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VG Wiesbaden

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Zitieren als:
VG Wiesbaden, Urteil vom 04.08.2016 - 6 K 288/16.WI.A - asyl.net: M24361
https://www.asyl.net/rsdb/M24361
Leitsatz:

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund der Verfolgung als politisch aktiver Musiker (Mitglied der Partei Komala) im Iran.

Schlagwörter: Iran, Kurden, Komala, Glaubwürdigkeit, Flüchtlingseigenschaft,
Normen: AsylG § 3
Auszüge:

[...]

Aus den dem Gericht zur Verfügung stehenden Quellen ergibt sich, dass Kurden im Iran verfolgt werden, wenn sie aktiv für die Loslösung der kurdischen Landesteile vom Iran und die Gründung einer kurdischen Nation eintreten. Das gilt zumal für Anhänger von pro-kurdischen Parteien wie der Demokratischen Partei iranisch-Kurdistan (DPIK), der "Partei für ein freies Leben in Kurdistan" (PJAK) und der Komala-Partei.

Der Hessische VGH hat zur Komala-Partei bereits im Beschluss vom 24. Juli 2007 (Az.: 6 UE 3108/05.A, juris Rn. 53-55) ausgeführt, dass Anhänger der Komala-Partei "unnachsichtiger staatlicher Verfolgung ausgesetzt" seien und als Beleg Exekutionen und langjährige Haftstrafen gegen Mitglieder der Partei in den Jahren 2002 und 2003 angeführt.

Auch Belege aus jüngerer Zeit bezeugen, dass das iranische Regime mit Härte gegen kurdische Separatisten vorgeht, die in Teilen ihrerseits mit Gewalt und Attentaten ihre politischen Ziele verfolgen (auch zum Folgenden: AA, Lagebericht Iran v. 9.12.2015, S. 14; Lagebericht v. 24.02.2015, S. 15; Lagebericht v. 11.02.2014, S 19 f; Österr. Botschaft Teheran, Asylländerbericht Iran, Oktober 2011, S. 14; Heinrich-Böll-Stiftung, Iran-Report 09/15, S.4f; Iran-Report 04/15, S. 3 f; Iran-Report 06/14, S. 8; amnesty intemational, Jahresbericht 2015/2016, S. 208, amnesty international, Jahresbericht 2014, S. 206; D-A-CH-Basisinformation Iran, S. 18 f; pogrom, Ausgabe 3/2010, S. 36 ff; zur Verfolgung von DPIK-Mitgliedern VG Stade, Urteil vom 19. Juni 2014 - 1 A 1646/12 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24 Juni 2013 - 22 K 2471/11.A -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 21 Juli 2011 - AN 18 K 11.30194 -, juris). Dem von Ayatollah Khomeini 1979 ausgerufenen "Heiligen Krieg" gegen die Kurden sind seit 1979 geschätzt 50.000 Menschen zum Opfer gefallen (pogrom, Ausgabe 3/2010, S. 37). In kurdischen Gebieten besteht eine starke Militärpräsenz; die kurdische Sprache wird an Schulen nicht unterrichtet, auch wenn es kurdische Medien gibt. Der Konflikt wird durch den sunnitisch-schiitischen Gegensatz zwischen Kurden und Bevölkerungsmehrheit verschärft. Für Oktober 2014 ist die Inhaftierung von 33 Sunniten, mehrheitlich Kurden, in Todestrakten iranischer Gefängnisse belegt (amnesty international, Jahresbericht 2015/2016, S. 208). Ein Zentrum kurdischer Proteste ist die Stadt Mahabad in der Provinz West-Aserbaidschan, die 1946 Hauptstadt der kurzlebigen kurdischen Republik Mahabad war. Zuletzt kam es 2015 zu Ausschreitungen in Mahabad (vgl. Spiegel-Online www.spiegel.de/politik/ausland/iran-mehrere-tote-bei-anschlag-auf-militaerparade-a-718911.html, Abruf: 02.08.2016). Es gibt Anzeichen dafür, dass angesichts der Stärkung der kurdischen Regionen im Nordirak seit dem Rückzug des IS auch die separatistischen Bemühungen der Kurden im Iran zunehmen, was wiederum die Repressionen seitens des Regimes erhöht (http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54641/kurdenkonflikt, Abruf 02.08.2016).

Kurdische Oppositionelle müssen im schlimmsten Fall damit rechnen, wegen "Kampfes gegen Gott" (Mohareb) - einem unbestimmten Straftatbestand - hart bestraft zu werden. Dazu gehört regelmäßig nach Art. 282 iStGB die Todesstrafe (Österr. Botschaft Teheran, Asylländerbericht Iran, Oktober 2011, S. 9 f; AA, Lagebericht Iran v. 9.12.2015, S 10). Bereits die Mitgliedschaft in verbotenen Organisationen wie den kurdischen Parteien zieht Strafmaßnahmen nach sich (AA, Lagebericht Iran v. 9.12.2015, S. 11). Kommt es zu Strafverfahren, ist ein fairer Prozess nicht [zu] erwarten. Die iranische Justiz erschwert den Zugang zu Strafverteidigern und eine angemessene Prozessvorbereitung; oft werden Geständnisse durch Folter oder Druck erzwungen (AA, Lagebericht Iran v. 9.12.2015, S. 18 f.). [...]