Erfolgreiche Untätigkeitsklage bei Asylverfahrensdauer von fast zwei Jahren:
1. Bei einer Untätigkeitsklage nach § 75 S. 1 VwGO ist zur Prüfung, ob das BAMF die Entscheidung über den Asylantrag unangemessen verzögert hat, darauf abzustellen, wann das Asylgesuch nach § 13 AsylG registriert wurde (unter Bezug auf VG Bremen, Beschluss vom 12.01.2017 - 5 K 3131/16 - asyl.net: M24995).
2. Zwar kann eine außergewöhnlich hohe Arbeitsbelastung des BAMF einen zureichenden Grund für die verzögerte Bearbeitung von Asylanträgen darstellen. Allerdings hat das BAMF entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der EU-Asylverfahrensrichtlinie, die Asylantragstellung zur Einleitung des Verfahrens zu gewährleisten.
3. Würde man bei der Bemessung der angemessenen Entscheidungsfrist auf die förmliche Asylantragstellung nach § 14 AsylG abstellen, wäre die Überlastung des BAMF doppelt zu Lasten der Asylsuchenden berücksichtigt, nämlich einmal bei der verzögerten Festsetzung eines Termins zur Antragstellung und ein zweites Mal bei der verzögerten Bearbeitung des Asylantrags.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
15 Im Anwendungsbereich der Asylverfahrensrichtlinie ist Asylbewerbern aus unionsrechtlichen Gründen eine auf bloße Verwaltungsentscheidung an sich über den gestellten Asylantrag gerichtete Untätigkeitsklage möglich, da den Asylbewerbern durch die Asylverfahrensrichtlinie ein subjektives Recht auf eine behördliche Entscheidung nach einer persönlichen Anhörung und anschließend einen Anspruch auf dessen gerichtliche Überprüfung eingeräumt ist (VG München, Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2017 - M 17 K 16.32918 -, juris Rn. 12 m.w.N.).
16 Die Klage ist nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO zulässigerweise erhoben worden. Unabhängig davon, ob man auf das bloße Asylgesuch nach § 13 AsylG oder auf den förmlichen Asylantrag gem. § 14 AsylG abstellt, war diese Frist schon im Zeitpunkt der Klageerhebung am 26. September 2017 abgelaufen.
17 Die zulässige Untätigkeitsklage ist auch begründet.
18 Die bisherige Unterlassung der Entscheidung über die Asylanträge der Kläger ist rechtswidrig und verletzt sie in subjektiven Rechten. Die Beklagte hat ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden. Die Kläger haben Anspruch auf Fortsetzung des Asylverfahrens und Entscheidung über die gestellten Anträge, § 113 Abs. 5 Satz 1, 2 VwGO.
19 Bis zu welchem Zeitpunkt die Frist für eine Entscheidung über einen Asylantrag noch als angemessen zu bewerten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. ausführlich VG Osnabrück, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 5 A 390/15 -, juris, Rn. 26 ff.; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D -, juris, Rn. 26 ff. zur Frage der Unangemessenheit der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens i.S.v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Eine unvorhersehbar steigende Geschäftsbelastung kann eine Verzögerung der Verfahrensabläufe dann rechtfertigen, wenn sie nicht durch kurzfristige organisatorische Maßnahmen kompensiert werden kann. Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls in den Jahren 2015 und 2016 eine außergewöhnliche und in dieser Form unvorhersehbare Steigerung der Geschäftsbelastung des Bundesamtes vorlag, die grundsätzlich einen zureichenden Grund für die verzögerte Bearbeitung einzelner Asylanträge darstellen kann. Dieser Umstand entbindet die Beklagte jedoch nicht davon, die in diesem Zeitraum gestellten oder bereits anhängigen Asylanträge innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu bearbeiten (VG Karlsruhe, Urteil vom 8. Juli 2016, a.a.O., juris Rn. 13).
20 Anhaltspunkte für die Angemessenheit der Verfahrensdauer ergeben sich für ab dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge aus Art. 31 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (AsylVf-RL n.F.), die allerdings aufgrund der in Art. 52 der Richtlinie enthaltenen Übergangsbestimmungen für das vorliegende Verfahren insoweit nicht unmittelbar verbindlich ist. Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 AsylVf-RL n.F. sieht vor, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird. Diese Regelbearbeitungszeit kann gem. Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 3 AsylVf-RL n.F. um höchstens neun weitere Monate auf dann insgesamt 15 Monate verlängert werden.
21 Diese Frist wurde hier überschritten.
22 Für den Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 75 VwGO ist hier nicht erst auf die förmliche Antragstellung in dem am 23. August 2016 bei der Außenstelle des Bundesamtes geführten persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates abzustellen, sondern bereits auf die Meldung der Kläger in der Aufnahmeeinrichtung am 14. Dezember 2015, mit der die Kläger gem. § 13 AsylG um Asyl nachgesucht haben. [...]
28 Die asylrechtlichen Verfahrensbestimmungen müssen so beschaffen sein und ausgelegt und angewandt werden, dass sie dem Grundrecht auf Asyl möglichst zur Geltung verhelfen (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Februar 1981- 1 BvR 413/80 u.a. - BVerfGE 56, 216; vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 - BVerfGE 65, 76; vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43). Die in §§ 13 ff. AsylG gegenüber §§ 7 ff. AsylVfG 1982 erfolgte Änderung der Vorschriften über die Antragstellung und die neue Aufgabenverteilung zwischen Ausländerbehörden und Bundesamt sollte gerade zu einer beschleunigten Entgegennahme, Bearbeitung und Erledigung beitragen (Winkelmann, in: Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, AsylG 11. Auflage 2016, § 14 Rn. 5).
29 Zwar stellt Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 AsylVf-RL n.F. für die Bestimmung der Dauer des Prüfungsverfahrens auf den Zeitpunkt der förmlichen Antragstellung ab. Allerdings sieht Art. 6 AsylVf-RL n.F. auch Regelungen vor, die einen zeitnahen Zugang zum Verfahren ermöglichen sollen. Nach dessen Absatz 2 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen so bald wie möglich förmlich zu stellen. In der Vorschrift wird eine konkrete Frist hierfür nicht benennt. Ausgehend von der in Art. 6 AsylVf-RL Abs. 1 UAbs. 1 n.F. genannten kurzen Frist zur Registrierung der Anträge, von nur drei Tagen, die, wenn sie wegen einer großen Zahl von Antragstellern in der Praxis nicht einzuhalten ist, nach Absatz 5 der Vorschrift um eine Woche verlängert werden kann, ist aber erkennbar, dass es diesen Vorgaben widerspricht, wenn zwischen dem Asylgesuch und der Möglichkeit der förmlichen Antragstellung wie hier mehr als acht Monate liegen. [...]