Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Malta wegen systemischer Mängel bei der Unterbringung und Inhaftierung von Asylsuchenden.
(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. v. Belgium and Greece - asyl.net: M18077)
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Sollte der Antragsteller Malta auf irregulärem Weg verlassen haben - wovon mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann - würde er im Falle seiner Rückkehr voraussichtlich in die Haftanstalt Corradino Correctional Facility verbracht (AIDA-Bericht 11/2015). Auch nach der aktuellen Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Freiburg vom 11.12.2017 laufen Asylbewerber, welche Malta ohne Erlaubnis verlassen haben, noch immer Gefahr, nach ihrer Rücküberstellung angezeigt und vor ein Strafgericht gebracht zu werden. [...] Wie aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen ist, widersprechen die Haftbedingungen in der Corradino Correctional Facility in mancherlei Hinsicht den Mindestanforderungen, die das Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) an Haftanstalten stellt (vgl. Council of Europe, Report to the Maltese Government on the visit to Malta carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 3 to 10 September 2015, 25.10.2016). Trotz wahrnehmbarer Verbesserungen im Laufe der näheren Vergangenheit werden die Größe der Zellen, die hygienischen Bedingungen, der eingeschränkte Zugang zu genießbarem Trinkwasser sowie der mangelnde Schutz vor extremen Temperaturen bemängelt (ebd.). Solche Umstände können eine Verletzung von Art. 3 EMRK zur Folge haben (vgl. dazu EGMR, Urteil vom 03.05.2016 – 56796/13 -, HUDOC m.w.N.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 08.10.2014 - A 8 K 345/14 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 23.07.2014 - 12 B 1217/14 -, juris m.w.N.).
Auch wenn dem Antragsteller keine illegale Ausreise vorgeworfen werden sollte, ist auf Grund seines Status als Asylbewerber mit einer Inhaftierung zu rechnen (UNHCR, Malta - Progress under the Global Strategy - Beyond Detention 2014-2016, August 2016; UNHCR, Observations an Malta's Revised Legislative and Policy Framework for the Reception of Asylum-Seekers, 25.02.2016; Amnesty International - Malta 2017, v. 19.05.2017, abrufbar unter www.amnesty.de/jahresbericht/2017/malta). Zwar sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr alle Asylbewerber zwingend in Haft zu nehmen (ebd.). Die nunmehr geplanten Erstaufnahmezentren für Asylbewerber seien nach Ansicht des UNHCR jedoch ebenfalls als Haftanstalten zu bewerten, wodurch ihre Rechtmäßigkeit nach maltesischem Recht fraglich sei (ebd.). [...] Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte wiederholt eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Malta mit Blick auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest (vgl. Urteile vom 23.07.2013 – 42337/12 - Suso Musa/Malta -, vom 23.7.2013 – 55352/12 - Aden Ahmed/Malta -, vom 26.11.2015 -10290/13 - Mahamed Jama/Malta -, und vom 03.05.2016 – 56796/13 - Abdi Mahamadu/Malta -, HUDOC). Der Gerichtshof erkannte jeweils eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 und 4 EMRK, weil die Inhaftierung der Kläger nicht mehr mit Blick auf ihren Zweck - auf Grund illegaler Einreise bzw. zur Vorbereitung der Abschiebung - habe gerechtfertigt werden können und durch die maltesische Rechtsordnung den Betroffenen kein effektiver und schneller Rechtsschutz zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung gewährleistet worden sei (ebd.). [...]
Im Übrigen sind nicht nur die Haftbedingungen, sondern auch die Bedingungen in einigen offenen und geschlossenen Zentren nach wie vor mangelhaft. ACCORD berichtet im Mai 2017 (Anfragenbeantwortung zu Malta: Informationen zur Lage von Asylbewerbern; Versorgung, Unterbringung, Inhaftierung, Zugang zu Asylverfahren; www.ecoi.net/local-link/340491/483643_de.html):
Mit Verweis auf das US-Außenministerium vom März 2017 (Berichtszeitraum 2016), hätten in den Sommermonaten in einigen offenen und geschlossenen Zentren hohe Temperaturen geherrscht und eine unangemessene Belüftung in vorgefertigten Wohneinheiten würde zu unkomfortablen Lebensbedingungen beitragen. Ähnlich wird AIDA vom März 2017 wiedergegeben, wonach die große Anzahl der Personen, die in jedem Zentrum untergebracht seien (beispielsweise etwa 400 in Marsa Open Centre) unvermeidlich zu schweren Problemen hinsichtlich Hygiene und Instandhaltung führen würden. Insgesamt seien die Lebensbedingungen in den offenen Zentren mit wenigen Ausnahmen sehr schwierig. Die hauptsächlichen Bedenken würden sich auf einen niedrigen Hygienegrad, starke Überbelegung, Mangel körperlicher Sicherheit, die Standorte der meisten Zentren in abgelegten Gebieten Maltas, materiell schlechte Bauten und den gelegentlichen Rattenbefall beziehen.
Es bestehen somit aktuell noch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass bei Gesamtschau der von der maltesischen Regierung in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen davon auszugehen ist, dass derzeit schon mit einer europarechtskonformen Situation der Flüchtlingsaufnahme in Malta zu rechnen ist (VG Arnsberg, Beschluss vom 29.08.2017 5 L 2272/17.A -, juris Rn. 39; VG Magdeburg, Beschluss vom 28.07.2017 - 8 B 323/17 -, juris; VG Hannover, Urteil vom 05.02.2018 - 11 A 12328/17 -). [...]