Subsidiärer Schutz für einen Mann aus Afghanistan wegen drohender Todesstrafe, nachdem ihm - anscheinend wegen eines Streits mit einem Imam - vorgeworfen wurde, einen Koran verbrannt zu haben. Keine inländische Fluchtalternative, da Imame landesweit in gewisser Verbindung stehen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
2. Der Kläger kann nach Auffassung des Gerichts jedoch subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG beanspruchen [...]
a) Der Kläger hat sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 13. März 2017 sehr ausführlich und detailliert geschildert, dass ihn der Imam beschuldigt habe, einen Koran in der Moschee verbrannt zu haben.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger insoweit bei einer Rückkehr nach Afghanistan seine Unschuld beweisen könnte, da letztendlich Aussage gegen Aussage stünde und anzunehmen ist, dass derjenigen des Imam weitaus größeres Gewicht beigemessen würde, zumal die Flucht den Kläger schuldig erscheinen lässt. Erschwerend käme hinzu, dass der Imam, wie der Kläger glaubhaft schilderte, diesem vorgeworfen hatte, zum Hinduismus konvertiert zu sein. Der Kläger hatte zudem den Islam, so wie er von diesem Imam vertreten wurde, in mehreren Diskussionen hinsichtlich verschiedener Aspekte dieser Religion ernsthaft in Frage gestellt, so dass das Verhältnis zum Imam sehr angespannt war. [...]
Nach alledem ist überwiegend bzw. beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen der Verbrennung des Korans, die nach islamischen Rechtsvorstellungen eine schwere Sünde darstellt, belangt würde. Bei Blasphemie, Apostasie u.ä. Vergehen droht jedoch unter dem zunehmenden Einfluss der Scharia die Todesstrafe (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts v. 19.10.2016, S. 20).
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid ist das Gericht auch davon überzeugt, dass dem Kläger insoweit keine inländische Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG) zur Verfügung steht. [...]
bb) Zwar wäre es dem Kläger möglich und zumutbar, sich in einer Großstadt, wie z.B. Kabul, niederzulassen. Als junger, arbeitsfähiger und gesunder Mann wäre er dort selbst ohne nennenswertes Vermögen und familiäre Unterstützung in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 25.1.2017 - 12a ZB 16.30374 - juris Rn. 12).
Es ist jedoch mehr als wahrscheinlich, dass die Imame des Landes untereinander in gewisser Verbindung stehen und zumindest in Fällen, in denen - wie hier - gravierende Verstöße gegen das islamische Recht bzw. die islamischen Wertevorstellungen im Raum stehen, der Name des Betreffenden ausgetauscht oder sogar publik gemacht wird. Ebenso ist nicht nur nachvollziehbar, sondern beachtlich wahrscheinlich, dass der Imam oder der Onkel des Klägers, mit denen dieser bereits im Vorfeld Schwierigkeiten hatte, die Verbrennung des Korans und den (vermeintlichen) Verursacher an die entsprechenden (religiösen) Instanzen in Kabul, die für ganz Afghanistan zuständig sind, gemeldet hat, so dass für den Kläger auch in Großstädten trotz der dortigen gewissen Anonymität die erhebliche Gefahr der Entdeckung und Anklage einschließlich Verurteilung besteht. [...]