Innenministerium Nordrhein-Westfalen zum Kirchenasyl in Dublin-Fällen:
1. Bei einem Kirchenasyl haben aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu unterbleiben, bis feststeht, dass das BAMF trotz erneuter Prüfung vom Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch macht.
2. Unter Berücksichtigung des BAMF‑Leitfadens zum Dublin-Verfahren vom 01.06.2017 ist die Ausländerbehörde nur dann verpflichtet, die Überstellung aus dem Kirchenasyl heraus vorzunehmen, wenn das BAMF sie hierzu ausdrücklich auffordert.
3. Die zuständige Ausländerbehörde sollte in allen Fällen des Kirchenasyls das unmittelbare Gespräch mit der Kirchengemeinde vor Ort suchen.
(Zusammenfassung der Redaktion)
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Das BAMF trifft in seinem Leitfaden die grundsätzliche Feststellung, dass Kirchenasyl kein nachträglich auftretendes Abschiebungshindernis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darstellt (vgl. Seite 19, 3. Absatz).
Gleichwohl wurde zwischen Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche und der Leitung des Bundesamtes bereits im Februar 2015 vereinbart, dass das BAMF in Kirchenasylfällen nochmals prüft, ob ein besonderer Härtefall vorliegt, der die Ausübung des Selbsteintrittsrechts rechtfertigt.
Das BAMF verzichtet auf eine Verlängerung der Überstellungsfrist wegen "Untertauchens" auf 18 Monate, auch wenn der Selbsteintritt abgelehnt wird (Ausnahme: siehe S. 19 Abs. 2 S. 2 des Leitfadens). Gleichzeitig wird ausdrücklich festgehalten, dass ein Verbleib des Schutzsuchenden im Kirchenasyl nicht ausgeschlossen ist, wenn das BAMF dem Votum der Kirche nicht gefolgt ist (vgl. S. 19, Absatz 1). Trotz Ablehnung des Selbsteintritts kann es somit in Kirchenasylfällen zu einem Übergang der asylrechtlichen Zuständigkeit (nur) aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist kommen.
Die Ausführungen des BAMF zu den Zuständigkeiten im Rahmen der Überstellung bedeuten letztlich, dass die Entscheidung über eine eventuelle zwangsweise Beendigung des Kirchenasyls dem (allgemeinen) Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden zugeordnet wird. Diese Sichtweise wird nicht geteilt. Nach hiesiger Auffassung gehört diese Frage noch zum "Ob" der Überstellung und fällt damit in den Verantwortungsbereich des BAMF. Die Ausländerbehörde ist (lediglich) für das "Wie" der tatsächlichen Vollziehung verantwortlich.
Mit Blick auf die zwischen Kirchen und BAMF getroffene Vereinbarung unterbleiben aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch die Ausländerbehörden bei Bekanntwerden eines Kirchenasyls in jedem Fall bis feststeht, dass das BAMF trotz erneuter Prüfung von seinem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch macht. Die entsprechende schriftliche Mitteilung des BAMF ist stets abzuwarten. Unter Berücksichtigung des Leitfadens zum Dublin-Verfahren besteht eine Verpflichtung der Ausländerbehörde, die Überstellung aus dem Kirchenasyl heraus vorzunehmen, nur dann, wenn das BAMF die Ausländerbehörde hierzu ausdrücklich auffordert.
Unabhängig vom jeweiligen Vorgehen des BAMF sollte die zuständige Ausländerbehörde in allen Fällen des Kirchenasyls das unmittelbare Gespräch mit der Kirchengemeinde vor Ort suchen, um das Verfahren kommunikativ zu begleiten und den Vertretern der Kirchengemeinde eine sachgerechte Bewertung zu ermöglichen. [...]