VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2016 - 17 K 3923/16.A - asyl.net: M24798
https://www.asyl.net/rsdb/M24798
Leitsatz:

Ablehnung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots wegen als hinreichend angenommener Versorgung von Darmkrebs in Albanien.

 

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Albanien, medizinische Versorgung, Krankheit, Krebserkrankung, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

bb. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Berichte des …-Hospitals in … vom ... 2016, ... 2016, ... 2016, ... 2016, ... 2016, ... 2016, ... 2016 und ... 2016 wurde bei der Klägerin zu 2) im April 2016 eine Darmkrebserkrankung mit Metastasenbildung in der Leber diagnostiziert. Daraufhin wurden der im Dickdarm befindliche Tumor sowie die in der Leber vorhandenen Metastasen operativ entfernt und nachfolgend eine Chemotherapie durchgeführt, die am 4. November 2016 abgeschlossen wurde. Im ärztlichen Abschlussbericht vom 4. November 2016 wird hierzu im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Tumorformel bestehe ein sehr hohes Risiko eines Rezidivs. Zum Zwecke der Tumornachsorge wird eine Wiedervorstellung der Klägerin zu 2) im Mai 2017 empfohlen.

Hiervon ausgehend droht der Klägerin zu 2) bei einer Rückkehr nach Albanien indes keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben in Gestalt einer wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Krebserkrankungen wie die bei der Klägerin zu 2) aufgetretene Darmkrebserkrankung sind in Albanien grundsätzlich behandelbar. Etwas Abweichendes ist hierzu nicht vorgetragen. Entsprechendes ist nach der derzeitigen Auskunftslage mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse auch nicht ersichtlich (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2016 – 17 L 654/16.A –, juris Rn. 22).

Eine medizinische und therapeutische Versorgung ist allgemein in Albanien gewährleistet und auch zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken kann grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 16. August 2016 (Stand: Mai 2016), S. 13 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 21. März 2014 und vom 29. März 2013 – zu Frage 22 und vom 1. Juni 2012; siehe bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –, juris Rn. 52; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2016 – 17 L 654/16.A –, juris Rn. 23).

Insbesondere sind Personen, die an Krebs erkrankt sind, über die staatliche Krankenversicherung abgedeckt und zwar ohne eine jährliche Versicherungsprämie zahlen zu müssen (vgl. Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2016 – 17 L 654/16.A –, juris Rn. 25).

Auch gibt es spezielle Krankenhäuser in denen sich Krebspatienten behandeln lassen können. Eine bei der Klägerin zu 2) möglicherweise zukünftig erforderlich werdende weitere Chemotherapie kann grundsätzlich zumindest in Tirana durchgeführt werden. Um Zugang zu der dortigen Abteilung für Onkologie zu erhalten, werden ein Gesundheitsbuch sowie eine Überweisung des Hausarztes benötigt. Das Gesundheitsbuch kann auch von Arbeitslosen, die keine Beiträge zur Krankenversicherung zahlen beantragt werden (vgl. zum Ganzen IOM vom 4. September 2014 – ZC145, aufgerufen am 8. Dezember 2016, www.bamf.de/SharedDocs/MILo- DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Rueckkehrfragen/MedVer/2014/20140904_himarequiparo-albanien-medvers_dl.pdf?__blob=publicationFile; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2016 – 17 L 654/16.A –, juris Rn. 27).

Ist die Behandelbarkeit der Erkrankung sowie die Möglichkeit der Durchführung einer weiteren Chemotherapie in Albanien damit gewährleistet und ist diese auch grundsätzlich für die Klägerin zu 2) zugänglich, kann folglich offen bleiben, ob sich der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2) "alsbald" im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nach ihrer Rückkehr in das Heimatland wesentlich verschlechtern würde.

Sollte die Klägerin zu 2) die zu ihrer weiteren Behandlung eventuell erforderlichen finanziellen Mittel nicht aufbringen können – etwa weil von der grundsätzlich kostenlosen Leistung der Krankenversicherung bestimmte spezielle Medikamente nicht erfasst wären -, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, da ihr die daraus resultierende Beeinträchtigung nicht individuell drohte und ihr die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt bliebe. Denn sie wäre diesbezüglich einer Gefahr ausgesetzt, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gar gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte (vgl. zur Gruppe, die aus finanziellen Gründen beschränkten Zugang zu einer Heilbehandlung hat BVerwG, Beschluss vom 29. April 2002 – 1 B 59.02 –, juris Rn. 8 m.w.N. (zu § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG); VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2016 – 17 L 654/16.A –, juris Rn. 31; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –, juris Rn. 64). [...]