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OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.01.2016 - 11 A 324/14.A - asyl.net: M24066
https://www.asyl.net/rsdb/M24066
Leitsatz:

Ablehnung eines Berufungszulassungsantrags. Für einen Homosexuellen besteht in Guinea trotz der Strafandrohung in Art. 325 des guineischen Strafgesetzbuches nicht die tatsächliche Gefahr ("real risk") einer strafrechtlichen Verfolgung.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Guinea, homosexuell, Strafbarkeit, Berufungszulassungsantrag, soziale Gruppe, geschlechtsspezifische Verfolgung, Flüchtlingseigenschaft,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3a, AsylG § 3b
Auszüge:

[...]

Bereits nach den vom Verwaltungsgericht herangezogenen und vorstehend bereits zitierten Erkenntnismitteln besteht für einen Homosexuellen trotz der Strafandrohung in Art. 325 des guineischen Strafgesetzbuches nicht die tatsächliche Gefahr ("real risk") einer strafrechtlichen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Weder das Auswärtige Amt noch amnesty international konnten positiv von Fällen einer Bestrafung wegen Homosexualität berichten. Auch der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Guinea, den der Senat den Beteiligten übermittelt hat, vermeldet nur, dass in den letzten Jahren Stimmen lauter geworden seien, welche die staatlichen Institutionen dazu aufforderten, verstärkt Maßnahmen gegen das zunehmende Auftreten von Schwulen und Lesben zu ergreifen. Obwohl strafbar, sei kein Fall der Strafverfolgung homosexuellen Verhaltens bekannt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Guinea (Stand: November 2015) vom 21. November 2015, S. 9).

Die hieran geäußerte Kritik des Klägers verfängt nicht. Gegenteilige Erkenntnisse, die positiv über eine tatsächliche Bestrafung homosexuellen Verhaltens berichten würden, werden nicht benannt. Selbst wenn konservative muslimische Stimmen ein strengeres Vorgehen fordern, belegt gerade das vom Auswärtigen Amt betonte "zunehmende Auftreten von Schwulen und Lesben" auch ein verstärkt gesellschaftlich wahrnehmbares Leben geschlechtlichen Andersseins nach außen hin, in dessen Folge eine Strafverfolgung angesichts der Präsenz von (internationalen) Menschenrechtsorganisationen in Guinea (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Guinea (Stand: November 2015) vom 21. November 2015, S. 5 und 9) hätte bekannt werden müssen.

Der weitere bereits im Zulassungsantrag vorgetragene Einwand des Klägers, es komme "nicht darauf an, dass die im Gesetz vorgesehene Strafe tatsächlich auch verhängt wird", weil es ausreiche, dass bereits das Gesetz "diskriminierend" im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG/AsylVfG a. F. ist, verfängt ebenfalls nicht. § 3a AsylVfG a. F. wurde durch das Gesetz vom 28. August 2013 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU, BGBl. I S. 3474, in das damals geltende Asylverfahrensgesetz eingefügt und entspricht wörtlich dem Art. 9 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2011/95/EU. Entgegen der Auffassung des Klägers ist daher das zu Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU ergangene und weiter oben zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 - C-199/12, C-200/12 und C-201/12 - im vorliegenden Fall sehr wohl für die Beurteilung relevant, dass nicht das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach denen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als Maßnahme betrachtet werden kann, die den Ausländer in so erheblicher Weise beeinträchtigt, dass der Grad an Schwere erreicht ist, der erforderlich ist, um diese Strafbarkeit als Verfolgung ansehen zu können.

Soweit der Kläger noch auf "die Gefahr nichtstaatlicher Verfolgung" verweist, weil er - wie bereits in erster Instanz vorgetragen - befürchtet: "Wenn ich in mein Viertel gehe, dann werden sie mich dort umbringen", wird nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass es ihm nicht möglich oder zuzumuten ist, in Guinea außerhalb "seines Viertels" seinen Aufenthalt zu nehmen, um einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG/AsylVfG a. F. zu entgehen. [...]

Das Verwaltungsgericht hat in der Gesamtschau bezogen auf die konkreten Umstände des Einzelfalles des Klägers das aus seiner Sicht Notwendige dargelegt. Es hat insbesondere auch darauf verwiesen, dass die allgemeine gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität in der Republik Guinea nicht die von § 3a AsylVfG beschriebene Schwere erreicht, so dass im Übrigen der Frage nicht weiter nachzugehen sei, ob die Voraussetzungen der durch § 3c Nr. 3 AsylVfG geregelten nichtstaatlichen Verfolgung vorlägen (vgl. Urteilsabdruck S. 10). Das Urteil lässt daher erkennen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren. Eine Pflicht, sich mit jedem Detail des klägerischen Vorbringens auseinander zu setzen, bestand nicht. Angesichts der nicht ausgeschlossenen und zumutbaren Möglichkeit einer Aufenthaltnahme außerhalb des früher vom Kläger bewohnten "Viertels" und dem auch in der Gesellschaft vorhandenen Auftreten von Homosexuellen waren weitere Erwägungen zu einer nichtstaatlichen Verfolgung im Urteil erster Instanz entbehrlich. [...]