VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 27.02.2018 - 6 A 2148/16 - asyl.net: M26163
https://www.asyl.net/rsdb/M26163
Leitsatz:

Verwertbarkeit von Angaben im Verwaltungsverfahren, die einem strafrechtlichen Verwertungsverbot unterliegen:

Beweismittel, die im Strafverfahren dem Verwertungsverbot unterliegen, können im Verwaltungsverfahren verwertet werden, da es keine der StPO entsprechende Verbotsvorschrift in der VwGO gibt. 

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Aufenthaltsrecht, Freizügigkeitsrecht, Verlust des Freizügigkeitsrechts, Scheinehe, mittelbare Falschbeurkundung, Straftat, Verwertungsverbot,
Normen: AufenthG § 53, FreizügG/EU § 11, FreizügG/EU § 2 Abs 7, VwVfG § 40, VwVfG § 48
Auszüge:

[...]

Sowohl die Einlassungen von Frau X... als auch die des Klägers im erstinstanzlichen Strafverfahren durften und dürfen auch seitens der Ausländerbehörde bei der Entscheidungsfindung herangezogen werden. Die Einlassung des Klägers im erstinstanzlichen Strafverfahren dürfte als Geständnis zu werten sein. Selbst die Strafprozessordnung verbietet es nicht, ein Geständnis, das richterlich protokolliert worden ist, zu verwerten (vgl. § 254 Abs. 1 StPO). Demgegenüber dürfte nach der Strafprozessordnung die Aussage von Frau X..., die diese als Mitangeklagte vor dem Amtsgericht gemacht hat, im Strafverfahren nicht mehr verwertet werden, nachdem Frau X... im Verfahren vor dem Landgericht sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 252 Rn. 11). Dieses strafprozessuale Verwertungsverbot erstreckt sich aber nicht auf das Verwaltungsverfahren. Eine Vorschrift, die es verbieten würde, die Einlassung des Klägers im erstinstanzlichen Strafverfahren und die dort gemachten Erklärungen von Frau X... im Verwaltungsverfahren zu verwerten, gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (Beschluss vom 24. Februar 2011 - 2 BvR 1596/10, 2 BvR 2346/10 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 -, juris Rn. 117). Wie bereits festgestellt, gibt es für das Verwaltungsverfahren keine entsprechende ausdrückliche Vorschrift. Übergeordnete wichtige Gründe, die es ausnahmsweise gebieten könnten, es zu unterlassen, die Einlassungen von Frau X... und des Klägers nicht im Verwaltungsverfahren zu verwerten, sind auch nicht ersichtlich. […]