OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 26.09.2017 - 2 B 467/17 - asyl.net: M25703
https://www.asyl.net/rsdb/M25703
Leitsatz:

1. Die Vorschrift des § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG (sog. Ausbildungsduldung) zielt darauf ab, mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe zu schaffen, da ansonsten durch die Unsicherheit der aufenthaltsrechtlichen Stellung die Aufnahme einer Berufsausbildung erschwert worden war.

2. Ein Ausländer, der nach Durchführung eines Dublin-Verfahrens in den sicheren Drittstaat abgeschoben worden war und bei seiner erneuten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland gegen das gegen ihn verhängte Einreiseverbot verstößt, kann die Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht verlangen. Die Ermöglichung seines Aufenthalts für die Dauer der Ausbildung läuft dem Gesetzeszweck des § 11 AufenthG zuwider.

3. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung i.S.d. § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setzen nicht voraus, dass bereits ein Termin zur Abschiebung gesetzt ist oder organisatorische Maßnahmen zur Abschiebung ergriffen wurden, wenn fest steht, dass derartige Maßnahmen vorgesehen und absehbar durchgeführt werden können.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Duldung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Einreisesperre, Abschiebung, Sperrwirkung,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4,
Auszüge:

[...]

Die Ermöglichung des Aufenthalts des Antragstellers für die Dauer seiner 36-monatigen Ausbildung in Deutschland läuft dem Gesetzeszweck des § 11 AufenthG zuwider, denn das Einreise- und Aufenthaltsverbot dient der Sicherung und Effektivierung der nach dem Dublin-Verfahren durchgeführten Abschiebung des Antragstellers und würde dadurch wirkungslos. Der von dem Antragsteller erhobene Einwand, § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setze ja gerade die bestehende Ausreisepflicht voraus, verfängt nicht, weil er die Rechtsfolgen der erfolgten Abschiebung unberücksichtigt lässt. Des Weiteren ist zu sehen, dass nach der Intention des Gesetzgebers die Vorschrift des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG darauf abzielt, für die Dauer einer - im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen aufgenommenen oder noch aufzunehmenden - Berufsausbildung mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe zu schaffen(vgl. Allg. Anwendungshinweise des BMI zur Duldungserteilung nach § 60a AufenthG). Diesem Gesetzeszweck kann im Fall des Antragstellers jedoch nicht Rechnung getragen werden, weil nach Abschluss seiner Asylverfahren als unzulässig und unter dem Bann der Einreisesperre weder bei ihm noch bei seinem Ausbildungsbetrieb Vertrauen auf ein mögliches Bleiberecht oder nur auf eine "ungesicherte" Bleibeperspektive bestehen konnte.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung am 23.11.2016 zudem konkrete Maßnahmen des Antragsgegners zur Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG schon bevorstanden. Es ist nicht erforderlich, dass bereits ein Termin zur Abschiebung gesetzt ist oder organisatorische Maßnahmen zur Durchführung einer Abschiebung ergriffen worden sind, wenn die Ausländerbehörde darlegen kann, dass derartige Maßnahmen vorgesehen sind.(Hailbronner, aaO., § 60a Rdnr. 101) Das ist vorliegend der Fall. Aus den Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners und den beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge geht hervor, dass der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9.11.2016 dem Antragsteller (zunächst) am 14.11.2016 zugestellt wurde (vgl. das Empfangsbekenntnis auf Seite 63 d. Bundesamtsakte) und seine Abschiebung am 22.12.2017(vgl. Bl. 129 f. der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners) erfolgen sollte(vgl. Abschlussvermerk, Bl. 124 der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners), da davon auszugehen war, dass die Abschiebungsanordnung seit dem 22.11.2016 vollziehbar ist. Dass der Antragsgegner die Durchführung der Abschiebung wegen der notwendigen erneuten Zustellung des Bundesamtsbescheides zunächst storniert und auf einen späteren Termin, den 2.2.2017(vgl. Bl. 174 f. der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners), verlegt hat, steht der Annahme einer konkreten Maßnahme der Aufenthaltsbeendigung vorliegend nicht entgegen, da fest stand, dass die Abschiebung in den sicheren Drittstaat - wenn auch zu einem späteren als dem ursprünglich vorgesehenen Termin - in absehbarer Zeit, d.h. nach Heilung des Zustellungsmangels, durchgeführt werden sollte und konnte, sobald die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten ist (vgl. §§ 71 Abs. 4, 34a Abs. 1, 26a AsylG). Der Durchführung der von dem Antragsgegner geplanten Abschiebung des Antragstellers standen insbesondere keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegen, die die Maßnahme letztlich in einen zeitlich nicht überschaubaren - ungewissen - Rahmen verlagert hätten, sondern sie wurde wegen eines in der Rechtsphäre des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegenden Zustellungsmangels, der ohne weiteres behoben werden konnte und wurde, verzögert. Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG stehen deshalb (auch) bereits konkret getroffene Maßnahmen zur Vorbereitung der erneuten Abschiebung des Antragstellers entgegen. Daher ist entsprechend dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen in Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, der Durchsetzung der Ausreisepflicht der Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 25).(OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.7. 2017 – 7 B 11079/17 - und Beschluss vom 5.1. 2017 – 7 B 11589/16 –, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2016 – 11 S 1991/16 –; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 9.12. 2016 – 8 ME 184/16 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.3 2017 – 18 B 148/17 –, jeweils zitiert nach juris). [...]