1. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsanordnung i.V.m. einer Entscheidung des Bundesamtes nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist auch dann zulässig, wenn der Bescheid eine Ausreisefrist von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit bestimmt.
2. Zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Bulgarien.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
4 Der Antrag ist zulässig, obwohl dem Wortlaut von Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 06.11.2017 zufolge die den Antragstellern gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen erst nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens enden soll und damit – wie sich aus der ergänzenden Erklärung der Antragsgegnerin vom 07.12.2017 ergibt - Ziffer 3 des Bescheides zu einem früheren Zeitpunkt nicht vollziehbar sei.
5 Die Klage hat entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keine aufschiebende Wirkung, weil diese Rechtsfolge gem. § 75 AsylG nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 AsylG, d.h. in den "sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigen anerkennt", ausgelöst wird. Der hier vorliegende Fall ist kein "Sonstiger" im vorstehenden Sinne, denn er ist spezialgesetzlich von § 36 AsylG geregelt und sieht zudem gem. § 36 Abs. 1 AsylG zwingend eine dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist von einer Woche vor. Die aufschiebende Wirkung der Klage scheidet daher hier kraft Gesetzes aus. Diese Rechtsfolge könnte allenfalls durch die Aussetzung der Vollziehung i. S. v. § 80 Abs. 4 S. 1 VwGO im Einzelfall erfolgen, wovon die Antragsgegnerin unabhängig davon, ob sie hierzu nach dem AsylG ohne vorherigen Antrag befugt ist, nach eigener Darstellung keinen Gebrauch gemacht hat, sondern eine mit dem Gesetz nicht vereinbare Regelung getroffen hat.
6 Für das sonach gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 1 VwGO eröffnete vorläufige Rechtsschutzverfahren fehlt auch in Ansehung der den Antragstellern gesetzten Ausreisefrist von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung nach Bulgarien nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
7 Vom Fehlen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist ausnahmsweise (nur) dann auszugehen, wenn die gerichtliche Eilentscheidung für den Antragsteller von vornherein nutzlos erscheint, denn eine unnütze Inanspruchnahme des Gerichts findet auch im Eilverfahren nicht statt.
8 Vorliegend ist die Inanspruchnahme des Gerichts entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin indes nicht unnütz. Dies wäre nur der Fall, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung dem Rechtssuchenden keinerlei Vorteile gegenüber einem Zuwarten im Klageverfahren bringen würde. Letzteres ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil der Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.11.2017 kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (s.o.).
9 Außerdem und dessen ungeachtet gehen die mit § 37 Abs. 1 AsylG angeordneten Rechtsfolgen einer stattgebenden Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 u. 4 AsylG weit über die allgemeinen Wirkungen eines stattgebenden Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO hinaus. Sie erfassen nach § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG nicht bloß die Vollziehbarkeit des mit der Klage angefochtenen Bescheides, sondern führen kraft Gesetzes zur Unwirksamkeit desselben. Rechtsschutzziel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist somit objektiv nicht nur die Beseitigung der Vollziehbarkeit, sondern – zumindest mittelbar – auch die Unwirksamkeit des Vollzugsgrundes, des Bescheides selbst. Eine Entscheidung über die Klage wird hierdurch überflüssig und der Rechtsschutz wird – jedenfalls bei stattgebender Entscheidung - vollständig in das Verfahren nach §§ 80 Abs. 5 VwGO, 36 Abs. 3 u. 4 AsylG ohne Rechtsmittelmöglichkeit verlagert. Diese Wirkungen herbeiführen zu wollen sind im Falle einer stattgebenden Entscheidung für die Antragsteller von einem besonderen, durch § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG legitimiertem Nutzen im Sinne des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. [...]