Zur Rügepflicht bei Einführung einer falschen Erkenntnismittelliste im Asylprozess:
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs im Asylprozess kann nicht mit Erfolg gerügt werden, wenn Beteiligte es versäumen, sich unter Einsatz der ihnen nach der Prozessordnung zur Verfügung stehenden Mittel rechtliches Gehör zu verschaffen.
(Leitsätze der Redaktion)
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Im konkreten Einzelfall hat der Kläger gleichwohl einen Gehörsverstoß nicht hinreichend substantiiert. Es kann offen bleiben, ob mit einem Zulassungsantrag, woran es hier fehlt, zumindest irgendwelche schlüssigen Ausführungen dazu gemacht werden müssen, was bzw. auf welcher Grundlage der Kläger vorgetragen hätte, wäre ihm die den Abschiebezielstaat betreffende Erkenntnismittelliste mit der Ladung übersandt oder wären die diesbezüglichen Erkenntnismittel auf sonstige Weise ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden. Denn die Verletzung der Garantie rechtlichen Gehörs kann jedenfalls dann nicht mit Erfolg gerügt werden, wenn der Beteiligte es versäumt, sich unter Einsatz der ihm nach der Prozessordnung zur Verfügung stehenden Mittel rechtliches Gehör zu verschaffen. Das Bundesverfassungsgericht fordert aus dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität, dass ein Rechtsuchender über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinn hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur des geltend gemachten Gehörsverstoßes zu erreichen oder diesen zu verhindern (BVerfGE 73, 322 325>; 77, 381 401>; 81, 22 27>; 86, 15 22>; 95, 163 171>; Bergmann/Dienelt. AuslR, 12. Aufl. 2018, § 78 AsylG Rn. 32). Zwar besteht grundsätzlich keine Rügepflicht, wenn überhaupt keine Erkenntnismittel zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2001 - 2 BvR 982/00 -, Juris). Etwas anderes gilt aber in aller Regel, wenn in der Ladung auf eine irrtümlich nicht mitübersandte "anliegende" bzw. eine falsche Erkenntnismittelliste verwiesen wurde; dann besteht eine Rügepflicht spätestens in der mündlichen Verhandlung (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylG, vor II-3, Nr. 445.1).
So liegt der Fall hier. Trotz ordnungsgemäßer Ladung hat der Kläger darauf verzichtet, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Wäre hingegen er oder sein Anwalt am 09.11.2017 erschienen, so wäre die zentrale Rechtsfrage des Falles, ob in Italien systemische Mängel im Asylverfahren oder bei den Aufnahmebedingungen vorliegen, in der Verhandlung erörtert worden. Dabei hätte den Kläger die prozessuale Obliegenheit getroffen, das Gericht darauf aufmerksam zu machen, dass ihm bisher nur Erkenntnismittel hinsichtlich Gambia bekannt gemacht worden sind. In diesem Fall hätte das Gericht die Möglichkeit gehabt, gegebenenfalls nach Unterbrechung bzw. Vertagung der Verhandlung die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Erkenntnismittel bezüglich Italien einzuführen und zu erörtern. Ein Kläger, der sieht bzw. sehen muss, dass die falschen Erkenntnismittel eingeführt worden sind, gleichwohl aber hierzu in der mündlichen Verhandlung schweigt und einen Gehörsverstoß geschehen lässt, kommt seiner prozessualen Rügepflicht nicht hinreichend nach bzw. kann sich dann jedenfalls nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG berufen. Bei Nichtteilnahme an der münd-lichen Verhandlung kann im Ergebnis nichts anderes gelten. [...]