VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 13.07.2017 - 31 L 172.17.A - asyl.net: M25596
https://www.asyl.net/rsdb/M25596
Leitsatz:

Keine Ablehnung als unzulässig ohne persönliches Gespräch im Dublin-Verfahren:

Eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a AsylG wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nach der Dublin-III-VO ist rechtswidrig, wenn kein persönliches Gespräch stattgefunden hat, auch wenn dieses die Entscheidung nicht beeinflusst hätte.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Dublin III-Verordnung, persönliches Gespräch, Zustellung, Unionsrecht, Heilung,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a, VO 604/2013 Art. 5, VO 604/2013 Art. 5 Abs. 4, VO 604/2013 Art. 5 Abs. 5, VO 604/2013 Art. 5 Abs. 6, VfVwG § 45 Abs. 1 Nr. 3, VfVwG § 46,
Auszüge:

[...]

Vor Erlass eines sog. Dublin-Bescheides hat aber gem. Art. 5 Dublin III-VO das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge .(Bundesamt) ein persönliches Gespräch mit dem Schutzsuchenden zu führen. Ein solches Gespräch hat vorliegend nicht stattgefunden. Zwar wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 17. November 2016 zum Dublin-Gespräch geladen. Das Bundesamt sandte die Ladung zur Anhörung auch an die vom Antragsteller bei Antragstellung mitgeteilte Anschrift. Tatsächlich aber zog der Antragsteller just an jenem Tag um, so dass die Ladung ihn dort nicht erreichte. Die neue Anschrift wurde dem Bundesamt durch Schreiben des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten ebenfalls vom 17. November 2016 mitgeteilt (Eingang beim Bundesamt am 18. November 2016). [...]

Es ist auch kein Ausnahmefall nach Art. 5 Abs. 2 Dublin III-VO ersichtlich. Danach darf auf das persönliche Gespräch verzichtet werden, wenn a) der Antragsteller flüchtig ist oder b) der Antragsteller bereits sachdienliche Angaben zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemacht hat. Vorliegend ist der Antragsteller weder flüchtig noch hat er gegenüber dem Bundesamt Angaben zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (beispielsweise zum Reiseweg und früheren Asylantragstellungen) gemacht.

Im Eilverfahren ist keine Nachholung des Dublin-Gesprächs zu sehen, da dieses persönlich zu führen ist und die Verfahrensgarantien des Art. 5 Abs. 4-6 Dublin-Gespräch im schriftlich geführten Antragsverfahren nicht eingehalten werden können. Bereits aus diesem Grund scheidet daher eine Heilung des Verfahrensfehlers nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 Verwaltungsverfahrens (VwVfG) aus. Ferner erscheint es unionsrechtlich geboten, dass das Dublin-Gespräch für die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids beachtlich ist und § 46 VwVfG daher nicht zur Anwendung kommt (siehe BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, Rn. 20, juris). [...]