Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG [Entziehung von der Abschiebung] setzt ein Verhalten des Betroffenen voraus, mit dem er eine konkrete, auf seine Abschiebung aus dem Bundesgebiet gerichtete Maßnahme der deutschen Behörden vereitelt hat.
(Amtlicher Leitsatz)
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a) Der Haftgrund des nicht angezeigten Aufenthaltswechsels nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt voraus, dass der erforderliche Hinweis auf die Folge einer Verletzung der Pflichten nach § 50 Abs. 4 AufenthG einem Betroffenen, der Deutsch nicht beherrscht, in seine Muttersprache oder eine andere Sprache übersetzt wird, die er beherrscht (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 178/14, FGPrax 2016, 87 Rn. 9). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist dies hier nicht geschehen.
b) Auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, dass sich der Ausländer in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat, liegen nicht vor. Dieser Haftgrund setzt ein Verhalten des Betroffenen voraus, mit dem er eine konkrete, auf seine Abschiebung gerichtete Maßnahme der Behörde vereitelt hat (vgl. LG Heidelberg, Beschluss vom 13. April 2017, 3 T 18/17, juris Rn. 7 ff.; LG Münster, Beschluss vom 22. Februar 2016, 5 T 42/16, juris, Rn. 11). Das folgt aus dem Wortlaut und der Systematik der Norm, die anders als bei dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, der die Formulierung "entziehen will" verwendet - darauf abstellt, dass sich der Ausländer der Abschiebung "entzogen hat". Die Verwendung der Vergangenheitsform macht deutlich, dass das Verhalten des Betroffenen einen Bezug zu einer konkreten Abschiebungsmaßnahme aufweisen muss.
Daran fehlt es hier. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts gab es keine Abschiebungsmaßnahmen der beteiligten Behörde, denen sich der Betroffene in der Vergangenheit entzogen hat. Unerheblich ist, ob er sich in den Niederlanden einem Rücküberstellungsversuch nach Deutschland entzogen hat; denn dies erfüllt nicht den Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, da die Vorschrift nur Abschiebungsversuche deutscher Behörden aus dem Bundesgebiet erfasst.
2. Ob das Verhalten des Betroffenen - wie das Beschwerdegericht annimmt - den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG erfüllt, kann dahinstehen. Denn das Beschwerdegericht durfte seine Entscheidung nicht auf einen neuen Haftgrund stützen, ohne den Betroffenen hierzu persönlich anzuhören (Senat, Beschluss vom 16. Februar 2017 - V ZB 10/16 Rn. 9; Beschluss vom 7. Juli 2016 V ZB 21/16, FGPrax 2016, 278 Rn. 6). [...]