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OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 17.10.2017 - 2 A 365/17 - asyl.net: M25701
https://www.asyl.net/rsdb/M25701
Leitsatz:

Unverfolgt ausgereisten syrischen Staatsangehörigen droht bei einer derzeit allenfalls hypothetisch zu unterstellenden unfreiwilligen Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG aufgeführten Gründe allein wegen der Ausreise aus dem Heimatland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland. Dass es sich bei den etwa fünf Millionen aus Syrien geflohenen Menschen in aller Regel nicht um Regimegegner handelt, sondern ganz überwiegend um Flüchtlinge, die wegen des anhaltenden Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat verlassen haben, dürfte bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Es hieße, dem syrischen Regime Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg flieht. Die seit der entsprechenden Grundsatzentscheidung des Senats im Februar 2017 (vgl. das Urteil vom 2.2.2017 - 2 K 515/16 -) ausgewerteten Erkenntnisquellen geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.

Selbst bei routinemäßigen Befragungen von Rückkehrern ergäbe sich Gefährdung jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG. Vielmehr fehlte gegebenenfalls die nach § 3a Abs. 3 AsylG zusätzlich notwendige Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.

Ein solcher Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund würde voraussetzen, dass gerade dem Betroffenen von den syrischen Behörden ein entsprechendes Merkmal zugeschrieben würde (§ 3b Abs. 2 AsylG). Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden jeden Rückkehrer, der Syrien möglicherweise illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der politischen Opposition zurechnen, gibt es keine stichhaltigen Erkenntnisse.

Auch bei im wehrpflichtigen Alter vor einer Einberufung oder auch als Reservisten ausgereisten männlichen Syrern, die Gefahr laufen, bei der Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft oder zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden, liegen im Regelfall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die ihnen drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe - etwa wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime - ergehen würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in neueren Entscheidungen speziell zu Syrien seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, wonach an eine Wehrdienstentziehung anknüpfende Sanktionen auch bei totalitären Staaten grundsätzlich nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung darstellen, wenn sie den Betroffenen darüber hinaus zusätzlich wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2017 - 1 B 22.17 -). Auch neuere Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte, die auf einer abweichenden Beurteilung der auch vom Senat ausgewerteten Dokumente beruhen, geben keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Syrien, Asylrelevanz, Militärdienst, Wehrdienstverweigerung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, politische Überzeugung, Verfolgungsgrund, politische Verfolgung, Asylantrag, illegale Ausreise, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 4, AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 5, AsylG § 3 Abs. 2 S. 1, AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, AsylG § 3b, AsylG § 3a Abs. 3, AsylG § 3b Abs. 2, AsylG § 28 Abs. 1a,
Auszüge:

[...]

Eine begründete Furcht des Klägers vor individueller politischer Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem er Syrien verlassen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu grundlegend Urteil des Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 –, bei juris, ebenso etwa die Urteile vom 14.9.2017 – 2 A 333/17 und 2 A 243/17 –) droht dem Kläger in Syrien nicht allein wegen seiner Ausreise aus dem Heimatland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland aus ausnahmsweise beachtlichen Nachfluchtgründen eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG (§ 28 Abs. 1a AsylG) (vgl. ebenso etwa OVG Schleswig, Urteil vom 5.9.2016 – 3 LB 17/16 –, juris, VGH München 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338 u.a. –, OVG Münster, Urteile vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, juris, und vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A –, OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris). Dass es sich bei den etwa fünf Millionen aus Syrien geflohenen Menschen in aller Regel nicht um Regimegegner handelt, sondern ganz überwiegend um Flüchtlinge, die wegen des anhaltenden Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat verlassen haben, dürfte bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Es hieße, dem syrischen Regime Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg flieht (so auch OVG Münster, Urteil vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A. – bei juris, wo unter Bezugnahme auf einen Bericht des Immigration an Refugee Board of Canada vom 19.1.2016 darauf hingewiesen wird, dass jährlich Hunderttausende Flüchtlinge nach Syrien einreisen und persönliche Angelegenheiten regeln, bevor sie wieder in ihre Zufluchtsländer zurückkehren, wie hier in der Sache nun auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.3.2017 – 3 L 249/16 –, juris, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass seine frühere abweichende Rechtsprechung inzwischen als überholt anzusehen sei).

Über die Frage hinaus, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. zu diesem Prognosemaßstab BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22) Verfolgungsmaßnahmen drohen, geht der Senat ferner ebenso wie verschiedene andere deutsche  Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe davon aus, dass selbst eine – unterstellte – Rückkehrgefährdung sich jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG ergäbe. Vielmehr fehlte gegebenenfalls die nach § 3a Abs. 3 AsylG zusätzlich notwendige Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Ein solcher Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund würde voraussetzen, dass gerade dem Kläger von den syrischen Behörden ein entsprechendes Merkmal zugeschrieben würde (§ 3b Abs. 2 AsylG) (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris). Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden jeden Rückkehrer, der Syrien möglicherweise illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der politischen Opposition zurechnen, gibt es keine stichhaltigen Erkenntnisse. Auch dem syrischen Staat ist bekannt, dass der Großteil der mehrere Millionen umfassenden Gruppe der seit Ausbruch der Unruhen im Jahr 2011 Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck einer politischen Gegnerschaft zum syrischen Regime verlassen hat, sondern aus berechtigter Sorge um das eigene Leben (vgl. ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, OVG Schleswig, Urteil vom 3.1.2017 – 3 LB 17/16 –, OVG Münster, Beschluss vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, und VGH München, Urteile vom 12.12.2016 – 21 B 16.30338 sowie 21 B 16.30371 –, zuletzt Urteil vom 14.2.2017 – 21 B 16.31001 –, insoweit Rn 29, alle bei juris). Selbst wenn unterstellt würde, dass alle Personen seitens der syrischen Behörden bei der Rückkehr verdachtsunabhängig Befragungen unterzogen würden, um die Motive der Ausreise und etwaige Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen beziehungsweise Kenntnisse über diese in Erfahrung zu bringen, wäre daher eine entsprechende Verfolgungsgefahr nicht "wegen" eines der Verfolgungsgründe der §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG gegeben, sondern als wahlloser Zugriff auf potentielle Informationsquellen zu der Exilszene zu werten. Auch das Auswärtige Amt hat keine Erkenntnisse, dass Rückkehrer allein aufgrund eines Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung Verfolgungsmaßnahmen in Syrien ausgesetzt wären (vgl. die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 2.1.2017, an das OVG Schleswig vom 7.11.2016 und an das VG Düsseldorf vom 2.1.2017 - 5 K 7221/16 A). Dem Auswärtigen Amt seien im Gegenteil sogar Fälle bekannt, in denen Syrer nach Anerkennung als Flüchtling in Deutschland für mehrere Monate ins Heimatland zurückgekehrt seien.

Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und der damit verbundenen Gefährdungen für Leib und Leben wurde dem Kläger in Deutschland der internationale Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zuerkannt. Dagegen liegen nach dem Gesagten in seinem Fall die für eine Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Insoweit wird wegen der Einzelheiten und der verwerteten Erkenntnisquellen auf das erwähnte Grundsatzurteil des Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 – zu einem vergleichbar gelagerten Fall, auf das die Prozessbevollmächtigte hingewiesen worden ist, Bezug genommen. Die seither eingegangenen und in der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Aufstellung aufgeführten Erkenntnisquellen geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung (vgl. zu der Berichterstattung in Spiegelonline vom 11.9.2017 über angebliche Äußerungen des Generalmajors der Republikanischen Garden Issam Zahreddine zu einer Rückkehr von Flüchtlingen OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.9.2017 – 2 A 314/17 –).

2. Der im ... 1961 geborene, damit bereits 56 Jahre alte Kläger, der nach seinen Angaben bereits von 1990 bis 1993 als Mediziner Wehrdienst geleistet hatte, hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt die allgemeine Kriegssituation in seiner Heimatstadt Idlib geschildert, selbst aber nicht substantiiert erklärt, dass er auch eine Gefährdung wegen einer "Wehrdienstverweigerung" befürchte. Soweit der Kläger nun aber im Berufungsverfahren schriftsätzlich allgemein auf eine "Gefährdung wegen Wehrdienstentzugs" verwiesen hat, rechtfertigt auch das in seinem Fall sicher nicht die Zuerkennung des individuellen Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG (ebenso beispielsweise auch OVG Münster, Urteil vom 4.5.2017 – 14 A 2023/16.A –, zitiert nach der Pressemitteilung bei juris). Dem Kläger drohte im Fall einer – unterstellten – Rückkehr nach Syrien keine politische Verfolgung wegen einer "Wehrdienstentziehung" (ebenso unter anderem OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris, InfAuslR 2017, 80 und AuAS 2017, 35). Er war bei der Ausreise aus Syrien im Februar 2016 schon 54 Jahre alt, daher nicht mehr im wehrpflichtigen Alter und hat weder bei seiner Anhörung beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung auch nur angedeutet, dass das syrische Militär Interesse speziell an seiner Person gezeigt hätte. In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Syrer im Alter von 18 bis 42 Jahren, so dass der Kläger damals auch keine Ausreisegenehmigung mehr benötigte (vgl. dazu die Auskunft des Deutschen Orient-Institutes an das OVG Schleswig vom 8.11.2016 – 3 LB 17/16 –, VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, wonach nach den Erkenntnissen des Orient-Instituts die syrische Regierung bereits im März 2012 beschlossen hat, dass die Ausreise für alle männlichen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 42 Jahren untersagt beziehungsweise nur nach einer zuvor erteilten Genehmigung gestattet sei, auch wenn diese bereits den Wehrdienst abgeleistet hätten).

Darüber hinaus entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass selbst bei im wehrpflichtigen Alter vor einer Einberufung oder auch als Reservisten ausgereisten männlichen Syrern, die Gefahr laufen, bei der Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft oder zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden, im Regelfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die ihnen drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe – etwa wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime – ergehen würden. Es fehlt an belastbaren Fakten, für eine Auswahl anhand eines der in § 3 AsylG genannten Kriterien; vielmehr rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer im wehrpflichtigen Alter unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28.3.2015, Seite 2). Es gibt nach dem vorgetragenen Sachverhalt keinerlei Indizien dafür, dass gerade dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an eine politische Überzeugung anknüpfende härtere Bestrafung als sonst üblich – ein sogenannter Politmalus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 –, juris) – drohen würde, sofern er überhaupt bestraft würde. Das Bundesverwaltungsgericht hat in neueren Entscheidungen speziell zu Syrien seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, wonach an eine Wehrdienstentziehung anknüpfende Sanktionen auch bei totalitären Staaten grundsätzlich nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung darstellen, wenn sie den Betroffenen darüber hinaus zusätzlich wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 –, Rn 10, m.w.N.). Unter den insgesamt fast 5 Millionen Flüchtlingen, die Syrien seit Beginn des Bürgerkriegs verlassen haben, befinden sich Hunderttausende Männer der für den Dienst in der syrischen Armee in Betracht kommenden Altersgruppe, die teilweise vor der Ausreise – als Wehrdienstpflichtige oder als Reservisten – nicht einberufen worden waren. Jedenfalls hinsichtlich dieses Personenkreises dürfte es dem syrischen Staat beziehungsweise dem "Regime Assad" vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich seiner personell notleidenden Armee zuzuführen (vgl. dazu zuletzt OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 –, dort insbesondere auch zu den Rekrutierungsbemühungen und Amnestien für Wehrdienstverweigerer, siehe auch Zeit online vom 26.7.2015: "Assad gehen die Soldaten aus"; FAZ.Net vom 19.9.2015: "Assads Armee gehen die Männer aus"). Im Übrigen dürfte auch dem syrischen Staat bekannt sein, dass die Flucht vor einer Einberufung durch die Armee in aller Regel nicht durch eine politische Gegnerschaft zum syrischen Staat, sondern – wie im Fall des Klägers dieses Verfahrens – vor allem durch Angst vor dem Krieg motiviert war.

Neuere Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte geben keine Veranlassung, die Rechtsprechung des Senats zu ändern. Sie beruhen auf einer abweichenden Beurteilung der auch vom Senat ausgewerteten Dokumente (vgl. in dem Zusammenhang BVerwG, Beschlüsse vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 und 1 B 70.17 –, bei juris). Das gilt insbesondere für das Urteil des VGH Mannheim vom 14.6.2017 (vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 – A 11 A 562/17 –, beide bei juris), aber auch für die ohnedies einen Reservisten betreffende Entscheidung des Hessischen VGH vom 6.6.2017 (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, bei juris), in der als zusätzliches Kriterium für eine flüchtlingsrechtlich beachtliche Rückkehrgefährdung zudem die Herkunft des dortigen Klägers aus einer "vermeintlich regierungsfeindlichen Zone", im konkreten Fall aus Daraa, angeführt wird, weswegen ihm eine oppositionelle Einstellung unterstellt werde. In diesen Entscheidungen werden das zuvor erwähnte beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung und die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht ausreichend in die Bewertung aufgenommen (vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017).

Auch weist der im Urteil des VGH Mannheim enthaltene Hinweis auf "Willkür", extralegale Tötungen und Folterungen und Verschwindenlassen von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes gerade auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes hin und vermag eine besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund nicht zu indizieren. Das Niedersächsische OVG hat ebenfalls entschieden, dass der Umstand, dass der Schutzsuchende mit seiner Ausreise einer drohenden Einberufung zum Wehrdienst zuvorgekommen ist, ihm ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht in den Augen der syrischen Machthaber verdächtig erscheinen lässt, über die Flucht vor der Bürgerkriegssituation hinaus politische Opposition betreiben zu wollen. Selbst geflohenen Wehrdienstpflichtigen oder Reservisten, die eine Einberufung erhalten haben oder denen eine solche konkret bevorstand, drohe keine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017). Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die §§ 3a Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Zwar ist bekannt, dass sich die verschiedenen, teilweise durch Interessen von außen gesteuerten Konfliktparteien des Bürgerkriegs in Syrien (vgl. dazu Gerlach, "Was geschieht in Syrien", Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016, Seiten 6 ff.) zum Teil schwerer Verletzungen des Völkerrechts schuldig gemacht haben (vgl. hierzu etwa UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) vom 10.3.2017 Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; siehe dazu beispielsweise auch BGH, Beschluss vom 11.8.2016 – AK 43/16 –, NStZ-RR 2016, 354, zu einem als Kriegsverbrechen eingestuften bewaffneten Angriff von Anhängern der Terrormiliz Jabhat al-Nusra in Syrien auf ein Mitglied des zivilen Hilfspersonals sowie auf Gerätschaften der friedenserhaltenden Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Oberserver Force - UNDOF) sowie zur Entführung und Gefangenhaltung eines Mitglieds dieser Mission mit dem Zweck der Lösegelderpressung). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2e der RL 2011/95/EU(vgl. EuGH, Urteil vom 26.2.2015 – C-472/13 –, NVwZ 2015, 575) ist es indes nicht ausreichend, dass das "Militär", in diesem Fall die Streitkräfte des syrischen Regimes, als solches (allgemein) Verbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG begeht. Vielmehr muss der sich auf die Vorschrift berufende Flüchtling konkret nachweisen, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter diese Vorschrift fallen und dass er sich konkret unmittelbar an solchen Handlungen beteiligen müsste (vgl. auch dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit der die Wehrpflichtproblematik anders beurteilenden Rechtsprechung des VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, des VGH Mannheim, Urteil vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – und des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16, beide bei juris). Davon kann hier erkennbar nicht ausgegangen werden.

Insgesamt gelangt das Gericht daher zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass bei einer Gesamtschau der den Fall prägenden Sachverhaltsumstände eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegend nicht "beachtlich wahrscheinlich" ist. Es kann jedenfalls nicht als erwiesen angesehen werden, dass das syrische Regime, das gegenwärtig ohnehin nur einen Teil des ehemaligen Gesamtstaatsgebietes kontrolliert (vgl. zu den konkurrierenden militärischen Organisationen und Gruppierungen sowie zu ihren jeweiligen Zielen etwa Gerlach, Was in Syrien geschieht – Essay, vom 19.2.2016), eine generelle Zuschreibung hinsichtlich einer oppositionellen Einstellung der – immer unterstellt – zurückkehrenden Personen im wehrdienstpflichtigen Alter vornehmen würde. Soweit die Betrachtungsweise des Senats in den erwähnten Entscheidungen des VGH Baden- Württemberg (vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, dort Rn 71) als schon im Ansatz spekulativ bezeichnet wird, bleibt festzuhalten, dass es keine Erkenntnisse über eine entsprechende Einordnung und Behandlung von Rückkehrern speziell aus Westeuropa gibt. Sie kann es "belastbar" wegen des seit 2011 geltenden und auch praktizierten Abschiebestopps für die Arabische Republik Syrien auch gar nicht geben, weil es keine solchen, jedenfalls keine unfreiwilligen "Rückkehrer" in diesem Sinne gibt. Unter dem Aspekt ist in dem Zusammenhang sehr vieles, wenn nicht alles, "spekulativ" (vgl. dazu auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 13.9.2017 an das VG Köln 26 K 3050/16.A –, wonach die Botschaft in Damaskus geschlossen ist und keine "geeigneten Stellen bekannt" sind, die in der Sache, dort zur Frage einer Angehörigengefährdung, klärend tätig werden könnten). Das gilt letztlich auch für die in dem vorgenannten Urteil des Hessischen VGH(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Rn 96, "Verfolgungskapazitäten") unter dem Aspekt personeller Ressourcen für eine Verfolgung in Syrien angestellten Betrachtungen, in welcher Gruppenstärke oder Reihenfolge eine Rückkehr nach Syrien – irgendwann – erfolgen könnte. [...]