Subsidiärer Schutz für Wehrdienstpflichtige in Russland wegen menschenunwürdiger Praxis der Dedowschtschina:
1. Wegen des Personalmangels der russischen Streitkräfte werden etwa seit 2014 auch wieder Wehrdienstpflichtige aus dem Nordkaukasus eingezogen, die zuvor aus Sicherheitsbedenken und anderen Gründen nicht rekrutiert wurden.
2. Während des Wehrdienstes besteht die konkrete Gefahr, Opfer schwerer Misshandlungen durch dienstältere Rekruten oder Vorgesetzte (Praxis der sog. Dedowtschina) zu werden. Diese Misshandlungen erfüllen die Merkmale der Folter bzw. der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 AsylG.
3. Die Möglichkeit der Wehrdienstentziehung besteht nur im Hinblick auf bestimmte Verweigerungsgründe (z.B. religiöse Gründe, Gewissens- und Überzeugungsgründe). Diese müssen schriftlich geltend gemacht und persönlich vertreten werden.
(Leitsätze der Redaktion; siehe aber die neuere Entscheidung des BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 (1 A 4.17) - asyl.net: M25285, Rn. 110)
[...]
2. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (Art. 15 Buchst, b RL 2011/95/EU) liegen beim Kläger vor.
Es besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger es nach einer Wiedereinreise in die Russische Föderation zum Wehrdienst eingezogen und im Wehrdienst dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
a. Unmenschlich im Sinne von Art. 3 EMRK ist eine Behandlung, die absichtlich ausgeübt wird, ohne Unterbrechung mehrere Stunden dauerhaft angewendet wird und dabei entweder eine Körperverletzung oder zumindest intensives psychisches oder physisches Leid verursacht, ohne aber bereits den Grad der Folter zu erreichen (vgl. Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 3, Rn. 5, 8; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 20, 22 f.). Unter einer erniedrigenden Behandlung ist nach Maßgabe von Art. 3 EMRK ist eine Behandlung zu verstehen, wenn sie eine Person, ihre Menschenwürde missachtend oder schmälernd, demütigt oder herabsetzt und so beim Opfer Gefühle von Angst, Beklemmung oder Minderwertigkeit auslöst, die dazu geeignet sind, einen psychischen oder physischen Widerstand des Opfers zu brechen. Dabei reicht es aus, dass das Opfer die Demütigung selbst empfindet, ohne dass sie nach außen auch in Erscheinung tritt. Auch wenn die Frage, ob der Zweck der Behandlung die Demütigung oder Herabsetzung der Person war, ein zu berücksichtigender Faktor ist, kann wegen des Fehlens eines solchen Zwecks nicht bereits eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausgeschlossen werden (vgl. EGMR Urt. v. 21.01.2011 - M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 -, Rdnr. 220).
b. Es liegen stichhaltige Gründe dafür vor, dass der Kläger bei einer Einziehung zum Wehrdienst durch das dort praktizierte System der sog. Dedowschtschina, d.h. der systematischen Misshandlungen und Erniedrigung von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
(1) In der Russischen Föderation besteht die allgemeine Wehrpflicht für Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht 2016, S. 14). Der am 26.05.1992 geborene unterliegt damit noch mehrere Jahre der Wehrpflicht. Für den Kläger besteht auch die reale Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden.
Die allgemeine Wehrpflicht besteht in der gesamten Russischen Föderation. Allerdings wurden in zurückliegenden Jahren junge Männer aus dem Nordkaukasus, insbesondere aus Tschetschenien, über längere Zeit praktisch nicht mehr zum Wehrdienst eingezogen (vgl. Auswärtiges Amt/Deutsche Botschaft Moskau, Auskünfte v. 16.06.2009 und 10.07.2009 an BAMF; Malek, Wien, Gutachten v. 02.02.2015 für VG Berlin, S. 19). Etwa seit dem Jahr 2013 ist die Einberufung von Männern auch im Nordkaukasus aber wieder aufgenommen worden. Nach dem Gericht vorliegenden Berichten ist zum Beispiel im April 2014 in Tschetschenien damit begonnen worden, Verwaltungsstrukturen für die organisatorische Durchführung der Einberufung einzurichten. Als ein Grund dafür wird die hohe Zahl an aus gesundheitlichen Gründen Nichtverwendungsfähigen und an Wehrdienstentziehern genannt (vgl. ACCORD [Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation], Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Strafen bei Wehrdienstverweigerung etc., v. 12.11.2014). Über Jahre hinweg sollen so nur etwa nur etwa 1/3 der Wehrpflichtigen auch tatsächlich Wehrdienst geleistet haben (vgl. Connection e.V., Kriegsdienstverweigerung in Russland, 05.11.2014). Im Zusammenwirken mit der demografischen Entwicklung in der Russischen Föderation, die bis 2023 deutlich weniger Wehrpflichtige erwarten lasse, habe dies zu erheblichen Personalproblemen in den Streitkräften geführt, denen mit einer Erhöhung der Einberufungsquote und auch durch den Rückgriff auf Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus begegnet werden solle. Die Personalnot bei den Streitkräften habe Sicherheitsbedenken gegenüber Rekruten aus dem Kaukasus zurücktreten lassen (vgl. Klein/Pester, Russlands Streitkräfte: Auf Modernisierungskurs, in: SWP-Aktuell Dezember 2013, S. 4; Pester, Russlands Militärreform: Herausforderung Personal, in: SWP-Studie November 2013, S. 24, 26). Malek (a.a.O., S. 19) berichtet von Razzien, bei denen alle Männer im wehrpflichtigen Alter darauf überprüft würden, ob sie sich illegal den Wehrdienst entzögen und die dann ggf. sofort den Einberufungskommissionen zugeführt würden. Auch das Auswärtige Amt berichtet, dass im Jahr 2014 erstmalig seit 1991 wieder junge Männer aus Dagestan (ca. 2000) und Tschetschenien (ca. 500) einberufen worden seien (Auskunft an VG Bremen v. 17.11.2015). Malek (a.a.O., S. 20) berichtet von weiteren 1.500 Rekruten aus Nordossetien. Nach dem Gericht vorliegenden Informationsquellen hat es sich bei den erstmals wieder im Jahr 2014 in Tschetschenien eingezogenen 500 Rekruten überwiegend um gut ausgebildete Freiwillige gehandelt (vgl. ACCORD, a.a.O.; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Länderinformationsblatt Russ. Föderation, 13.04. 2015, S. 35).
Angesichts der zunehmenden Personalengpässe in den russischen Streitkräften und der oben dargestellten aktuellen Einberufungspraxis wird der Kläger bei Rückkehr in einen verfolgungsfreien Teil der Russischen Föderation mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Einberufung rechnen müssen. Der Kläger ist gesund und im wehrfähigen Alter. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gründen für eine Befreiung vom Wehrdienst oder Ausschlussgründen (dazu: Malek, a.a.O., S. 12ff.; Institut für Ostrecht, Rechtsgutachten für Bay. VGH v. 27.08.2013, S. 4f. ) sind beim Kläger nicht ersichtlich. Angesichts des langjährigen Deutschlandaufenthalts ist auch nicht zu erwarten, dass Sicherheitsbedenken gegen eine Einziehung des - vor seiner Ausreise im Übrigen "politisch unverdächtigen" - Klägers bestehen werden.
(2) Bei einer Einziehung zum Wehrdienst wird der Kläger aufgrund des in den Streitkräften weiterhin weitverbreiteten Systems der Dedowschtschina mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten haben.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe/U. Rybi beschreibt die Dedowschtschina ("Herrschaft der Großväter") als ein ausgeprägtes System sozialer Kontrolle innerhalb der russischen Armee. Junge Rekruten würden unter massiver Anwendung von Gewalt, durch Erpressungen, Prügel, Vergewaltigung, in einer Art gefügig gemacht, die oft Folter oder unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung gleichkomme. Die Täter seien dabei meist ältere Rekruten und auch Vorgesetzte. Eine Kontaktperson bei NGO "Memorial" schätze, dass jährlich Hunderte körperliche Behinderungen und Tausende psychische Schäden davontrügen, sowie Dutzende Selbstmorde, Morde oder andere Todesfälle verursacht würden. Hunderte flöhen aus der Armee und würden juristisch verfolgt, anstatt geschützt zu werden. Diese quantitativen Schätzungen würden von Human Rights Watch in einem umfassenden Report zur Dedowschtschina 2004 geteilt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe – Tschetschenien Rückkehr von russischen Staatsbürgern und Wehrdienstpflicht, Bern, 11.08.2009, S. 6). Auch das Auswärtige Amt weist in seinem Lagebericht 2010 darauf hin, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Im Zeitraum vom Juli 2008 bis Dezember 2009 habe keine grundlegende Verbesserung in den Streitkräften und paramilitärischen Organisationen verzeichnet werden können. Es komme nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten (Wehrpflichtigen, aber auch Zeitsoldaten/"Kontraktnikis") durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige ("Dedowschtschina"). Die mangelnde Attraktivität des Dienstes in den Sicherheitskräften habe besonders bei Soldaten auf Zeit auch zur Anstellung von Personen, die mit Gewaltanwendung, Erpressung etc. vertraut seien, geführt. Der durch die Verkürzung der Wehrdienstzeit auf zwölf Monate erhoffte positive Effekt auf die Menschenrechtslage (d.h. Abbau von Frustration durch kürzere Dienstzeit und Abbau interner Machtstrukturen unter den Wehrpflichtigen; dadurch insgesamt Eindämmung der Gewalttaten) habe sich nicht deutlich bemerkbar gemacht. Ohne qualifizierte Dienstaufsicht erpressten dienstältere Soldaten weiterhin Geld, Wertsachen und Lebensmittel oder schikanierten und quälten junge Wehrpflichtige. Einzelne Vorfälle zeigten, dass sich die Probleme der Menschenrechtsverletzungen durch alle Dienstränge zögen. Eine Gesamtzahl von Todesfällen in den Streitkräften werde nicht veröffentlicht. Das Verteidigungsministerium gebe aber die Zahl der Personen an, die ihr Leben durch "besondere Ereignisse" (Unfälle, Selbstmord, usw.) außerhalb von Kampfhandlungen verloren hätten. Danach sollen 2008 471 Soldaten verstorben sein. Besonders die offizielle Zahl von 231 Selbsttötungen und 24 (Vorjahr: 15) Todesfällen in Folge von Kameradenschinderei blieben besorgniserregend. Für 2009 (Jan. – Sept.) seien 273 Todesfälle (davon 137 Selbsttötungen und 4 Tode durch Dedowschtschina – die Ausbeutung und Erniedrigung dienstjüngerer durch dienstältere Soldaten) offiziell gemeldet worden. Die Dunkelziffer sei höher. Es sei unverändert schwer einzuschätzen, ob die offiziellen Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den bewaffneten Organen der Russischen Föderation vollständig und wahr seien. Zwar nähmen die Veröffentlichungen zu diesem Thema zu, aber es lägen weiterhin keine verlässlichen, umfassenden Zahlen über die tatsächlichen Verhältnisse vor. Das "Komitee der Soldatenmütter" beklage regelmäßig, dass es in Wirklichkeit viel mehr Menschenrechtsverletzungen gebe, als offiziell verlautbart worden sei (vgl. Lagebericht 2010 (S. 16).
Nach den dem Gericht vorliegenden aktuellen Erkenntnisquellen lässt sich nicht feststellen, dass sich seither eine wesentliche Verbesserung der Bedingungen für Wehrdienstleistende eingestellt hätte. Im Jahr 2014 berichtete das Auswärtige Amt, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Es sei davon auszugehen, dass es weiter zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte und ältere Wehrpflichtige komme. Zwar seien im Zeitraum 2007 – 2012 Reformbemühungen eingeleitet worden. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nehme die Zahl der Misshandlungen seit zwei Jahren aber wieder zu (vgl. Auskunft an VG Berlin 11.12.2014). Das Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl berichtet im Jahr 2015 in vergleichbarer Weise über Missstände in den russischen Streitkräften: Es komme nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums seien in den Streitkräften jedes Jahr mehrere Dutzend Todesopfer und mehrere tausend Verletze aufgrund von Misshandlungen zu beklagen. Hinzu komme eine hohe Anzahl von Selbstmorden unter den Rekruten, die auf Misshandlungen zurückzuführen seien. Laut Äußerungen des Komitees der Soldatenmütter seien die Misshandlungsfälle im Jahr 2013 wieder gestiegen (vgl. Länderinformationsblatt Russ. Föderation, 13.04. 2015; S. 33). Das Auswärtige Amt kommt in seinem Lagebericht 2016 zu einer nur geringfügig günstigeren Einschätzung der Menschenrechtssituation in den Streitkräften. Die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur "Humanisierung" und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes seien im Berichtszeitraum zwar weiter umgesetzt worden. Diese Maßnahmen umfassten u.a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone seien ebenfalls eingeführt worden. Im Berichtszeitraum habe es keine offiziellen Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation gegeben. Die NGOs "Komitee der Soldatenmütter" und "Armee.Bürger.Recht" hätten jedoch von Soldaten berichtet, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die NGOs gewendet hätten. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Es sei zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige komme, jedoch nicht mehr in dem Ausmaß der Vergangenheit. Die Bildung einer Militärpolizeibehörde, die vor allem die "Dedowschtschina", aber auch Diebstahlsdelikte in den Streitkräften bekämpfen solle, sei noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine Gesamtzahl von Todesfällen in den russischen Streitkräften werde nicht veröffentlicht und mit einem Dekret des Präsidenten vom Mai 2015 sei die Zahl der in Friedenszeitengetöteten Angehörigen des Verteidigungsministeriums zum Staatsgeheimnis gemacht worden (vgl. Lagebericht Russische Föderation, Stand Januar 2016, S. 14).
Angesichts der anhaltend weiten Verbreitung der Dedowschtschina in den Streitkräften und der damit einhergehenden weiterhin hohen Zahl an zu Tode gekommenen oder verletzten jungen Soldaten besteht für den Kläger die reale Gefahr, dass er als Wehrdienstleistender selbst Opfer schwerster Übergriffe werden würde. Zwar kommt Malek (a.a.O., S. 21f) nach Auswertung näher bezeichneter inoffizieller russischer Quellen zu der Einschätzung, dass die Dedowschtschina in den Truppenteilen unterschiedlich stark verbreitet ist. In Einheiten, in denen überwiegend Berufssoldaten dienten, die mit der Bedienung komplexer Technik befasst seien, komme die Dedowschtschina so gut wie nicht vor. Je größer jedoch in Truppenteilen der Anteil eher anspruchsloser oder sinnloser Tätigkeiten sei, die von Wehrpflichtigen ausgeführt würden, desto höher sei in diesen Einheiten das Gewaltpotential. Nachdem der Kläger zwar einen mittleren russischen Schulabschluss besitzt, aber in Deutschland eine Berufsausbildung noch nicht aufgenommen hat und lediglich als Produktionshelfer tätig gewesen ist, ist es naheliegend, dass der Kläger in Truppenteilen seinen Wehrdienst absolvieren müsste, in denen ein eher höheres Risiko bestehen wird, der Dedowschtschina ausgesetzt zu sein.
(3) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich – auf legalem Wege – dem Wehrdienst entziehen könnte.
Der Kläger zählt nicht zu dem Personenkreis, der sich von der Wehrpflicht zurückstellen oder befreien lassen könnte (s.o.).
Der Kläger kann insoweit auch nicht auf die Möglichkeit einer Wehrdienstverweigerung verwiesen werden. Zwar steht jedem russischen Bürger seit dem Jahr 2012 nach dem Gesetz das Recht zu, den Wehrdienst durch einen Ersatzdienst abzugelten. Der Ersatzdienst hat eine Dauer von 21 Monaten. Erforderlich ist eine vorherige persönliche Antragstellung bei Militärmeldestelle (vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte an VG Bremen v. 17.11.2015 und VG Berlin v. 11.12.2014). In den zurückliegenden Jahren ist von der Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung nur in einem geringen Umfang Gebrauch gemacht worden. So sollen in Zeitraum von der Einführung des Zivildienstes bis zum Jahr 2014 lediglich 7.900 Personen einen entsprechenden Antrag gestellt haben (vgl. ACCORD, a.a.O). Als Gründe hierfür werden eine vormals unattraktive Ausgestaltung des Dienstes, fehlende Kenntnis von der Möglichkeit einer Wehrdienstverweigerung und das Fehlen einer gesellschaftlichen Akzeptanz für die Wehrdienstverweigerung genannt (vgl. Malek a.a.O., S. 11 u. 16f.; Connect e.V./B. Clasen - Die Situation russischer Kriegsdienstverweigerer, Januar 2009). Nachdem die Rahmenbedingungen des Zivildienstes verbessert wurden soll die Zahl der Verweigerer inzwischen auf etwa 1.000 pro Jahr gestiegen sein (vgl. Connect e.V./S. Krivenko und A. Karaliova – Kriegsdienstverweigerung und Ersatzdienste in Russland, 06.09.2014).
Gesetzliche Wehrdienstverweigerungsgründe sind Gewissens- und Überzeugungsgründe, religiöse Gründe oder Zugehörigkeit zu einer indigenen Gruppe, die bestimmte traditionelle Lebensweisen praktiziert (vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte an VG Bremen v. 17.11.2015 und VG Berlin v. 11.12.2014; Schweizerische Flüchtlingshilfe/J. Garcia – Russland: Ziviler Ersatzdienst, Bern, 11.02.2015, S. 1, 8f.). Die Verweigerungsgründe sind im Antrag schriftlich darzulegen und vor einer Einberufungskommission persönlich zu vertreten. [...]