen müsste. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin, die selbst seit April 2004 und damit seit ihrer frühen Kindheit überwiegend in der Türkei gelebt und seit vielen Jahren keinerlei Kontakt zu ihrem leiblichen Vater gehabt hat, in Chişinău über soziale Kontakte verfügen könnte, die sie für ihren Aufenthalt in der Republik Moldau nutzbar machen könnte; wie die Klägerin die Nichtexistenz einer Betreuungsmöglichkeit in der Republik Moldau über die Erklärungen zum fehlenden Kontakt zum Vater hinaus sollte "glaubhaft" machen können, erläutert auch die Beklagte nicht. Dass es aber für die Klägerin als einem 16-jährigen Kind eine besondere und unzumutbare Belastung wäre, im Ausland ohne Beistand der engeren Familie - ob ihre Mutter, ggf. zusammen mit Sa., die Klägerin begleiten könnte, erscheint schon allein aus finanziellen Gründen mehr als fraglich - ihre Visaangelegenheiten zu klären, bedarf keiner weiteren Ausführungen; vielmehr folgt die Kammer hier der auch von der Beklagten zitierten Rechtsprechung, wonach eine vorübergehende Trennung eines Kindes von seinen Eltern zum Zwecke der Durchführung des Visumsverfahrens regelmäßig dann nicht hinnehmbar ist, wenn das ausreisepflichtige Familienmitglied ein Kind ist und seine Betreuung im Ausland nicht gesichert ist (Bayer. VGH, Beschluss vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Rn. 29). Hinzu kommt, dass die zeitliche Dimension eines solchen Visumsverfahrens nicht absehbar ist. Dabei kann dahinstehen, welche Dauer für sich genommen das Verfahren bei der deutschen Botschaft in der Republik Moldau in Anspruch nähme. Denn § 31 AufenthV macht die Erteilung eines Visums von der Zustimmung der Beklagten abhängig. Vor dem Hintergrund ihrer bisherigen, auch in der mündlichen Verhandlung wiederholten Argumentation ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin eine Vorabzustimmung zu erteilen bereit sein könnte. Nachdem sie auf dem Standpunkt steht, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedenfalls die Nichterfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht, ist vielmehr damit zu rechnen, dass die deutsche Botschaft einen Visumsantrag bereits deshalb ablehnen wird, weil die Beklagte ihre Zustimmung zur Erteilung des Visums nicht erteilt; dies aber hätte zur Folge, dass die Klägerin den Ausgang eines vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Berlin einzuleitenden Klageverfahrens abwarten muss, bevor sie erneut nach Deutschland einreisen kann. Damit aber wäre die weitere Zukunft der Klägerin gänzlich ungewiss (vgl. dazu Bayer. VGH, Beschlüsse vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris, und vom 06.02.2012 - 19 CS 11.2613 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Rn. 31 ff.).
Ferner liegt es nahe, die Frage der Zumutbarkeit nicht losgelöst von der Frage zu sehen, wie nahe der betreffende Ausländer gegenwärtig an einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG ist. Mit anderen Worten: Je zweifelhafter ein Aufenthaltserlaubnisanspruch des Betreffenden ist, um so naheliegender und zumutbarer ist es, ihn auf die Einhaltung der Visumsvorschriften zu verweisen, um bereits vom Ausland aus die ausländerbehördliche Prüfung seines Begehrens zu ermöglichen; je mehr andererseits der Anspruch des Ausländers an einen strikten Rechtsanspruchs im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. AufenthG angenähert ist - wenn insbesondere ein strikter Rechtsanspruch allein deshalb zu verneinen ist, weil hinsichtlich einer Regelerteilungsvoraussetzung ein Ausnahmefall anzunehmen ist -, umso eher wird die Durchführung eines Visumsverfahrens als reine Förmelei und damit als unzumutbar anzusehen sein (vgl. zu diesem Aspekt VG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2015 - 11 K 5751/14 -, juris; ähnlich auch Beck-OK AuslR, Stand 02/2016, § 5 Rn. 36). Vorliegend hätte die Klägerin, wie bereits erörtert, aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalls betreffend § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, abgesehen von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, gegenwärtig einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 32 Abs. 1 AufenthG.
Bereits dieser Aspekt im Zusammenspiel mit den erwähnten, mit der Durchführung des Visumsverfahrens zusammenhängenden Belastungen der Klägerin legen die Annahme der Unzumutbarkeit nahe. Hinzu kommt jedoch ein weiterer Gesichtspunkt: Müsste die Klägerin das Bundesgebiet verlassen, um das Visumsverfahren von der Republik Moldau aus neu zu betreiben, wären die Hürden für die Klägerin im damit neu einzuleitenden Verfahren aufgrund der nunmehrigen Vollendung ihres 16. Lebensjahrs mit der Folge der Anwendbarkeit der Regelung des § 32 Abs. 2 AufenthG wesentlich höher. Eine solche wesentliche Erschwerung der Durchsetzung eines bis vor kurzem bestehenden Anspruchs stellt einen besonderen Umstand dar (vgl. zu diesem Aspekt VG München, Urteil vom 18.06.2015 - M 23 K 14/5549 -, juris). Die Klägerin befindet sich daher in einer Sondersituation, die sie deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet und die in der Gesamtschau zur Annahme der Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG führt.
2.3.4 Die Klägerin hat daher wegen der Einreise ohne das erforderliche Visum (lediglich) einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob sie von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG absieht ("hiervon kann abgesehen werden"). Eine solche Ermessensentscheidung hat die Beklagte, die nach wie vor davon ausgeht, dass einem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht, noch nicht getroffen.
Bei ihrer Ermessensentscheidung wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, dass, nachdem die legitimen Interessen der Klägerin am Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens überwiegen, kaum ermessensfehlerfrei zu begründen sein dürfte, warum der Klägerin etwas, das ihr explizit unzumutbar ist, dennoch abverlangt werden können sollte (vgl. zu diesem Aspekt auch VG Saarland, Beschluss vom 25.06.2016 - 6 L 2026/15 -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 23.05.2013 - 8 L 471/12 -, juris; GK-AufenthG, Stand 2015, § 5 Rn. 145, m.w.N.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2015 - 11 K 5751/14 -, juris, und Bayer. VGH, Beschlüsse vom 27.02.2014 - 10 CS 13.2346 -, juris, und vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris [jew. Ermessensreduzierung auf Null im dort zu entscheidenden Einzelfall]; a.A. [Entscheidung im Ermessenswege, allerdings ohne Anhaltspunkte zu nennen, worin diese Ermessenserwägungen bestehen könnten] Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., § 5 Rn. 139). Nach Auffassung der Kammer spricht jedenfalls im vorliegenden Fall alles dafür, dass das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert ist, auf die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu verzichten. [...]