Innenministerium Niedersachsen – Titelerteilungssperre trotz Abschiebungsverbot bei laufendem Asylverfahren:
Die Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 1 AufenthG greift auch in Fällen, in denen das BAMF ein Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG) festgestellt hat, das Verfahren aber zur Erreichung eines besseren Schutzstatus vor Gericht fortgeführt wird. Ein "gesetzlicher Anspruch" auf Erteilung des Titels, der die Sperre ausschließt, besteht nicht, da § 25 Abs. 3 AufenthG, der die Erteilung des Titels vorsieht, lediglich eine "Sollregelung" ist. (Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 – 1 C 31.14 – asyl.net: M23517, Asylmagazin 6/2016.)
(Zusammenfassung der Redaktion)
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Die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG greift auch in den Fällen, in denen das Asylverfahren zur (bestandskräftigen) Anerkennung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG geführt hat, das Verfahren im Übrigen aber aufgrund eingelegter Rechtsmittel, z.B. wegen der Nichtanerkennung subsidiären Schutzes, fortgeführt wird.
Die Sperre wirkt für die gesamte Dauer des gerichtlichen Verfahrens, also bis zu dem Zeitpunkt, in dem das vollständige Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, fort. (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.12.2015, 1 C 31.14).
Ein gesetzlicher Anspruch auf einen Aufenthaltstitel, der gem. § 10 Abs. 1 AufenthG die Erteilung eines Aufenthaltstitels schon vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ermöglichen würde, besteht in Fällen des § 25 Abs. 3 AufenthG nicht.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG muss ein strikter Rechtsanspruch sein, der sich unmittelbar und abschließend aus dem Gesetz ergibt. Ein Anspruch aufgrund einer Soll-Regelung – hier § 25 Abs. 3 AufenthG – genügt auch dann nicht, wenn kein atypischer Fall vorliegt. (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2015, 1 C 31.14).
Die unter § 10 Abs. 1 AufenthG geregelte Ausnahme von einem Erteilungsverbot während eines noch laufenden Asylverfahrens bleibt hiervon unberührt.
Die vor dem Inkrafttreten des "Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU" vom 28.08.2013 angewandte Praxis, auch in Fällen des - alten - § 25 Abs. 3 AufenthG bei Vorliegen europarechtlicher Abschiebungsverbote, die einen subsidiären Schutzanspruch nach Art. 15 der Qualifikationsrichtlinie (QualfRL) auslösten, bereits vor Abschluss des Asylverfahrens einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG - alt - zu erteilen, ist nicht zu beanstanden, da bei richtlinienkonformer Auslegung im Hinblick auf Art. 24 Abs. 2 der QualfRL - vorbehaltlich des Nichtvorliegens von Ausschluss- und Versagungsgründen - ein Anspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestand (vgl. auch Ziff. 25.3.2 AVV-AufenthG).
Mit dem "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU" wurde mit Wirkung vom 01.12.2013 ein eigenständiger Status in Bezug auf die europarechtlichen subsidiären Schutztatbestände geschaffen und eine klare Trennung vom subsidiären Schutz (§ 25 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. AufenthG) zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 25 Abs. 3 AufenthG) vorgenommen. Auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 2 AufenthG besteht ein gesetzlicher Anspruch, so dass in diesen Fällen bei Vorliegen der Voraussetzungen die Titelerteilungssperre weiterhin nicht greift. [...]