Zu den Wirkungen des Eilrechtsschutzes gegen die Ablehnung als unzulässig bei Schutzgewährung in EU-Staat:
1. Feststellung: Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wegen Schutzzuerkennung in einem anderen EU-Staat und die Abschiebungsandrohung ist durch die gerichtliche Stattgabe des Eilrechtsschutzantrags gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG unwirksam geworden.
2. Die gesetzliche Folge der Unwirksamkeit aus § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG tritt auch dann ein, wenn das Gericht keine Zweifel an der Unzulässigkeit des Asylantrags hat sondern aus anderen Gründen dem Eilrechtsschutzantrag stattgibt (z.B. wegen Abschiebungsverboten). (Unter Bezug auf VG Trier, Urteil vom 16.03.2017 - 5 L 1846/17.TR - asyl.net: Dublin-Sammlung M25073; a.A. VG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2016 - 8 A 175/16 - asyl.net: Dublin-Sammlung M24805.)
3. Die Feststellung des BAMF, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, wird aufgehoben, da das Bundesamt erneut über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden hat.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Dieser ist zulässig. Er ist als Feststellungsantrag statthaft gemäß § 43 Abs. 1, 1 Var. VwGO. Ferner ist die Feststellungsklage nicht wegen des Vorrangs einer Anfechtungsklage unzulässig (§ 43 Abs. 2 VwGO). Denn die mit einer Anfechtungsklage erreichbare Aufhebung der Regelungen, auf die sich der Feststellungsantrag bezieht, scheidet aus, nachdem diese - wie nachfolgend ausgeführt wird - bereits kraft Gesetzes unwirksam geworden sind. Der Kläger hat schließlich auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Denn die Beklagte hat auf den gerichtlichen Hinweis vom 13.10.2017 auf die Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 AsylG sowie die Aufforderung, dem Gericht mitzuteilen, ob der streitgegenständliche Bescheid aufgehoben wird, nicht reagiert. Bei dieser Sachlage muss der Kläger davon ausgehen, dass die Beklagte an dem Bescheid in vollem Umfang festhält.
Die Klage ist mit dem Klageantrag zu 1. auch begründet. Die Regelungen in Ziffern 1 und 3 des Bescheides des Bundesamtes vom 21.06.2017 sind zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unwirksam.
Dies folgt aus § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift werden die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Mit Beschluss vom 17.07.2017 hat das Verwaltungsgericht Gießen die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom 21.06.2017 enthaltende Abschiebungsandrohung angeordnet. Hierdurch wurden die im Bescheid getroffenen Regelungen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unwirksam.
Auf die Gründe für die Stattgabe des Eilantrags kommt es insoweit nicht an. Ob das Gericht ernstliche Zweifel an der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG oder am Vorliegen einer der sonstigen Voraussetzungen der Abschiebungsandrohung - wie etwa dem Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten - hat, ist für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unbeachtlich (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 17.07.2017 -12 A 1375/17 -, UA S. 4; Urteil vom 19.07.2017 - 12 A 2396/17 -, UA S. 4; VG Trier, Beschluss vom 16.03.2017 - 5 L 1846/17.TR -, juris, Rn. 14 f.; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 37 Rn. 6; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 37 Rn. 3).
Der Auffassung. § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG sei im Wege der teleologische n Reduktion auf jene Fälle zu beschränken, in denen auch die Unzulässigkeitsentscheidung selbst durchgreifenden rechtlichen Zweifeln begegne (so VG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2016 - 8 A 175/16 -. juris), ist nicht zu folgen. Gegen diese Auffassung spricht zunächst die Systematik der Norm. Denn angesichts der Ausnahmeregelung in § 37 Abs. 3 AsylG, wonach Absatz 1 nicht gilt, wenn aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Abschiebung in einen der in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat vollziehbar wird, erscheint es fernliegend, eine weitere über diese gesetzliche Ausnahmeregelung hinausgehende Ausnahme zu schaffen (vgl. dazu VG Oldenburg, Urteil vom 19.07.2017, a.a.O.).
Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts Lüneburg im genannten Urteil (a.a.O., Rn. 55) macht die Anordnung der Fortführung des Asylverfahrens nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG keinen Sinn, da sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG weiterhin ergebe, dass der Asylantrag unzulässig sei. Deshalb sei es nicht möglich, dass das fortzuführende Asylverfahren mit einem anderen Ergebnis enden könne als zuvor, da nach wie vor feststehe, dass ein anderer Mitgliedstaat bereits Schutz gewährt habe und diese Schutzgewährung Rechtswirkungen entfalte. Dies ist nur insoweit zutreffend, als diese sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ergebende Rechtsfolge durch die Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht berührt wird (vgl. dazu aber auch BVerwG, Vorlagebeschluss an den EuGH vom 02.08.2017 - 1 C 2.17 -, juris). Dies betrifft jedoch lediglich die in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG angeordnete Fortführung des Asylverfahrens, in welchem weiterhin § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu berücksichtigen ist. Diese Anordnung erfasst aber nicht die in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte Rechtsfolge der Entscheidung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. dazu insgesamt VG Oldenburg, Urteil vom 17.07.2017. a.a.O., S. 4 ff.; Urteil vom 19.07.2017, a.a.O., S. 4 f.). Das Gericht kann hier nicht ohne weiteres eine Entscheidung der Beklagten vorwegnehmen. Es ist nämlich gerade nicht gewiss, dass die Beklagte bei Fortführung des Asylverfahrens und Neubescheidung des Klägers einen Bescheid gleichen Inhalts erlassen wird. Mag der Bescheid auch weiterhin gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig zu bewerten sein, so. so könnte die Beklagte aber doch zu einer abweichenden Entscheidung im Übrigen kommen. [...]
Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung der Regelungen verpflichtet, unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 AsylG (erneut) zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen sowie unter den Voraussetzungen des § 75 Nr. 12 AufenthG (erneut) das mit einer Abschiebung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. [...]
Die in Ziffer 2 des Bescheides getroffene Feststellung. dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, findet keine Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen des § 31 Abs. 2 AsylG und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder7 AufenthG vorliegen. Ein solcher Fall ist hier nicht (mehr) gegeben. Die allein in Betracht kommende Variante eines unzulässigen Asylantrages liegt nicht (mehr) vor, nachdem die entsprechende Entscheidung des Bundesamtes in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG mit Beschluss vom 17.07.2017 unwirksam geworden ist.
Auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides ist aufzuheben. Das Bundesamt ist für diese Entscheidung gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG nur in Fällen einer Abschiebungsandrohung oder -anordnung nach dem AsylG zuständig. An einer solchen fehlt es jedoch, nachdem die in Ziffer 3 des Bescheides verfügte Abschiebungsandrohung unwirksam geworden ist. [...]