Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Rumänien für Familie mit internationalem Schutzstatus in Rumänien, da es sich um besonders schutzbedürftige Personen handelt (die Eltern sind psychisch erkrankt, die Kinder sehbehindert), denen wegen der unzureichenden staatlichen Unterstützung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
(Leitsätze der Redaktion)
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Zwar haben international Schutzberechtigte in Rumänien per Gesetz einen Anspruch auf staatliche Unterstützung im Wesentlichen zu denselben Bedingungen wie rumänische Staatsbürger (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2017 - 12 L 1342/17.A -; VG Bremen, Beschluss vom 02.02.2017 - 5 V 131/17 -, juris, Rn. 12, unter Bezugnahme auf: Erika Martina, Flüchtlinge in Rumänien, Evangelische Kirche A. B. in Rumänien, www.evang.ro/flüchtlinge-in-rumaenien). Jedoch haben international Schutzberechtigte für die Durchsetzung ihrer in Rumänien bestehenden Ansprüche auf Unterstützungsleistungen erhebliche Hürden zu überwinden. Anerkannte Flüchtlinge haben in Rumänien 30 Tage Zeit, um staatliche Hilfe zu beantragen. Diese dürfte auch der Höhe nach kaum ausreichen, um sich eine Wohnung und Nahrung leisten zu können. Wenn Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung noch in staatlichen Flüchtlingsheimen wohnen, müssen sie hierfür Miete zahlen, oft in Höhe eines Großteils ihres gesamten Leistungsbezugs. Nach spätestens 12 Monaten müssen sie die Flüchtlingsunterkünfte verlassen. Die staatliche Unterstützung wird maximal für ein Jahr gewährt. Anschließend sind die Flüchtlinge vollständig auf sich gestellt. Während rumänische Sozialhilfeempfänger auf die Unterstützung der erweiterten Familie und des Freundeskreises zurückgreifen können, besteht eine solche Möglichkeit für Flüchtlinge nicht (vgl. FN 15). Darüber hinaus leisten zwar auch Nichtregierungsorganisationen konkrete Integrationsarbeit durch Beratungen, der Begleitung bei Behördengängen sowie durch die Bereitstellung von Bildungsangeboten. Vor allem der "Jesuit Refugee Service in Romania" der katholischen Kirche stellt außerdem Unterkünfte für Männer, Frauen und Familien mit Kindern zur Verfügung, ebenso Nahrung, Bekleidung, Schulbedarf oder Haushaltsgegenstände sowie finanzielle Hilfen etwa für medizinische Behandlungen (siehe die Webseite dieser Organisation jrsromania.org/en/ sowie den Bericht der Flüchtlingsbeauftragten der Evangelischen Kirche Rumäniens unter www.evang.ro/[...]/). Daneben erbringt auch die ökumenische Organisation AidRom Integrationsleistungen wie Beratungen, materielle Unterstützung, Notfallhilfe und bietet Sprachkurse für Drittstaatsangehörige an (siehe aidrom.ro/english/index.php/about-aidrom)). Diese Unterstützungsleistungen ersetzen jedoch nicht die Verpflichtungen Rumäniens, staatliche Unterkunfts-, Hilfs- oder Integrationsprogramme einzurichten (vgl. hierzu Bulgarien betreffend OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.10.2016 -2 A 96/16). Es ist nach der Auskunftslage jedenfalls trotz allem schwierig, eine geeignete Unterkunft, Arbeit und Bildungsangebote zu finden (so nur US Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2016: Romania, S. 22). Dementsprechend müssen die jeweiligen Schutzberechtigten grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen in Rumänien zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt zu sorgen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 01.06.2017 -12 K 269/17.A -, juris).
Die Kläger erfüllen diese Voraussetzung nicht. Es ist nicht ersichtlich, wie die Eltern von zwei schwer erkrankten Kindern, die aufgrund ihrer Erkrankungen im Saarland die Förderschule für Blinde und Sehbehinderte in Lebach besuchen (vgl. hierzu die ärztlichen Stellungnahmen vom 20.10.2016, 28.04.2016, vom 02.11.2016, Bl. 66, 77 der Gerichtsakte 3 K 643/16 sowie Bl. 85-88 der Gerichtsakte 3 K 643/16), die zudem selbst in ständiger ambulanter psychiatrischer Behandlung stehen (vgl. hierzu die ärztlichen Stellungnahmen vom 12.01. und 24.01.2017, Bl. 66-69 der Gerichtsakte 3 K 643/16), in der Lage sein sollten, in Rumänien für den Lebensunterhalt und eine Unterbringung zu sorgen. Gerade für die Kläger zu 1. und 2. dürfte es mit Blick auf ihre obigen Lebensverhältnisse keine realistischen Aussichten geben, sich auf dem rumänischen Arbeitsmarkt gegen andere, regelmäßig gesunde Flüchtlinge und arbeitssuchende rumänische Staatsbürger zu behaupten. Die nach der Rechtsprechung der Kammer nach alldem erforderliche Zusicherung (vgl. Beschlüsse vom 10.11.2017 -3 L 2224/17-, vom 29.11.2017 - 3 L 2353/17 - und vom 03.01.2018 - 3 L 2531/17 -) hat die Beklagte nicht vorgelegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kläger der besonders schutzwürdigen Personengruppe zuzurechnen sind, für die nach dem Urteil des EGMR vom 04.11.2014 – 29217/12 -, Tarakhel/Schweiz, NVwZ 2015, 127 ohnehin besondere Voraussetzungen für eine Rückführung gelten.
Da damit nicht sichergestellt ist, dass die nach Rumänien zurückgeführten Kläger als anerkannt Schutzberechtigte zumindest in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung haben, steht ihrer Rückführung Art. 3 EMRK entgegen. [...]