AG Lüneburg

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Zitieren als:
AG Lüneburg, Urteil vom 19.06.2017 - 14 Cs 1109 Js 27019/15 (60/16) - asyl.net: M25930
https://www.asyl.net/rsdb/M25930
Leitsatz:

Bei einer Verlängerung der Duldung unter Angabe falscher Personalien liegt bei jedem erneuten Duldungsantrag eine neue Straftat vor - allerdings nur wenn ein solcher Antrag ausdrücklich gestellt wird (hier jedoch Freispruch wegen unvermeidbarem Verbotsirrtum).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Täuschung über Identität, Duldung, Strafbarkeit, Belehrung, Verbotsirrtum,
Normen: AufenthG § 95 Abs. 2 Nr. 2, StGB § 17,
Auszüge:

[...]

Nach Auffassung des Gerichts unterlag der Angeklagte bei seinem Vorgehen jedoch einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gem. § 17 StGB, so dass festgestellt werden musste, dass der subjektive Tatbestand, hier insbesondere die Schuld, nicht festgestellt werden kann.

Es ist schon zweifelhaft, ob dem Angeklagten klar gewesen ist, dass jeder Antrag auf Genehmigung einer Duldung, so er denn falsche Angaben macht, eine neue Tat darstellt. Für den Rechtslaien handelt es sich vorliegend um ein einheitliches Verwaltungsverfahren. Aus dem ganzen Vorgehen bei Erteilung der aufeinanderfolgenden Duldungen ergab sich für den Angeklagten nicht ein einziges Mal ein Hinweis darauf, dass jeder Tatabschnitt für sich gewertet wird und er jedes Mal wieder verpflichtet gewesen wäre, richtige Angaben zu machen. Dies wäre nach Auffassung des Gerichts nur dann der Fall, wenn er bei jedem Antrag unabhängig davon, ob dieser konkludent durch Überreichen eines Schriftstücks oder ausdrücklich gestellt wird, vor der Entscheidung über den Antrag darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein neues Antragsverfahren handelt, dass er verpflichtet ist, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und dass er sich sonst strafbar macht. Diese Belehrung wäre zur Überzeugung des Gerichts entweder durch einen Sprachmittler mündlich oder durch Vorlage einer schriftlichen Übersetzung an den Angeklagten zu erteilen gewesen. Vergleichbar ist dieses Verfahren mit den Verfahren zur Beantragung von Arbeitslosengeld. Auch hier wird der Antragsteller bei jedem Antrag nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, welche Verpflichtungen ihn treffen und dies nicht etwa als Quittung, nachdem schon entschieden worden ist, sondern bei Antragstellung vor der Entscheidung. [...]