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VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 16.12.2016 - 21 A 647/12 - asyl.net: M24857
https://www.asyl.net/rsdb/M24857
Leitsatz:

1. Der Umstand, dass eine Krankheit grundsätzlich in Mazedonien behandelbar ist, reicht für sich genommen nicht aus, um das Vorliegen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes zu verneinen. Es kommt zudem darauf an, ob die erforderlichen Behandlungen unverzüglich nach Rückkehr verfügbar sind und ob den Betroffenen andernfalls eine erhebliche Gesundheitsgefährdung droht.

2. Für eine Gesundheitsversorgung im Falle von Mittellosigkeit müssen Betroffene in Mazedonien zunächst den Status als Sozialhilfeempfänger erhalten. Dies kann allerdings ein Jahr dauern, da nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.12.2016 die mazedonischen Sozialgesetze eine Streichung der Sozialleistungen für die Dauer von einem Jahr vorsehen, wenn die jeweiligen Sozialhilfeempfänger sich nicht monatlich bei den Sozialbehörden melden.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Mazedonien, psychische Erkrankung, medizinische Versorgung, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Sozialhilfe,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Zwar sind die Krankheiten, an denen der Kläger leidet, grundsätzlich in Mazedonien behandelbar und in der Vergangenheit, wie die von seiner Mutter vorgelegten Unterlagen belegen, auch behandelt worden. Dem Kläger könnten zudem die erforderlichen Medikamente jedenfalls für einen Übergangszeitraum bei einer Abschiebung in sein Heimatland mitgegeben werden. Jedoch ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht sichergestellt, dass der Kläger die ihm verordnete Verhaltens- und Ergotherapie, die gegenwärtig durchgeführt wird, in Mazedonien unverzüglich nach seiner Rückkehr erhalten könnte und drohen ihm deshalb angesichts der Schwere der Grunderkrankung kurz nach einer Rückkehr signifikanten Rückschritte und erneute schwere Angstzustände.

Zwar gibt es nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.12.2016 in Mazedonien ein öffentliches Gesundheitswesen, das jedem registrierten Bürger zur Verfügung steht und können nach der eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9.8.2016 hebephrene Schizophrenie wie auch posttraumatische Belastungsstörung und Paraplastik im Mazedonien routinemäßig behandelt werden. Auch wäre der Kläger nach dieser Auskunft, falls er den Status eines Sozialhilfeempfängers erhält, für eine ambulante Verhaltenstherapie wie auch bei einem stationären Aufenthalt von Zuzahlungen befreit.

Entscheidend ist jedoch, dass es nicht ausreichend ist, wenn der Kläger irgendwann einmal nach seiner Rückkehr nach Mazedonien die gegenwärtig zwingend erforderliche Verhaltenstherapie sowie die Ergotherapie fortsetzen kann, sondern muss aufgrund der Schwere der Grunderkrankung sichergestellt sein, dass er diese unverzüglich nach seiner Rückkehr auch tatsächlich erhalten würde. Denn nach der glaubhaften Darstellung seiner Therapeuten brächen andernfalls die erreichten Erfolge in Richtung auf eine eigenständige Handlungsfähigkeit in sich zusammen und flammten Trauma bedingte Angstzustände wieder auf.

Eine Fortsetzung ohne längerfristige Unterbrechung ist jedoch gerade nicht sichergestellt. Denn der Kläger müsste zunächst Krankenversicherungsschutz erlangen und aufgrund seiner Mittellosigkeit den Status als Sozialhilfeempfänger erhalten, da er nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes nur dann von Zuzahlungen befreit wäre. Dies könnte jedoch ein Jahr dauern. Denn nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.12.2016 sehen die mazedonischen Sozialgesetze eine Streichung der Sozialleistung für die Dauer von einem Jahr vor, wenn der Sozialhilfeempfänger sich nicht monatlich bei den Sozialbehörden meldet. Dieses betrifft den Kläger, da er seit 2012 in der Bundesrepublik lebt und damit länger als einen Monat dieser Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Die bis dahin erforderlichen Zuzahlungen könnten jedoch weder der Kläger noch seine Eltern tragen. [...]