LG Heidelberg

Merkliste
Zitieren als:
LG Heidelberg, Beschluss vom 27.02.2018 - 3 T 3718 - asyl.net: M26063
https://www.asyl.net/rsdb/M26063
Leitsatz:

Keine einstweilige Haftanordnung der Höchstfrist bei fehlender Akte:

1. Einstweilige Haftanordnungen können ohne Vorlage der Ausländerakte bis zu deren erwarteter Vorlage ergehen.

2. Allerdings ist die Anordnung der Höchstfrist von sechs Wochen bei einstweiligen Haftanordnungen nach § 427 Abs. 1 S. 1 FamFG ohne Vorliegen der Akte mit Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG nicht vereinbar und daher rechtswidrig. Die Übersendung der Ausländerakte innerhalb des Bundesgebiets ist innerhalb weniger Tage möglich.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftbeschluss, Ausländerakte, Ausländerbehörde, Akte, Höchstfrist, Haftanordnung, Sachaufklärungspflicht, einstweilige Anordnung, einstweilige Haftanordnung, Haftdauer,
Normen: GG Art. 104, GG Art. 2 Abs. 2 S. 2, FamFG § 427 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

c) Es muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, ob und inwieweit der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Inhaftierung eines Ausländers auf der Grundlage von Umständen, die die Berechtigung der Sicherungshaft wahrscheinlich machen, auch ohne Vorliegen der Ausländerakte bis zu deren zu erwartender Vorlage zulässig ist. In vielen Fällen, in denen ein ausreisepflichtiger Ausländer überraschend aufgegriffen wird, wird nämlich dem Richter, der gemäß Art. 104 GG unverzüglich eine Entscheidung über die Freiheitsentziehung zu treffen hat, die Ausländerakte zum Zeitpunkt der Vorführung des Ausländers noch nicht vorliegen.

d) Eine vorläufige Freiheitsentziehung für die Dauer von sechs Wochen im Wege der einstweiligen Anordnung ohne Vorliegen der Ausländerakte ist jedenfalls mit den verfahrensrechtlichen Anforderungen an einen Eingriff in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht vereinbar. Sechs Wochen sind gemäß § 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG die für einstweilige Anordnungen geltende Höchstfrist. Gründe für die Rechtfertigung dieser Frist für die vorläufige Freiheitsentziehung sind weder dem Antrag der Ausländerbehörde noch dem gerichtlichen Beschluss noch anderweitigen Umständen zu entnehmen. Die Übersendung einer Ausländerakte innerhalb des Bundesgebiets ist vielmehr in der Regel innerhalb weniger Tage möglich. Die Anordnung der vorläufigen Sicherungshaft für die Dauer von sechs Wochen ohne jegliche Begründung dieser Frist verletzte den Betroffenen daher insgesamt in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. [...]