OLG Brandenburg

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Zitieren als:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.08.2002 - 8 Wx 20/02 - asyl.net: M2424
https://www.asyl.net/rsdb/M2424
Leitsatz:

Die Vier-Wochen-Frist gem. § 14 Abs. 4 S. 3 AsylVfG beginnt mit Eingang des Asylantrages beim BAMF; die Abschiebungshaft endet in jedem Fall, wenn innerhalb der vier Wochen keine Entscheidung des BAMF an den Asylantragsteller zugestellt worden ist; die spätere Zustellung einer Ablehnung als offensichtlich unbegründet ändert daran nichts.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Sierra Leoner, Illegale Einreise, Abschiebungshaft, Asylantrag, offensichtlich unbegründet, Bundesamtsbescheid, Zustellung, Fristen, Vier-Wochen-Frist, Erledigung der Hauptsache, Haftentlassung, Sofortige weitere Beschwerde, Rechtsschutzinteresse
Normen: AuslG § 57 Abs. 2; FEVG § 10 Abs. 2
Auszüge:

 

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, §§ 27, 29 FGG, 103 Abs.2 AuslG, 3 Satz 2 FEVG, namentlich in der rechten Form und fristgerecht eingelegt. Sie bleibt auch weiterhin mit dem jetzt noch verfolgten Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft zulässig, obwohl sich der ursprüngliche Verfahrensgegenstand durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat.

Entgegen früherer Auffassung der Rechtsprechung der Fachgerichte, auch des Bundesgerichtshofes (BGHZ 139, 254) dürfen nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 - (InfAuslR 2002, 132 = FGPrax 2002, 137= DVBl 2002, 688) Beschwerden gegen die Haftanordnung nach § 57 Abs. 2 AuslG nicht (mehr) mit der Begründung als unzulässig verworfen werden, die Haftanordnung habe sich durch den Vollzug der Abschiebung, Entlassung aus der Abschiebehaft oder Ablauf der Haftdauer erledigt. Vielmehr besteht wegen des Gewichts der Eingriffe in das Grundrecht der Freiheit der Person, das den Inhaftierungen unter Berücksichtigung der mit ihnen verbundenen diskriminierenden Wirkung inne wohnt, weiterhin ein Rechtsschutzinteresse dahin, dass die Rechtswidrigkeit der Haft festgestellt werde.

Diese Rechtsgrundsätze sind sinngemäß auch auf den Fall anzuwenden, dass zwar nicht die Haftanordnung selbst angefochten ist, der Betroffene aber den zulässigen (BGHZ 73, 375, 381) Antrag gem. § 10 Abs. 2 FEVG auf Aufhebung der Haft gestellt hat, dieser zurückgewiesen worden ist und sich der Verfahrensgegenstand während des Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahrens - etwa durch Entlassung des Betroffenen nach Ablauf der Haftdauer - erledigt. Auch wenn die ursprüngliche Haftanordnung nicht angefochten ist, mithin nicht rechtswidrig war, beeinträchtigt die Fortdauer der Haft trotz eines zulässigen - und, wie in diesem Zusammenhang zu unterstellen ist, begründeten - Antrages die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, namentlich dessen Freiheitsrecht.

Auch in diesem Fall kann das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung, ob bzw. in welcher Zeit die Haft rechtswidrig war, nicht verneint werden.

Die an dem Betroffenen vollzogene Abschiebehaft war in der Zeit vom 18.03.2002 bis zu seiner Entlassung am 03.05.2002 rechtswidrig.

Das Landgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus - den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt, § 12 FGG.

Das Landgericht legt die Vorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 3 AsylVfG dahin aus, dass die Abschiebehaft nicht ende, wenn die Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, innerhalb von vier Wochen seit Eingang des Asylantrages getroffen sei. Auf die Zustellung der Entscheidung innerhalb der Frist komme es nicht an.

Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung hätte es näherer Aufklärung bedurft, ob die Entscheidung des Bundesamtes innerhalb der Frist von vier Wochen getroffen worden ist. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Betroffene seinen Asylantrag "am 01.12.2001" gemeint ist offensichtlich am 11.02.2002 - "gestellt" habe. Der Antrag sei "laut Stempel" am 18.02.2002 beim Bundesamt eingegangen. Nur wenn der Antrag tatsächlich erst am 18.02.2002 beim Bundesamt eingegangen wäre, wäre die Entscheidung vom 15.03.2002 innerhalb der Frist ergangen. Das versteht sich indes nicht von selbst. Der Eingangsstempel des Bundesamtes (Bl 16 d.A.) ist nicht abgezeichnet. Der Betroffene hat dazu geltend gemacht (Bl. 14 d.A.), er habe seinen Asylantrag vom 11.02.2002 am selben Tag einem Beamten der Abschiebehafteinrichtung übergeben, die sich auf demselben Gelände befinde, auf dem auch das Bundesamt ansässig ist. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Feststellungen bedurft, wann der Antrag wirksam beim Bundesamt eingegangen ist bzw. auf welchen Umständen die Verzögerung des Eingangs um eine volle Woche beruhte.

Das Landgericht hätte - wiederum von seinem Rechtsstandpunkt aus - außerdem prüfen müssen, ob die Abschiebungshaft noch - weiter - vollzogen werden darf, obwohl sich mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 15.03.2002 das Ziel der Abschiebung geändert hatte.

Entgegen der Auffassung des Betroffenen war damit zwar nicht der "Haftgrund" entfallen. Während indes das Amtsgericht noch davon ausgegangen war, der Betroffene könne in die Niederlande zurückgeschoben werden, war ihm nun die Abschiebung in sein Heimatland Sierra Leone angedroht. Ob die Abschiebung dorthin überhaupt innerhalb der noch verbleibenden Haftzeit würde erfolgen können, ist ebensowenig überprüft wie die Frage, ob etwa Abschiebungshindernisse, § 53 AuslG, bestehen. Zwar ist das Gericht des Freiheitsentziehungsverfahrens nicht vepflichtet, Abschiebungshindernisse zu ermitteln, wenn für solche keine Anhaltspunkte vorgetragen sind.

Das Landgericht hätte dazu aber mindestens eine Erklärung der Ausländerbehörde herbeiführen müssen, zumal diese selbst am Schluss ihrer Stellungnahme vom 17.04.2002 (Bl. 45 d.A.) angekündigt hatte, dass "die Sachlage der Haftbeendigung neu zu prüfen" sei.

Indes beruht die Auslegung des § 14 Abs.4 Satz 3 AsylVfG durch das Landgericht auf Rechtsirrtum. Nach dieser Vorschrift endet die Abschiebungshaft kraft Gesetzes u.a., wenn nicht innerhalb von vier Wochen seit Eingang des Asylantrages des Betroffenen beim Bundesamt dem Betroffenen eine Entscheidung des Bundesamtes zugestellt worden ist, durch die sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet (oder unbeachtlich) zurückgewiesen wird. Es kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf an, ob das Bundesamt (noch) innerhalb der Frist von vier Wochen entschieden hat, sondern darauf, ob dem Betroffenen innerhalb dieser Frist die Entscheidung zugestellt worden ist.

Nur dann, wenn durch die innerhalb der Frist zugestellte Entscheidung des Bundesamtes der Asylantrag als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, endet die Haft nicht mit der Zustellung der Entscheidung und auch nicht mit dem Auflauf der Frist. Ohne vorherige Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes endet jedoch die Haft "spätestens" vier Wochen nach Eingang des Asylantrages beim Bundesamt.

Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts lässt sich weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbaren.