1. Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG für in Tschechien anerkannten Flüchtling wegen Gefahr der Gesundheitsgefährdung aufgrund fehlender psychologischer Behandlungsmöglichkeiten.
2. In Tschechien ist nicht nur für Asylsuchende, sondern auch für anerkannte Flüchtlinge keine adäquate Versorgung mit psychologischen Behandlungsmöglichkeiten gewährleistet.
(Leitsätze der Redaktion)
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Soweit § 31 Abs. 3 AsylG n.F. bei (allen) unzulässigen Asylanträgen die Feststellung über Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorsieht, kann die Aufhebung der Abschiebungsandrohung verlangt werden.
Denn der Antragstellerin zu 2. droht in der tschechischen Republik mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Gefahr existentieller Beeinträchtigungen von Leib und Leben und damit liegt ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die ärztliche Bescheinigung vom 3. November 2011 diagnostiziert einen lückenlosen und dauerhaften Therapiebedarf bei der Antragstellerin zu 2..
Zunächst liegt bei ihr eine schwere depressive Episode aufgrund eines Traumas vor.
Die fachärztliche Stellungnahme ist in sich schlüssig und ohne Weiteres nachvollziehbar. Sie enthält in ihrer Gesamtheit neben einer Darstellung der Krankheitsvorgeschichte auf der Grundlage der Angaben der Antragstellerin zu 2. eine Schilderung der eigenen Befunderhebung des Arztes, der insoweit zu einer eindeutigen Diagnose gelangt ist. Daneben enthält der Bericht auch aussagekräftige Ausführungen zu der derzeitigen psychiatrischen, medikamentösen und physikalischen Therapie des Klägers und dem geplanten weiteren Behandlungsverlauf. Die Diagnose stützt sich auf das Vorliegen bestimmter Kriterien bzw. Symptome, wie sie von der Antragstellerin zu 2. beschrieben und im Rahmen der Exploration und im Verlauf der Behandlung deutlich beobachtbar gewesen sind. Bei der Darstellung der Krankheitsgeschichte wird deutlich, dass bei der Antragstellerin zu 2. eine derart schwere psychologische Störung vorliegt, dass ihr ohne eine adäquate Behandlungsmöglichkeit die Gefahr droht, dass sie ernsthafte körperliche Beeinträchtigungen erfahren wird, die bei Fortgang der Erkrankung durchaus auch lebensbedrohlich sein können.
Die lückenlose, schnelle und vor allem adäquate Weiterbehandlung der Antragstellerin zu 2. ist in Tschechien nicht gewährleistet. Der Länderbericht Tschechien des ICF - die einzige Erkenntnisquelle zu dieser Thematik - stellt in Abschnitt 11c fest:
"… Es stellt jedoch ein schwerwiegendes Problem dar, dass Traumatisierung oft nicht als solche erkannt bzw. anerkannt wird. Dies liegt vor allem an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden, die Berichte von Traumatisierten zumeist trivialisieren. Es stehen nicht ausreichend Psychologinnen und Psychologen zur Verfügung, die traumatisierte Asylsuchende therapieren und betreuen können. Stattdessen verschreiben Allgemeinärzte Psychopharmaka, die Traumatisierte heilen sollen ..."
Nun könnte argumentiert werden, dass diese Feststellung nur Asylsuchende betrifft und nicht anerkannte Schutzberechtigte wie die Antragsteller. Für sie müssten andere Maßstäbe gelten. Doch dieser Ansicht ist eine Absage zu erteilen. Die aktuellen Berichte zu dem Zustand der psychologischen Behandlungen in Tschechien zeichnen auch für die Allgemeinheit ein verheerendes Bild. Längst anerkannte Methoden seien noch nicht dort durchgedrungen. Die tschechische Regierung versucht, bis 2022 das Psychologiewesen grundlegend zu reformieren (vgl. www.radio.cz/de/rubrik/nachrichten/tschechische-psychiatrie-wird-reformiert-und-erhaelt-mehr-geld vom 16. Juni 2016, abgerufen am 2. Dezember 2016).
Bei den übrigen Antragstellern liegen die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Denn über § 60 Abs. 5 AufenthG sind die Wertungen der EMRK zu beachten. Eine Abschiebung der anderen Antragsteller würde sie von der Antragstellerin zu 2. trennen und einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darstellen. [...]