VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 27.01.2017 - A 2 K 2571/16 (ASYLMAGAZIN 5/2017, S. 196) - asyl.net: M24930
https://www.asyl.net/rsdb/M24930
Leitsatz:

Zuerkennung von subsidiärem Schutz wegen drohender Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK für eine Familie aus Afghanistan, der vom BAMF lediglich ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zugesprochen worden war, obwohl die Art. 3 EMRK Verletzung bejaht wurde.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Afghanistan, subsidiärer Schutz, unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung, Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, AsylG § 4, EMRK Art. 3
Auszüge:

[...]

1. Den Klägern droht im Fall ihrer Rückführung nach Afghanistan derzeit eine erniedrigende Behandlung. Dies wurde im streitgegenständlichen Bescheid vom 17.11.2015 bereits festgestellt.

Zum Verhältnis von § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK zu der aufgrund des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.8.2007 praktisch wortgleichen Bestimmung des § 60 Abs. 2 2. Alt. AufenthG alte Fassung ging die Rechtsprechung davon aus, dass Art. 3 EMRK auch im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG zu prüfen war, da nach der Rechtsprechung des BVerwG die Unionsrecht umsetzende Regelung des § 60 Abs. 2 AufenthG alte Fassung nicht als insoweit vorrangige und in Bezug auf Abschiebungsverbote aus Art. 3 EMRK speziellere Schutznorm die Anwendung des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK verdrängt hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.7.2013 - A 11 S 697/13 -, Juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dies gilt nunmehr auch hinsichtlich der durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie Neufassung - QRL-NF) v. 28.8.2013 (BGBl. I S. 3747), die mit Wirkung zum 1.12.2013 neugefassten Regelung des § 4 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG über den subsidiären Schutz und die ebenfalls neugefasste Regelung in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die das bisher in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelte zwingende Abschiebungsverbot ersetzen, wenn im Herkunftsstaat bzw. im Zielstaat der Abschiebung für den Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (vgl. Armbruster, HTK-AuslR / § 60 AufenthG zu Abs. 5).

Damit erfüllen die Kläger die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG bereits wegen der entsprechenden Feststellung in der Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids. Dieser nimmt zutreffend eine drohende Gefahr einer erniedrigenden Behandlung wegen der derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan an. Mangels Geldmitteln, Erwerbsaussichten und familiärer Unterstützung sei für die Kläger bei Rückkehr von einer zugespitzten existentiellen Gefahrenlage auszugehen. [...]