VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10.02.2017 - 8 L 2836/16 - asyl.net: M24736
https://www.asyl.net/rsdb/M24736
Leitsatz:

Die Teilnahme an einem erst nach dem 5. August 2016 begonnenen Sprachkurs zu Integrationszwecken begründet grundsätzlich weder eine Ausnahme nach § 12a Abs. 1 Satz 2 noch einen Härtefall im Sinne von § 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AufenthG.

(7. amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Wohnsitzzuweisung, anerkannte Flüchtlinge, Flüchtlingsanerkennung, international Schutzberechtigte, Rückwirkung, Rückwirkungsverbot, örtliche Zuständigkeit, Härtefallregelung, Integration, Sprachkurs, Stichtag, Wohnsitzauflage,
Normen: AufenthG § 12a,
Auszüge:

[...]

Zunächst lässt sich die von dem Antragsteller geltend gemachte Teilnahme an einem Sprachkurs zu Integrationszwecken nicht unter die Tatbestandsvoraussetzungen in § 12a Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (zur Unklarheit der Abgrenzung zwischen beiden Konstellationen siehe bereits Schlotheuber/ Röder, Integrative (?) Zwangsmaßnahme (!), Asylmagazin 11/2016, Seite 364 (371)., weshalb das Verhältnis hier offen gelassen wird) subsumieren. Ein solcher Integrations- bzw. Sprachkurs stellt – ungeachtet der Frage seiner allgemeinen Anerkennung als qualifizierte Veranstaltung zu solchen Zwecken – keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder einen entsprechenden Ausbildungs- oder Studienplatz im Gesetzessinne dar. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Kurs in einem konkreten berufs- oder studienvorbereitenden Zusammenhang stünde, weshalb sich die Frage erübrigt, in welchen Fällen die Tatbestandsvoraussetzungen auch hier – vgl. insoweit relativ weitgehend wiederum die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8615, Seite 44 f.) – vorliegen können.

Dass Sprachkurse unter die genannte Norm zu subsumieren wären, lässt sich aus der Gesetzesbegründung sowie dem Gesetzeszweck nicht entnehmen. Danach sind bestimmte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen mit einem Mindestumfang von 15 Stunden und einem Einkommen in Höhe des durchschnittlichen Bedarfs einer Einzelperson (nach dem Gesetzgeber aktuell auf 712,- Euro beziffert, vgl. BT-Drs. 18/8615, Seite 44) von der Verpflichtung kraft Gesetzes ausgenommen (§ 12a Abs. 1 Satz 2 AufenthG) oder ihnen ist eine Ausnahme zu erteilen (§ 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), weil hierdurch in Gestalt der Erwerbstätigkeit eine wesentliche Integrationsvoraussetzung unabhängig vom Wohnort belegt wird. Vergleichbares gilt mit gewissen Abstrichen auch für Ausbildungs- und Studienplätze bzw. gegebenenfalls auch vorbereitende Kurse hierzu. Sämtlichen dieser Fälle ist gemein, dass prognostisch in Zukunft eine Integration in die hiesigen Lebens- und Gesellschaftsverhältnisse erwartet werden kann, weil erste gewichtige Bestandteile dessen bereits angestrebt werden bzw. gegebenenfalls sogar schon vorliegen. Infolge dessen sollen beispielsweise bloße Minijobs sowie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse hiervon nicht erfasst werden (siehe abermals BT-Drs. 18/8615, Seite 44 unten), weil diese nicht dieselbe Erwartungshaltung zu begründen vermögen. Die Überwindung der Sprachbarriere durch Aufnahme eines Sprachkurses stellt diesbezüglich zwar ebenfalls einen ersten gewichtigen Schritt dar, gewährleistet jedoch nicht in gleicher Weise und mit gleicher Wahrscheinlichkeit eine erfolgreiche Integration. Denn zu einer solchen zählt mehr als die Möglichkeit der Verständigung in der Landessprache, darunter vor allem das Einfügen in die Verhältnisse bei der Lebensführung, namentlich in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und gesellschaftliche Partizipation. [...]