VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 07.10.2002 - 1 G 2785/02(V) - asyl.net: M2625
https://www.asyl.net/rsdb/M2625
Leitsatz:

Zur Frage aufenthaltsrechtlicher Schutzwirkungen aus Art. 6 I, II GG zu Gunsten eines ausländischen Vaters eines deutschen Kindes. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Deutschverheiratung, Getrenntleben, Kind, Sorgerecht, Familienzusammenführung, Begegnungsgemeinschaft, Beistandsgemeinschaft, Schutz von Ehe und Familie, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 1; AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 6 Abs. 2
Auszüge:

Der Antrag ist nicht begründet. Die Verfügung des Landrates des Main-Kinzig-Kreises vom 19.06.2002 ist rechtmäßig. Das gesetzlich begründete öffentliche Interesse an sofortiger Vollziehbarkeit der die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagenden Verfügung (§ 72 Abs. 1 AuslG) überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines möglichen Hauptsacheverfahrens.

Der Antragsgegner hat den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Recht abgelehnt. Schließlich hat der Antragsteller auch aus § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Nach der zitierten Vorschrift ist die Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Vorliegend ist - soweit aus den Akten ersichtlich ist - bei dem Amtsgericht ein Rechtsstreit über das Sorgerecht über das Kind anhängig. Dem Antragsteller wurde im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches ein Umgangsrecht eingeräumt, wonach er seinen Sohn alle zwei Wochen von 14 - 17.00 Uhr im mütterlichen Haushalt besuchen darf.

Allerdings kann die bloße formale Inhaberschaft des Sorgerechts genauso wie das bloße formale Sorgerecht ein Aufenthaltsrecht des Ausländers nicht begründen. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 30.01.2002 (NVwZ 2002 S. 849) ausführt, gilt der Schutz des Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GG zunächst und zuförderst der Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. In der Familie und der elterlichen Erziehung findet die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes seine wesentliche Grundlage. Besteht eine solche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und einem Kind und kann diese Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, etwa weil das Kind deutsche Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehung zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Demgegenüber kann die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis und die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen jedenfalls dann unbedenklich sein, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung einer Begegnungsgemeinschaft hinaus gehenden familienrechtlichen Schutz angezeigt sein lassen. Besondere Lebensverhältnisse liegen etwa vor, wenn ein Kind auf die dauerhafte Anwesenheit eines nicht sorgeberechtigten Elternteils in seiner unmittelbaren Nähe angewiesen ist, wobei es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt. Ebenso unerheblich ist, ob die Betreuung auch von anderen Personen, beispielsweise der Mutter des Kindes erbracht werden kann, weil der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht schon durch Betreuungsleistungen der Mutter entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann. Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung entweder als aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechtes unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechtes und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S, 1 GG steht.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Anspruch des Antragstellers aus § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zu verneinen.

Die unstreitig bestehende Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem bei der Mutter lebenden Sohn nähert sich im Hinblick auf ihre Intensität einer echten Eltern-Kind-Beziehung nicht an. Letztlich beschränken sich die Kontakte des Antragstellers zu seinem Sohn auf bloße Besuchskontakte alle 14 Tage und Telefon- bzw. Briefkontakte zu der Mutter. Wie sich aus dem Bericht des Landrates des Burgenlandkreises vom 26.02.2002 ergibt, leistet der Antragsteller in Folge der räumlichen Trennung jedoch keinen echten Anteil an der Betreuung, Versorgung und Erziehung des Kindes. Die Entscheidungen werden letztlich von der Mutter allein getroffen, wenn auch der Antragsteller an der Entwicklung seines Sohnes interessiert ist.

Da sich somit der Kontakt des Antragstellers zu seinem Sohn letztlich auf bloße Begegnungen beschränkt, ist eine echte Eltern-Kind-Beziehung nicht entstanden und der Sohn des Antragstellers ist demgemäß für sein Wohl nicht auf die dauernde Anwesenheit des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland angewiesen. Ein Angewiesensein des Sohnes des Antragstellers auf die weitere Anwesenheit des Antragstellers folgt letztlich auch nicht daraus, dass - wie es in dem Bericht des Landrates des Burgenlandkreises vom 26.02.200 heißt - der Kontakt zum Vater im Hinblick auf seine Hautfarbe persönlichkeitsstärkend ist. Es mag zwar zutreffen, dass die Anwesenheit des Antragstellers sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung seines Sohnes auswirken kann, doch mag dieser Gesichtspunkt nicht darüber hinweg zu täuschen, dass der Antragsteller keinen echten Anteil an der Betreuung, Versorgung und Erziehung des Kindes erbringt und daher das Kind für sein Wohl nicht auf die dauernde Anwesenheit des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland angewiesen ist.