LG Ingolstadt

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Zitieren als:
LG Ingolstadt, Beschluss vom 04.05.2018 - 31 T 591/18 - asyl.net: M26308
https://www.asyl.net/rsdb/M26308
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung nach rechtsmissbräuchlichem Übernahmeersuchen: 

Ein vorhergehender Haftbeschluss ist rechtswidrig, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Haftgericht fälschlicherweise davon ausging, dass eine Person nach Italien abgeschoben werden könne, obwohl sie sich zuvor zwei Jahre in Deutschland aufgehalten und hier erfolglos einen Asylverfahren durchlaufen hat.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Zurückschiebungshaft, Zurückschiebung, Abschiebung, Zurückweisung, Dublin, Dublinverfahren, Abschiebungshaft, Überstellung, Beschwerde, Haftbeschwerde, Übernahmeersuchen, Rechtsmissbrauch,
Normen: VO 604/2013 Art. 3, VO 604/2013 Art. 18 Abs. 1 Bst. b, FamFG § 62, AufenthG § 62
Auszüge:

[...]

Mit Beschluss des Amtsgerichts Kempten vom 24.02.2018 wurde der Betroffene in Zurückweisungshaft genommen, da eine Zurückweisung nach Pakistan beantragt sei. Das BAMF stellte am 23.02.2018 ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO an Italien, das unbeantwortet blieb. Mit Bescheid vom 16.03.2018 ordnete das BAMF die Abschiebung des Betroffenen nach Italien an und führte zur Begründung aus, Italien sei gemäß Art. 3 Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. [...]

Zunächst gegenüber dem Verwaltungsgericht Augsburg und später nach Verweisung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht München beantragte der Betroffene, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, München, im Weg der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber der Bundespolizei München, Bundespolizeiinspektion Kempten und dem Amtsgericht Ingolstadt im hier anhängigen Verfahren mitzuteilen, dass eine Überstellung des Betroffenen nach Italien nicht erfolge, da der Wiederaufnahmeantrag gegenüber der Republik Italien rechtsmissbräuchlich sei. Aufgrund des vorausgegangenen Asylverfahrens verbleibe es bei der Zuständigkeit Deutschlands für die Durchführung des Asylverfahrens.

Mit Beschluss vom 17.04.2018 erklärte das Verwaltungsgericht München (M 18 E 18.50999) die Abschiebung des Betroffenen "nach Italien auf Grundlage der Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 16. März 2018" für derzeit unzulässig. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht München aus, die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin III-VO erscheine als nicht gegeben wegen "des vorausgegangenen abgeschlossenen Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland". Es widerspräche "Sinn und Zweck der Dublin III-VO" von einer Beendigung der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch den "rechtskräftigen Abschluss des nationalen Verfahrens" auszugehen. Vielmehr verbleibe es bei der deutschen Zuständigkeit zur Behandlung etwaiger weiterer Asylanträge des Betroffenen und letztlich auch für eine mögliche Abschiebung des Betroffenen nach Pakistan. [...]

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 22.03.2018 beruht auf der Annahme, die Zurückschiebung des Betroffenen nach Italien sei nach Abschluss des deutschen Asylverfahrens möglich.

Diese Annahme ist nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17.04.2018 unzutreffend. Die verwaltungsrechtliche Grundlage der Abschiebung, der Bescheid des BAMF vom 16.03.2018, stellt keine hinreichende Grundlage der Abschiebeanordnung dar. Damit erweist sich die Inhaftnahme des Betroffenen zur Durchsetzung der Durchführung der Abschiebungsanordnung als rechtswidrig. Der Erörterung etwaiger weiterer Voraussetzungen der Inhaftierung des Betroffenen bedarf es nicht. [...]