Landesregierung Brandenburg: Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt
1. Ermessenslenkende Anweisungen zur Erteilung von Duldungen und Aufenthaltserlaubnissen bei Opfern von rechtsmotivierten Gewaltstraftaten von gewissem Gewicht. Auf Grundlage des § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG sollen Ausländerbehörden ausreisepflichtigen Personen, die Opfer rechter Gewalt geworden sind, Duldungen erteilen. Dringende humanitäre Gründe und erhebliche öffentliche Interessen sind in solchen Fällen regelmäßig erfüllt.
2. Da es sich um ein Ausreisehindernis aus rechtlichen Gründen handelt, können den Betroffenen darüber hinaus Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden, wenn mit der Ausreise in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist oder wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist.
3. Ausgeschlossen von der Regelung sind Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wurden, Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen haben, eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit darstellen oder die ihre "Opferrolle selbst gewählt bzw. verursacht" haben.
4. Nach § 60a Abs. 2 S. 2 AufenthG sind Abschiebungen außerdem zwingend auszusetzen, wenn Betroffene als Zeugen in einem Strafverfahren aussagen sollen.
(Zusammenfassung der Redaktion; der Erlass wird ergänzt durch Erlass Nr. 03/2017 vom 12.5.2017 - asyl.net: M26372)
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Zur Ausübung des durch § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG eröffneten Ermessensspielraums wird Folgendes angewiesen:
aa) dringende humanitäre Gründe und erhebliches öffentliches Interesse
Der Beschluss des Landtags zielt darauf ab, Opfern rechter Gewalt unabhängig von den Bedürfnissen eines Strafverfahrens ein Bleiberecht zu gewähren. Zum einen soll das Opfer einer rechtsmotivierten Gewaltstraftat eine Wiedergutmachung erfahren und es soll ihm Sicherheit und Schutz angeboten werden. Beide Aspekte stellen dringende humanitäre Gründe im Sinne von § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG dar. Darüber hinaus hat das Land Brandenburg aber auch ein erhebliches öffentliches Interesse daran, den mutmaßlichen Tätern der Gewalttat zu verdeutlichen, dass ihrem Opfer durch eine Verfestigung des Aufenthalts Gerechtigkeit widerfährt und das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Täter beabsichtigten. Sowohl die dringenden humanitären Gründe als auch das erhebliche öffentliche Interesse sind bei der Ermessensausübung nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG zu berücksichtigen.
bb) Opfer einer rechtsmotivierten Gewaltstraftat
Nach bundeseinheitlicher Definition in der polizeilichen Kriminalstatistik sind unter Gewaltstraftaten folgende Tatbestände zu verstehen: Körperverletzungen (§§ 223 ff StGB), versuchte Tötungsdelikte (§§ 22, 23, 211, 212 StGB), Brand- und Sprengstoffdelikte (§§ 306 ff StGB), Freiheitsberaubung (§§ 239 ff StGB), Raub (§§ 249 ff StGB), Erpressung (§§ 253, 254 StGB), Delikte des Landfriedensbruchs (§§ 125, 125a StGB) sowie Sexualdelikte (§§ 174 ff StGB). [...]