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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 16.04.2018 - 5863754-457 - asyl.net: M26168
https://www.asyl.net/rsdb/M26168
Leitsatz:

[Zuerkennung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG durch das BAMF]

Einer alleinstehenden Frau ohne familiären Rückhalt ist es in der Mongolei angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation nicht möglich, ihr Existenzminimum allein zu erwirtschaften.

Schlagwörter: Mongolei, alleinstehende Frauen, Existenzgrundlage, Existenzminimum, Familienangehörige, Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, EMRK Art. 3,
Auszüge:

[...]

2. Ein Abschiebungsverbot liegt vor.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG liegen hinsichtlich der Mongolei vor. [...]

Nach dem Sachvortrag der Antragstellerin droht ihr keine durch einen nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. [...]

Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Mongolei führen nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt.

Im Jahr 2016 lebten 21,6 Prozent der Bevölkerung in Armut. Die staatlichen Maßnahmen zur sozialen Absicherung sind unzureichend, aber existieren. Bedürftige werden traditionell von Verwandten unterstützt. Jedoch verschlechtert sich die Lage seit 2012 zunehmend. Die hohe Inflation führe zu steigenden Lebensmittelpreisen, unter welchen besonders die arme Bevölkerung und die Mittelschicht leiden. Letztere ist dadurch ebenfalls von Armut bedroht. Nach Angaben des Berichts der Asian Development Bank (ADB) vom November 2017 leben rund 35 Prozent der Bevölkerung nur knapp über der Armutsgrenze aus dem Jahr 2014 (https://www.adb.org/sites/default/files/publication/383161/adb-brief-86.pdf).

Rund die Hälfte der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ist laut eines Berichts der Konrad-Adenauer-Stiftung von 2017 arbeitslos (http://www.kas.de/wf/doc/kas_49640-544-1-30.pdf?170724051047). Frauen sind nach Angaben des Berichts des National Committee on Gender Equality of Mongolia von 2014 stärker als Männer von Arbeitslosigkeit betroffen (https://www.ecoi.net/en/file/local/1131701/1930_1422523237_n1466903-1.pdf).

Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage führt die allgemeine Lage in der Mongolei nicht zu der Annahme, dass es für alle Bürger des Landes eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, in der Mongolei zu leben.

Aufgrund der individuellen Umstände der Antragstellerin ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedoch davon auszugehen, dass sich die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung außergewöhnlich erhöht und deswegen ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen ist.

Im Falle einer Rückkehr in die Mongolei wäre sie auf sich alleine gestellt. Aufgrund der Schulden, die ihr Ex-Ehemann gemacht hat, hat sie das Haus ihres Vaters verloren und wurde obdachlos. Darüber hinaus leben ihre beiden Kinder mittlerweile in Russland. Als alleinstehende Frau ohne familiären Rückhalt ist es ihr nicht möglich, ihr Existenzminimum alleine zu erwirtschaften. Wie bereits weiter oben ausgeführt, werden Bedürftige in der Mongolei traditionell von Verwandten unterstützt. Da ihr dieses familiäre Netzwerk fehlt und ihr jetziger Ehemann nicht aus der Mongolei stammt, ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie nicht in der Lage sein wird, sich ihre Lebensgrundlage erwirtschaften zu können.

Das UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women (CEDAW) hält in seinem Bericht vom März 2016 fest, dass es weiterhin einen großen und wachsenden Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in allen Arbeitssektoren gibt. So sei eine Konzentration der Frauen in Niedriglohnjobs im formellen und informellen Sektor festzustellen. USDOS (2017) stellt fest, dass Frauen im Arbeitssektor Diskriminierung ausgesetzt sind.

Die Asian Development Bank (ADB) hebt weiterhin in einer Publikation vom November 2017 hervor, dass das aktuelle Sozialhilfesystem in der Mongolei arme und verletzliche Menschen nicht effektiv schütze. Einerseits seien die aktuellen rund 72 Sozialhilfeprogramme fragmentiert, was zu einer Duplizierung von gewissen Leistungen und zu hohen administrativen Kosten führe. Zudem erhielten viele Personen Unterstützung, die eigentlich über genügend finanzielle Mittel verfügten. Schließlich seien die Unterstützungsleistungen für die wirklich Bedürftigen zu niedrig, um diese über die Armutsschwelle zu heben. [...]