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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 15.12.2017 - 6678772-160 - asyl.net: M25776
https://www.asyl.net/rsdb/M25776
Leitsatz:

Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen mangelnden Zugangs zur notwendigen palliativmedizinischen Behandlung in der Russischen Föderation.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Russische Föderation, Tschetschenien, Krebserkrankung, Palliativmedizin, Schmerztherapie, Behandlungskosten,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Russischen Föderation führen nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt.

Aufgrund der individuellen Umstände der Antragsteller ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedoch davon auszugehen, dass sich die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung außergewöhnlich erhöht und deswegen ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen ist.

Bei der Antragstellerin zu 1.) wurde Krebs im Endstadium diagnostiziert. Zudem wurden Atteste eingereicht, die belegen, dass die Antragstellerin zu 1.) an einem chronischen Schmerzsyndrom leide. Die Ressourcen der Familienangehörigen wurden durch die bisherigen Behandlungen der Antragstellerin zu 1.) und durch die geleisteten Geldforderungen stark aufgebraucht. Zudem hat sich die gesundheitliche Lage der Antragstellerin zu 1.) nach ihrer Ausreise weiter verschlechtert.

Gerade die Durchführung einer Schmerztherapie gestaltet sich in der Russischen Föderation nach den dem Bundesamt vorliegenden Informationen sehr schwierig. Die Palliativmedizin muss erheblich ausgebaut werden, es fehlen vor allem stark wirkende Schmerzmedikamente, z.B. bei der Behandlung schwer krebskranker Menschen. Durch die geringe Menge der vorhandenen Medikamente sind die Behandlungen sehr kostenintensiv.

Zwar gab die Antragstellerin an, dass sie vor Beginn ihrer Erkrankung in einer finanziell guten Lage gewesen sei, allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die Ressourcen durch die kostenintensiven Behandlungen, die Flucht und die Geldzahlungen mittlerweile aufgebraucht sind.

Hinzu kommt, dass die Antragstellerin zu 1.) alleinerziehend ist. Durch die beiden Vulnerabilitätsfaktoren ist davon auszugehen, dass es sich vorliegend um einen besonders schwerwiegenden Einzelfall handelt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Antragstellerin zu 1.) die finanziellen Mittel aufbringen könnte, um sich in Moskau in eine adäquate Behandlung zu begeben, ist nicht zu erwarten, dass sie gleichzeitig die Antragstellerin zu 2.) versorgen und betreuen könnte. Vielmehr ist die Antragstellerin zu 1.) selbst auf Betreuung angewiesen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Familienverbund sowohl die immens kostenintensive Behandlung der Antragstellerin zu 1.) und die Betreuung und Versorgung der Antragstellerinnen zu 1.) und 2.) gewährleisten kann.

Die humanitären Bedingungen sind für die Antragsteller auf Grund der hier vorliegenden schweren Erkrankung der Antragstellerin zu 1.) aus Sicht des Unterzeichners bei einer Rückkehr in die Russische Föderation demnach als derart schlecht zu bewerten [sind], dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK aufweisen.

Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes liegt vor. [...]