VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08.03.2017 - 15a K 9307/16.A - asyl.net: M25514
https://www.asyl.net/rsdb/M25514
Leitsatz:

1. Yeziden aus der südlichen Grenzregion der Provinz Dohuk (hier Sharya) in der Autonomen Region Kurdistan unterliegen einer Gruppenverfolgung durch den Islamischen Staat.

2. Aufgrund der (Gruppen)Vorverfolgung zum Zeitpunkt der Ausreise greift die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie.

3. Weder der irakische Staat, noch die kurdischen Streitkräfte waren zum Zeitpunkt der Ausreise willens und in der Lage, Angehörige religiöser Minderheiten zu schützen.

4. Trotz der nun veränderten Sicherheitslage und Verfolgungssituation gibt es für Yeziden aus der südlichen Grenzregion der Provinz Dohuk keine inländische Fluchtalternative in den übrigen Gebieten der Autonomen Region Kurdistan.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Irak, Yeziden, Gruppenverfolgung, Autonome Region Kurdistan, Dohuk, inländische Fluchtalternative, Islamischer Staat, Vorverfolgung.
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3 Abs. 1, RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

60,61 Die Verfolgung der Yeziden durch den IS begründete bereits im Jahr 2014 eine asylerhebliche Gefahr, die bis heute anhält. Yeziden wurden und werden als Angehörige einer bestimmten Religionsgemeinschaft versklavt, misshandelt, entführt und sexuell ausgebeutet. Dabei sieht der IS die Yeziden als "Ungläubige" bzw. "Teufelsanbeter" an. In der Auslegung des IS verlangt der Koran, dass Nichtmuslime grundsätzlich die Wahl haben, das Gebiet des IS zu verlassen oder sich ihrem Regiment zu unterwerfen. Wer bleibt, muss zum Islam konvertieren oder kann seine Religion behalten, wenn diese vom Islam akzeptiert ist. In diesem Fall ist eine spezielle Abgabe zu zahlen, um den Schutz des IS zu erhalten. Diese Personen haben den Status "Dhimmi" mit anderen Rechten und Pflichten als Muslime. Nur Buchreligionen können "Dhimmi" werden, darunter Christen, Juden, einige andere monotheistische Religionen und Sabäer. Yeziden werden vom IS nicht als "Dhimmi" akzeptiert. Jezidische Männer können konvertieren oder werden getötet. Jezidische Frauen können konvertieren und einen IS-Kämpfer heiraten oder sie werden versklavt (vgl. World Council of Churches, Norwegian Church Aid, "The protection needs of minorities from Syria and Iraq", November 2016, S. 16 f., liegt auszugsweise in deutscher Übersetzung vor, www.kirkensnodhjelp.no/en/about-nca/publications/publications/theprotection-needs-of-minorities-from-syria-and-iraq/; Le Monde diplomatique, Die Jesiden von Sindschar, Januar 2017, S. 11).

62,63 Über die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung der Yeziden im Irak ist in Abhängigkeit von deren dortiger Herkunft zu entschieden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2011, a.a.O.; VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 16 K 1323/10.A –, juris).

64,65 Wie dargestellt, stammt der Kläger aus der Provinz Dohuk und hat in der zu dieser Provinz gehörenden Stadt Sharya gelebt, die südlich der Stadt Dohuk und nordwestlich der Stadt Alkosh liegt. Während verschiedene Gebiete im Nordirak lediglich dem "de-facto"-Herrschaftsbereich der kurdischen Regionalregierung zuzuordnen sind, gehören jedenfalls die Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya/Halabja zu dem eigentlichen ("de-jure") Herrschaftsbereich der Kurdischen Autonomie Region (vgl. Auswärtiges Amt, Irak: Reise- und Sicherheitshinweise, 1. Februar 2017, S. 1; UNHCR, Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) for Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I), 3. März 2016, www.refworld.org/docid/575537234.html, liegt in deutscher Übersetzung vor).

66 Der Ort Sharya liegt damit innerhalb des eigentlichen Herrschaftsbereichs der Autonomen Region Kurdistan. Jedoch befindet er sich nur wenige Kilometer von der südlichen Grenze der Provinz Dohuk entfernt und liegt damit in unmittelbarer Nähe zur Provinz Ninive, die nicht zum "de-jure"- Gebiet der Autonomen Region Kurdistan gehört.

67,68 Der Kläger war als Yezide bei Verlassen dieser südlichen Grenzregion der Provinz Dohuk im Jahre 2014 von einer Gruppenverfolgung seitens des IS unmittelbar bedroht. Im Juni 2014 wurde die südlich von Dohuk und nahe Sindschar gelegene Stadt Mosul eingenommen. Die irakische Armee gab ihre Stellung kampflos auf, so dass die Kämpfer des IS schwere Waffen erbeuten konnten. Zudem schlossen sich viele arabische Sunniten dem IS an. In der Folgezeit konnte der IS zahlreiche weitere Gebiete in der Provinz Ninive einnehmen und diese besetzen. Zu diesen Gebieten gehörte eine Vielzahl von Regionen und Städten, die zwischen Mosul und der südlichen Grenze der Provinz Dohuk liegen und die zu einem großen Teil von Yeziden bewohnt waren. So wurde im Juni 2014 die von Yeziden bewohnte Region um die Städte Baschika (vor dem Einmarsch des IS etwa 18.000 Yeziden) und Bahzani (vor dem Einmarsch des IS etwa 16.500 Yeziden) sowie al.Hamdaniya eingenommen. Die Städte Baschika und Bahzani wurden vollständig zerstört. Die dort lebenden Menschen konnten jedoch, anders als die Menschen in der auch vom IS überfallenen Region Sindschar, in Richtung Kurdistan-Irak fliehen. Ebenfalls vom IS eingenommen wurde die Stadt Tel Kef, die überwiegend von Christen als weiterer religiöser Minderheit bewohnt war. Verschiedene andere Dörfer wurden zwar nicht vom IS eingenommen. Die Kämpfer des IS drangen jedoch bis in die unmittelbare Umgebung vor. So kam es beispielsweise zu einer Massenflucht aus Alqosh. Die Dörfer Mahad und Babir waren nicht direkt vom IS eingenommen. Jedoch waren die Yeziden aus diesen Dörfern jedenfalls zeitweilig geflohen (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Gutachten Irak vom 7. September 2015, S. 1 f. und vom 10. September 2015, S. 10 f.).

69,70 Hierdurch wird deutlich, dass – auch wenn die Situation in den Städten des eigentlichen Herrschaftsbereichs der Autonomen Kurdistan im Wesentlichen ruhig blieb – die Sicherheitsbedenken der Yeziden, die zwar in der Provinz Dohuk, aber nahe der südlichen Grenze zur Provinz Ninive lebten, zum damaligen Zeitpunkt gerechtfertigt waren (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Sicherheitssituation in der KRG Region, 28. Oktober 2014, S. 5).

71,72 Die dort lebenden Yeziden mussten zum damaligen Zeitpunkt konkret befürchten, dass es dem IS gelingen könnte, weiter in nördliche Richtung und somit auch in den eigentlichen Herrschaftsbereich der Autonomen Region Kurdistan vorzudringen, um auch dort Städte einzunehmen und zu zerstören und die dort ansässigen Yeziden zu verfolgen. Hinzu kommt, dass im August 2014 die überwiegend yezidische Stadt Sindschar vom IS überfallen und eingenommen wurde. Auch der zugehörige Distrikt Sindschar war massiv von den Übergriffen durch den IS betroffen (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Gutachten Irak vom 7. September 2015, S. 2 f. und vom 10. September 2015, S. 1).

73 Vor diesem Hintergrund drohte ein Vorrücken des IS in die Region Dohuk und somit in die Autonome Region Kurdistan auch aus dieser Richtung.

74-78 Nach den der Kammer vorliegenden Zahlen über Tötungen, Vertreibungen und Versklavungen von Yeziden in den betroffenen Gebieten im Irak (vgl. Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 16. September 2013 an das OVG NRW, S. 11 f. – juris; Die Zeit online, Die Vergessenen von Sindschar, 13. Juni 2016, www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/jesiden-nordirak-islamischer-staat; Die Jesiden von Sindschar, Le Monde diplomatique, Januar 2017, S. 11) kann davon ausgegangen werden, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche "Verfolgungsdichte", die die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt, zum damaligen Zeitpunkt vorlag. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn zu dem Zeitpunkt, als der Kläger sein Heimatdorf verlassen hat, hat der IS die Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Yeziden jedenfalls in den genannten Regionen systematisch im Rahmen eines eingeleiteten Verfolgungsprogramms verfolgt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 12, 18; UNHCR, Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) for Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I), 3. März 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor) und eine solche Verfolgung drohte dem Kläger im August 2014 auch in der südlichen Grenzregion der Provinz Dohuk.

79,80 Die Handlungen des IS in den genannten Regionen zielten systematisch auf die Vernichtung der Yeziden als Religionsgemeinschaft und erfüllen alle Anforderungen an die Definition eines Völkermordes nach Artikel 2 des Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9. Dezember 1948 (UN Völkermordkonvention) (vgl. Bericht des UNHCR, Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) for Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I), 3. März 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Februar 2016 zu dem vom sogenannten IS verübten systematischen Massenmord an religiösen Minderheiten (2016/2529 (RSP), www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do.

81 Nach Artikel 2 der UN Völkermordkonvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

82 a. Tötung von Mitgliedern einer Gruppe;

83 b. Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;

84 c. vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;

85 d. Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;

86 e. gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

87,88 Der IS tötet Mitglieder der Gruppe der Yeziden (vgl. Art. 2 lit. a UN-Völkermordkonvention); er verursacht schweren körperlichen und seelischen Schaden an Mitgliedern dieser Gruppe (vgl. Art. 2 lit. b), nicht zuletzt durch massenhafte Vergewaltigung yezidischer Frauen; er erlegt den Yeziden Lebensbedingungen auf, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen (vgl. Art. 2 lit. c), indem er yezidische Frauen entführt und ihnen Nahrung und Wasser vorenthält; er verhängt Maßnahmen, die auf Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind (vgl. Art. 2 lit. d), indem yezidische Männer und Frauen in den überfallenen Dörfern getrennt und die Männer getötet wurden, wenn sie nicht bereit waren zum Islam zu konvertieren, die Frauen versklavt und missbraucht wurden, und Kinder von ihren Familien getrennt und zwangskonvertiert wurden, schließlich wurden Kinder gewaltsam in eine andere Gruppe, die der ISKämpfer, überführt (vgl. Art. 2 lit. e). Diese Handlungen erfolgten in der Absicht die Yeziden als religiöse Gruppe zu zerstören (vgl. Le Monde diplomatique, Die Jesiden von Sindschar, Januar 2017, S. 11).

89,90 Der irakische Staat war zum damaligen Zeitpunkt nicht willens oder nicht in der Lage, Angehörige religiöser Minderheiten zu schützen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016, S. 13; Bericht des UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Religious minorities, Stand August 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor).

91,92 Auch die kurdischen Streitkräfte waren zum damaligen Zeitpunkt – jedenfalls in den umstrittenen Gebieten wie Ninive – nicht willens oder nicht in der Lage, die yezidische Bevölkerung effektiv gegen Angriffe des IS zu schützen. Dies wurde insbesondere auch bei dem Überfall auf Sindschar 2014 deutlich, als die militärisch organisierten Peschmerga sich kampflos zurückzogen und die Bevölkerung dem Angriff schutzlos ausgeliefert war (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung online, Die Schmach von Sinjar sitzt tief, 25. November 2015, www.faz.net/aktuell/politik/kampf-gegen-den-terror/keine-ruhe-in-sindschar-trotz-peschmergabefreiung- vom-is-13928029-p2.html; Deutschlandfunk, Die meisten Kinder haben Gräueltaten gesehen, 31. Oktober 2016, www.deutschlandfunk.de/jesiden-vertreibung-im-irak-die-meisten-kinder-haben-die. 694.de.html?dram:article_id=370022; Domradio,20. Februar 2017, Zwischen allen Fronten, www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2017-02-20/jesiden-sehen-keine-zukunft-im-irak).

93 War der Kläger nach alledem zum Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatortes unmittelbar von einer Gruppenverfolgung und somit von einem ernsthaften Schaden bedroht, ist die festgestellte Vorverfolgung entsprechend der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden.

94,95 Stichhaltige Gründe im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU, die dagegen sprechen, dass er erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird, bestehen nach Auffassung der Kammer aufgrund der ihr vorliegenden aktuellen Erkenntnisse nicht. Vielmehr droht dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in seiner Heimatregion im Irak wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit nach wie vor eine religiös motivierte und damit asylrelevante Gruppenverfolgung durch den IS (eine Gruppenverfolgung für Yeziden in der Autonomen Region Kurdistan verneinend: VG Augsburg, Urteil vom 9. Januar 2017 – Au 5 K 16/31898 –, juris; Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2017 – 13a ZB 16/30689 –, juris; VG München, Beschlüsse vom 25. Oktober 2016 – M 4 S 16/32662 –, juris, vom 30. September 2016, – M 4 K 16/32610 –, juris; und vom 13. Mai 2016 – M 4 K 16/30558 –, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Dezember 2016 – 16 K 9286/16.A –; VG Saarland, Urteil vom 30. Mai 2016 – 6 K 1075/13 –, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 8a K 871/16.A –).

96,97 Zwar verkennt die Kammer nicht, dass sich die Sicherheitslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für Yeziden, die im eigentlichen Herrschaftsbereich der Autonomen Region Kurdistan leben, von der Sicherheitslage für Yeziden unterscheidet, die in bestimmten, dem Zentralirak und dem Nordirak – außerhalb der Autonomen Region Kurdistan – zuzuordnenden Gebieten leben; dies gilt insbesondere für Yeziden in der Provinz Ninive (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 12, 18; UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Religious minorities, August 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor; UNHCR, Relevant COI for Assessments on the Availibility of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) for Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I), 3. März 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor).

98,99 So sind die Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya/Halabja der Autonomen Region Kurdistan derzeit von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen (Auswärtiges Amt, Irak: Reise- und Sicherheitshinweise, 1. Februar 2017, S. 2.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Sicherheits- und allgemeine Lage in der Autonomen Region Kurdistan, insbesondere im Gouvernement Sulaymaniyah und in Erbil, 23. Dezember 2015, S. 10, www.ecoi.net/local_link/317901/443034_en.html; Neue Züricher Zeitung,13. Oktober 2016, Kulturleben im Irak – In Kurdistan wächst ein zartes Pflänzchen, www.nzz.ch/feuilleton/schauplatz/dohuk-im-nordirak-ringt-um-sein-kulturleben-in-kurdistan-waechst-ein-zartes-pflaenzchen-ld.121711).

100,101 Mit Blick hierauf leben dort in großer Anzahl Flüchtlinge unter anderem aus den südlicher gelegenen Provinzen, die insbesondere vor den Umtrieben des IS geflohen sind. Viele Angehörige von religiösen Minderheiten haben hier Zuflucht gefunden. So halten sich mittlerweile über 1,3 Millionen Binnenvertriebene in der Region Kurdistan-Irak auf. Die Mehrheit floh in die Provinz Dohuk, wo auch ein Großteil der yezidischen Flüchtlinge lebt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 6, 12, 18; Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Gutachten Irak vom 7. September 2015, S. 10 und vom 10. September 2015, Seite 9; UNHCR, Relevant COI for Assessments on the Availibility of an Internal Flight or Relocation Alterna - tive (IFA/IRA) for Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I), 3. März 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor).

102,103 Auch das Dorf Sharya, in dem der Kläger im Irak gelebt hat, ist mittlerweile in großem Umfang zum Zufluchtsort für Flüchtlinge geworden (vgl. Kurier, 5. April 2016, "Für immer gezeichnet: Die Yeziden in den Shingal-Bergen.", kurier.at/politik/ausland/fuer-immer-gezeichnet-die-jesiden-in-den-shingal-bergen/191.230.022).

104,105 So sind Minderheiten in den Provinzen, die zum eigentlichen Herrschaftsbereich der Kurdischen Autonomie Region gehören und unter der Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, derzeit weitgehend keiner Gewalt und Verfolgung durch den IS ausgesetzt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 12; Auswärtiges Amt, Irak: Reise- und Sicherheitshinweise, 1. Februar 2017, S. 2; Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Gutachten Irak vom 10. September 2015 und vom 7. September 2015; UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Religious minorities, August 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor).

106,107 Diese im Verhältnis zu verschiedenen anderen Gebieten im Irak verhältnismäßig bessere Lage in weiten Teilen der "de-jure"-Region der Autonomen Region Kurdistan ändert aber nichts daran, dass die Sicherheitslage im südlichen Grenzbereich der Provinz Dohuk aufgrund der Nähe zu vom IS kontrollierten oder umkämpften Gebieten für Yeziden nach wie vor mehr als angespannt und keineswegs als hinreichend gefestigt zu bezeichnen ist. Hier bestehen anhaltende Sicherheitsbedenken (vgl. UNHCR, Relevant COI for Assessments on the Availibility of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) for Yazidis in the Kurdistan Region (KR-I) of Iraq, 3. März 2016, liegt in deutscher Übersetzung vor; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Update: Sicherheitssituation in der KRG- Region, 28. März 2015). [...]