VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.12.2016 - 6 A 85/15 - asyl.net: M24487
https://www.asyl.net/rsdb/M24487
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG für eine psychisch erkrankte Frau und ihr minderjähriges Kind, die der Volksgruppe der Roma angehören. Für Roma gibt es in Bosnien-Herzegowina keine Behandlungsmöglichkeiten und aufgrund fehlender Registrierung kein Zugang zu staatlicher Unterstützung.

Schlagwörter: Bosnien-Herzegowina, Roma, medizinische Versorgung, Registrierung, psychische Erkrankung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Für sie als Roma gibt es in ihrem Heimatland keine Behandlungsmöglichkeiten. Sie hätte für den Fall ihrer Rückkehr in ihre Heimat keine Chance, eine adäquate therapeutische Behandlung zu bekommen. Die Situation wäre für sie lebensbedrohlich. Insofern liegt ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vor.

Dies ergibt sich aus dem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Bosnien und Herzegowina vom 11. November 2014. Danach können Roma in verschiedenen Bereichen nicht auf ausreichende Unterstützung staatlicher Stellen hoffen. Ursache der Benachteiligung sei, dass Roma-Kinder häufig nach der Geburt nicht in die öffentlichen Register eingetragen werden. Lediglich ein Drittel der Roma verfüge über eine Krankenversicherung. Als Rückkehrer würden Roma häufig in provisorischen Siedlungen mit unzureichenden Versorgungsverhältnissen und mangelnder Hygiene leben.

Insofern ist völlig ungewiss, ob die Klägerin zu 1. in ihrem Heimatland infolge ihrer Erkrankung überleben könnte. Staatliche Unterstützung bzw. medizinische Versorgung ist für sie als zurückkehrende Roma so gut wie ausgeschlossen.

Insofern gibt es auch für ihren minderjährigen Sohn in dem Heimatland eine erhebliche Gefahr für Leib bzw. Leben. Auch er würde als Angehöriger der Roma erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt sein. Eine Versorgung für den Kläger zu 2. wäre nicht sichergestellt. Insofern droht ihm konkret in seinem Heimatland die Gefahr, unzureichend versorgt zu werden bzw. ein dahingehendes ernsthaftes Risiko. Auch der Kläger zu 2. würde deshalb alsbald in seinem Heimatland in eine aussichtslose Lage geraten. Es ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass auch er für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der extrem schwierigen Verhältnisse nicht in der Lage wäre, für sein Existenzminimum zu sorgen. [...]