Abschiebungsverbot für alleinerziehende Mutter wegen der Versorgungslage in Eritrea:
1. Personen, die Eritrea als Minderjährige verlassen haben, werden nicht als Desertierte oder Wehrdienstverweigernde angesehen. Ihnen drohen deshalb keine Verfolgungshandlungen.
2. Einer alleinerziehenden Mutter mit zwei kleinen Kindern kann eine Rückkehr nach Eritrea nicht zugemutet werden, da sie aufgrund der schlechten Versorgungslage nicht in der Lage sein wird, dort eine Existenzgrundlage zu finden. Ihr ist ein Abschiebungsverbot nach Art. 60 Abs. 7 AufenthG zu erteilen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Auch aufgrund des Umstands, dass die Klägerin zu 1. inzwischen das wehrfähige Alter erreicht hat, droht ihr in Eritrea keine Verfolgung, so dass dahingestellt bleiben kann, ob eine solche eine Flüchtlingsanerkennung oder lediglich subsidiären Schutz rechtfertigen könnte (vgl. zu dem Meinungsstand VG Kassel, Urteil vom 1. März 2017 - 1 K 1054/16.KS.A - m.w.N.).
Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass Personen, die Eritrea als Minderjährige - und insbesondere, wie die Klägerin zu 1., lange vor Beginn ihrer Dienstpflicht - verlassen haben, als Deserteure bzw. Dienstverweigerer angesehen werden. Die Berichte von Inhaftierungen betreffen jeweils nur Personen, die Eritrea im dienstpflichtigen Alter verlassen hatten, enthalten aber keine Hinweise auf den Umgang mit der hier relevanten Personengruppe. Vielmehr heißt es im Bericht des Schweizer Staatssekretariats für Migration (Focus Eritrea. Update Nationaldienst und illegale Ausreise, vom 22. Juni 2016, S. 44):
"Unklar ist, wie mit Personen verfahren wird, die als Minderjährige ausgereist oder im Ausland aufgewachsen sind und erst im dienstpflichtigen Alter nach Eritrea (zurück)reisen."
Damit liegt im Falle der Klägerin zu 1. keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung vor. [...]
Den Klägern droht aber nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in Eritrea eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG. [...]
Eine einzelfallbezogene Betrachtung der persönlichen Situation der Kläger ergibt, dass ihnen eine Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Hiervon geht das erkennende Gericht aufgrund der allgemein unzureichenden Versorgungslage in Eritrea (vgl. nur AA, Lagebericht Eritrea vom 21. November 2016) im vorliegenden Fall aus. Die Klägerin zu 1. wäre bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht in der Lage, ihre Existenz zu sichern. Sie kann in Eritrea nicht auf einen familiären Rückhalt oder bestehende Kontakte zu Sicherung ihrer Existenz zurückgreifen. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Einzelrichters nochmals bestätigt. Das Gericht hat keinen Anlass, an den Angaben der Klägerin zu 1. zu zweifeln. Auch verfügt sie nicht über eine Berufsausbildung, sondern hat lediglich 3 Jahre lang die Schule besucht.
Soweit das Bundesamt meint, die Klägerin zu 1. könnte, wie auch in der Vergangenheit, einen Beruf ergreifen, so wird dabei übersehen, dass die Versorgungslage in Eritrea weitaus schlechter ist als im Sudan. Weite Teile der Bevölkerung leiden an Unterernährung. Alleinstehenden Frauen ist es unter diesen Umständen ohne familiären Rückhalt nicht möglich, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin zu 1. nunmehr um zwei kleine Kinder zu kümmern hat. Eine Berufsausübung scheidet, zumindest für die nächsten Jahre, erst einmal aus, da die Kinder die Hilfe ihrer Mutter benötigen. Damit ist davon auszugehen, dass im Falle einer Rückkehr der Kläger nach Eritrea die Schwelle einer konkreten Existenzgefährdung im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG erreicht wäre. [...]