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OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 22.05.2017 - 2 B 402/17 - asyl.net: M25123
https://www.asyl.net/rsdb/M25123
Leitsatz:

1. Einzelfall, in dem die Nennung Kasachstans als Abschiebezielstaat auf einem offenkundigen Versehen beruht.

2. Die Berichtigung nach § 42 Abs. 1 SVwVfG ist selbst kein Verwaltungsakt; sie eröffnet deshalb kein neues Rechtsbehelf und keine neuen Rechtsbehelfsfristen.

3. Die offensichtlich fehlerhafte Benennung des Zielstaats der Abschiebung hat nicht die Unwirksamkeit der Abschiebungsandrohung, sondern nur deren Rechtswidrigkeit zur Folge.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Zielstaatsbezeichnung, falsche Zielstaatsbezeichnung, Verwaltungsakt, Unwirksamkeit, Rechtswidrigkeit, offensichtlicher Fehler, offenkundiges Versehen, Berichtigung, Heilung, Verfahrensfehler, Rechtsbehelf, Zielstaat, Abschiebung, Abschiebungsandrohung,
Normen: SVwVfG § 42 Abs. 1, AufenthG § 59 Abs. 2, AufenthG § 59,
Auszüge:

[...]

Das Verwaltungsgericht hat das Aussetzungsbegehren des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen. In dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss ist zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der Bezeichnung Kasachstans als Abschiebezielstaat um eine offenbare Unrichtigkeit (vgl. zum Begriff der offenbaren Unrichtigkeit: OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.4.2017 - 2 A 129/16 - (juris)) im Sinne des § 42 Abs. 1 SVwVfG handelt und dass durch die von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 22.2.2017 erfolgte Berichtigung dahingehend, dass dem Antragsteller nunmehr die Abschiebung in den Senegal angedroht wurde, die Widerspruchsfrist nicht erneut in Gang gesetzt wurde. Aus dem Zusammenhang des Bescheides vom 15.12.2016 ergibt sich eindeutig und für jeden erkennbar, dass die Nennung Kasachstans als Abschiebezielstaat auf einem offenkundigen Versehen beruhte, da der Antragsteller keinen persönlichen Bezug zu diesem Staat aufweist und in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich davon die Rede ist, dass für ihn eine Rückkehr in den Senegal zumutbar ist (vgl. Bl. 14 der Gerichtsakte). Die Berichtigung selbst ist kein Verwaltungsakt, da sie nicht auf eine Regelung abzielt, sondern lediglich den wahren Willen der Behörde klarstellen soll (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 8. Aufl. § 42 Rdnr. 32). Sie eröffnet deshalb auch keine neuen Rechtsbehelfe und keine neuen Rechtsbehelfsfristen gegen den berichtigten Verwaltungsakt (vgl. Ruffert in: Knack/Henneke, VwVfG-Kommentar, 9. Aufl., § 42 Rdnr. 20; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 17. Aufl., § 42 Rdnr. 18).

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die richtige Benennung des Zielstaates der Abschiebungsandrohung nicht Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit der Abschiebungsandrohung. Die Benennung Kasachstans als Zielstaat der Abschiebung hatte nicht die Unwirksamkeit der Abschiebungsandrohung, sondern allenfalls deren Rechtswidrigkeit – bis zur Berichtigung – zur Folge. Der § 59 Abs. 2 AufenthG sieht die Zielstaatsbestimmung nur als Soll-Regelung vor. Ein konkreter Zielstaat braucht zum Beispiel bei fehlender Klärung der Staatsangehörigkeit des Ausländers überhaupt nicht benannt zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.2.2014 – 10 C 6/13 – (juris)). Die Abschiebungsandrohung besitzt daher auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2014 - 10 C 7/13 -, BVerwGE 150, 29). Sogar das gänzliche Unterbleiben der Zielstaatsangabe betrifft nur die Rechtmäßigkeit, nicht aber die Rechtswirksamkeit der Abschiebungsandrohung (vgl. Bauer in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 59 AufenthG Rdnr. 41). Dasselbe gilt (erst recht), wenn - wie hier - der falsche Zielstaat in der Abschiebungsandrohung genannt worden ist. Selbst wenn man aus der Formulierung des § 59 Abs. 2 AufenthG die Nennung (irgend) eines Zielstaates als Mindesterfordernis ableiten wollte, wäre dem hier genüge getan. In der Abschiebungsandrohung darf auch ein Zielstaat bezeichnet werden, für den aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit dorthin abschieben zu können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2012 – 10 B 39/12 – (juris)).

Aus alledem ergibt sich, dass die offensichtlich fälschlicherweise erfolgte Bezeichnung Kasachstans als Zielstaat der Abschiebung im Tenor des Bescheides vom 15.12.2016 dessen Rechtsgültigkeit nicht berührt. Aus dieser Betrachtungsweise erwachsen dem Antragsteller keine Nachteile. Dieser konnte auf der Grundlage der in dem Bescheid vom 15.12.2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung so lange nicht in den Senegal abgeschoben werden, bis dieser Staat vom Antragsgegner als (richtiger) Zielstaat der Abschiebung ordnungsgemäß bezeichnet wurde. Eine Abschiebung nach Kasachstan war von dem Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. [...]