VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 16.01.2017 - 6 K 5635/16.TR - asyl.net: M24725
https://www.asyl.net/rsdb/M24725
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für einen Anhänger der (legalen) Oppositionspartei Müsavat wegen Bedrohung durch aserbaidschanische Sicherheitskräfte im Anschluss an Demonstrationsteilnahme.

Schlagwörter: Aserbaidschan, Musavat, Müsavat, Opposition, Demonstration, Demonstrationen, Vorverfolgung, Glaubwürdigkeit, Glaubhaftigkeit, Glaubhaftmachung,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3 Abs. 1,RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat der Kläger eine begründete Furcht vor Verfolgung zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht. Der Kläger hat aufgrund seines zahlreiche Einzelheiten enthaltenden und im Wesentlichen widerspruchsfreien Vorbringens glaubhaft gemacht, dass er an Demonstrationen der Musavat Partei teilgenommen hat und aufgrund dessen mehrmals von der Polizei festgenommen worden ist. Er hat hierbei nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, im Nachgang zur Demonstration am 21. Mai 2012 von Polizisten gefesselt, nackt ausgezogen und damit bedroht worden zu sein, ihm Waffen und Drogen unterzuschieben, sollte er noch einmal politisch aktiv werden und etwas gegen Aliyev unternehmen. Auch hat der Kläger Details zu dieser Festnahme, insbesondere die Feststellung der Polizisten, dass er nicht beschnitten sei, offenbart. Seine Teilnahme an Demonstrationen hat er durch das Vorzeigen diverser Lichtbilder untermauert, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nachvollziehbar erläutert und mit der Angabe von Details belegt hat. Dass der Kläger Umstände seiner Festnahme teilweise nicht auch gegenüber dem Bundesamt in der persönlichen Anhörung offenbart hat, führt nach Auffassung der Kammer nicht zur Wertung seines Vortrags als unglaubhaft.

Damit hat er das Gericht davon überzeugen können, dass er in Aserbaidschan vor seiner Ausreise politisch verfolgt wurde. Seine Einlassung steht auch nicht in Widerspruch zu den Angaben, die er gegenüber dem Bundesamt erstattet hat, mögen diese auch in Breite und Tiefe nicht seinen Darlegungen in der mündlichen Verhandlung entsprechen. Da der Kläger somit vorverfolgt ausgereist ist, ist dies gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2011/95/EU) ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass der Schutzsuchende tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Schutzsuchende erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Für solche Gründe ist im vorliegenden Fall über nichts ersichtlich. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Aserbaidschan vom 6. April 2016 ergibt, sich, dass Mitglieder und Sympathisanten regierungskritischer Oppositionsparteien - so auch der Musavat-Partei - im Alltag Benachteiligungen ausgesetzt sind (S. 9). Auch setzen sich oppositionelle Aktivisten überdies dem Risiko aus, aufgrund ihres politischen Engagements Nachteile einschließlich gewaltsamer Übergriffe und willkürlicher Verhaftungen zu erleiden oder ihre wirtschaftliche Existenz zu verlieren (S. 5). Die Repressionen betreffen insbesondere solche Sympathisanten, die sich öffentlich, z.B. bei nicht genehmigten Kundgebungen, zu oppositionellen Parteien oder regierungskritischen Positionen bekennen. Es wird auch dargestellt, dass die Versammlungsfreiheit zahlreichen Beschränkungen unterworfen ist. So werden z.B. Versammlungen in der Innenstadt von Baku in der Regel verboten und die Veranstalter werden auf außerhalb des Stadtzentrums liegende Plätze verwiesen, die nicht geeignet sind, eine hohe Außenwirkung zu erzielen. Sofern regierungskritische Kundgebungen unangemeldet durchgeführt werden, werden diese von der Polizei notfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgelöst (S. 10; vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 12. Januar 2015 - W 7 K 14.30075 -, juris). Dass der Kläger ein politisch denkender Mensch ist, zeigt sich zur Überzeugung des Gerichts auch darin, dass er auch in Deutschland aktiv an Demonstrationen teilnimmt. Es spricht daher vieles dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan tatsächlich Gefahr-läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. [...]