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VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Beschluss vom 23.05.2018 - 3 L 304/18 - asyl.net: M26267
https://www.asyl.net/rsdb/M26267
Leitsatz:

Pflicht zur Übermittlung von Fluggastdaten:

"Die Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen zur Übermittlung der Nummer und des ausstellenden Staats des zur Einreise erforderlichen Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums (§ 31 a Abs. 3 Nr. 6 BPolG) an die Bundespolizei ist mit Europarecht vereinbar."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Luftfahrtunternehmen, Aufenthaltstitel, Visum, Datenübermittlung, Übermittlung personenbezogener Daten, Transit-Visum, Dienstleistungsfreiheit,
Normen: BPolG § 31 a Abs. 3 Nr. 6, RL 2004/82/EG Art. 3,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Vorschrift des § 31a Abs. 3 Nr. 6 BPolG nicht europarechtswidrig und deshalb unwirksam. Vielmehr setzt auch diese Regelung die Richtlinie 2004/82/EG in innerstaatliches Recht um und dient der Verbesserung der Einreisekontrolle. Es trifft zwar zu, dass die dort geforderten Daten nicht im Katalog der nach Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 2004/82/EG von den Beförderungsunternehmen zu tätigen Angaben benannt worden sind. Dies führt jedoch nicht dazu, dass § 31a Abs. 3 Nr. 6 BPolG europarechtswidrig ist, denn Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/82/EG regelt die von den Beförderungsunternehmen zu fordernden Angaben - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht abschließend und beinhaltet kein Verbot, weitere Angaben von den Luftfahrtunternehmen zu verlangen. Bereits nach dem Wortlaut der Richtlinienbestimmung wird ein Beispielkatalog von Angaben geregelt. Der bundesdeutsche Gesetzgeber ist nicht gehindert, weitergehende Angaben im Einklang mit der Zielsetzung der Richtlinie zu verlangen. Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2004/82/EG, der lautet:

"Unbeschadet der Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sollte den Mitgliedstaaten unbenommen bleiben, für Luftfahrtunternehmen oder bestimmte Arten von anderen Beförderungsunternehmen zusätzliche Verpflichtungen beizubehalten oder einzuführen, einschließlich Informationen oder Angaben im Zusammenhang mit Rückreiseticket, unabhängig davon, ob diese in der Richtlinie genannt sind."

Danach sind die Mitgliedstaaten ausdrücklich befugt, neben den in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/82/EG geforderten Angaben weitere Daten von den Beförderungsunternehmen zu verlangen. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesgesetzgeber mit der Regelung in § 31a Abs. 3 Nr. 6 BPolG Gebrauch gemacht. Dies ist nicht zu beanstanden, denn es nicht ersichtlich, dass die beanstandete Regelung dem Zweck der Richtlinie 2004/82/EG widerspricht, die illegale Einwanderung zu bekämpfen und die Grenzkontrollen zu verbessern. Vielmehr ist sie geeignet, die Verwendung von gestohlenen Aufenthaltstiteln und Visastickern einzudämmen und dient damit der Verbesserung von Grenzkontrollen. [...]

Auch wenn die Regelung in § 31a Abs. 3 Nr. 6 BPolG die Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 und 57 AEUV beschränkt, ist diese Beschränkung gerechtfertigt. Nach dem europäischen Recht sind Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zulässig, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind, wobei die Beschränkung in diesem Fall geeignet sein muss, die Erreichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten und nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen darf (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Januar 2018, C-249/15, zitiert nach juris). Überdies sind alle Betroffenen gleich zu behandeln. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die mit der Regelung in § 31a Abs. 3 BPolG angestrebte Verbesserung der Bekämpfung der illegalen Einwanderung, der Wirksamkeit von Grenzkontrollen, des Schutzes vor Terrorismus und der Strafverfolgung im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei stellen gewichtige Ziele des Allgemeinwohls dar, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen. Die mit der Regelung verbundenen Belastungen treffen alle in Deutschland operierenden Flugunternehmen gleichermaßen, wie die Antragstellerin selbst einräumt. Die Regelung ist auch geeignet, die o.g. Allgemeinwohlziele zu erreichen, was die Antragstellerin ebenfalls nicht bestreitet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gehen die sich aus der Regelung in § 31a Abs. 3 Nr. 6 BPolG ergebenden Beschränkungen des Betriebs der Antragstellerin nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Es trifft nicht zu, dass dieses Ziel bereits durch die Übermittlung der übrigen sechs Ziffern des § 31a Abs. 3 BPolG erreicht werden kann. Die Antragsgegnerin hat insoweit überzeugend dargelegt, dass sie über kein System verfügt, Aufenthaltstitel anderer Staaten einsehen zu können. Das Argument der Antragstellerin, ihr sei bislang kein einziger Fall vorgeworfen worden, der mit der Manipulation oder der Verfälschung der Ausweisdokumente oder Aufenthaltstitel zu tun gehabt hätte, vermag nicht die in der Praxis festgestellte Relevanz der Diebstähle von Aufenthaltstiteln bzw. Visastickern in Abrede zu stellen und die Erforderlichkeit einer Datenerhebung nach § 31a Abs. 3 Nr. 6 BPolG zu widerlegen. Die Antragsgegnerin kann auch nicht auf Fluggastdatensätze (PNR-Daten) gemäß der Richtlinie (EU) 2016/681 und nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Verarbeitung von Flugdaten zur Umsetzung der zuvor genannten Richtlinie (FlugDaG) verwiesen werden, da diese Daten von einer anderen Behörde, nämlich dem Bundeskriminalamt erhoben werden. [...]